Gentlemen, start your engines! Kaum eine Neuvorstellung der letzten Jahre verkörpert so die gute alte Zeit des englischen Sportwagenbaus, wie der aktuelle Jaguar F-Type. Seine Formen sind auch fünf Jahre nach seinem Debüt und dem Mini-Facelift Anfang 2017 so messerscharf und zeitlos, dass man immer noch meint vor einer gerade präsentierten Designstudie zu stehen. Man erkennt im F-Type jene großartige Silhouette wieder, die schon den E-Type in den 60er und 70er Jahren prägte und zu einem wahren Klassiker heranreifen ließ. Jaguar-Chefdesigner Ian Callum verstand es zudem, das Blechkleid des altehrwürdigen E-Type neu zu interpretieren und eine der wohl schönsten Karosserieformen des letzten Jahrhunderts in die Moderne zu übersetzen.
Die Linienführung des Jaguar F-Type wirkt so gleichermaßen grazil und ästhetisch, weiß aber im optionalen R-Dynamic-Dress auch durch kraftvolle Akzente zu begeistern und vermittelt zusätzlich eine enorme Angriffslustigkeit. Passend zur Formensprache sitzt unter der langen Motorhaube ein mehr als stimmgewaltiges V6-Triebwerk mit 380 PS und 460 Newtonmeter Drehmoment. Wird der Dreiliter-Kompressor befeuert lässt dies niemanden kalt – vor allem nicht die umliegende Reihenhaussiedlung. Denn leise starten, so viel ist sicher, lässt sich der Jaguar F-Type mit serienmäßiger und klappengesteuerter Sportabgasanlage nicht. Aber sei’s drum: Wer bis über beide Ohren grinsend im Jag sitzt, der vergisst schnell die nörgelnden Nachbarn.
Doch obwohl der feudal klingende V6-Kompressor weithin hörbar alles dafür tut, dem Fahrer eine enorme Geschwindigkeit zu suggerieren – es bleibt im Tachometer bei einer annehmbaren aber nicht übertrieben sportiven Beschleunigung. In 5,1 Sekunden spurtet der englische Sportwagen auf Tempo 100, abgeregelt wird erst bei 275 Stundenkilometern. Um die Höchstgeschwindigkeit allerdings auszureizen braucht es ziemlich viel Autobahn, freilich unbegrenzt und ohne störende Konkurrenz in Form von 3,0-Liter-Dieselpiloten. Etwas zäh und nur mit viel Durchhaltevermögen lassen sich die Verfolger abschütteln, muss sich der Fahrer des F-Type erst in die Gefilde der Ü-250-Marke flüchten um vom S-Line- und M-Paket-Jünger loszukommen.
Es lässt sich wegen der etwas mageren Leistungsausbeute natürlich hervorragend darüber streiten, ob der optionale Allradantrieb beim P380 nun Sinn macht oder nicht. Doch gerade wer zackige Landstraßen – vielleicht auch im Spätherbst und Winter – gerne etwas schneller fährt, der wird das Mehr an Traktion zu schätzen wissen. Hinein in die nächste Kehre fühlt sich der F-Type vergleichsweise leicht an, verfügt über einen gut tastbaren Grenzbereich und markiert erst sehr spät durch leichtes Untersteuern sein persönliches Limit. Das sehr gut abgestimmte und in zwei Stufen regelbare Adaptivfahrwerk tut sein Übriges, damit aus dem sportiven F-Type ein mehr als passabler Langstreckenwagen wird. Die elektromechanische Lenkung ist durchaus gefühlsecht gelungen und gibt eine sehr direkte Fahrbahnrückmeldung. Einmal mehr geht auch ein Lob in Richtung Pirelli – ist die Bodenhaftung der aufgezogenen P Zero‘s einfach nur beeindruckend.
Gleichermaßen beeindruckend ist normalerweise auch das von ZF bereitgestellte 8HP-Getriebe, welches nicht nur bei Jaguar Land Rover gerne genutzt wird. Es schaltet in der Regel sehr direkt, butterweich und ohne merklichen Zugkraftverlust. Auch im F-Type ist es weitestgehend eine Wucht, wäre da nicht der kleine Makel der etwas zu nervösen Getriebeprogrammierung. Zu oft schaltet der 8-Gang-Wandler ein oder zwei Gänge zurück, obwohl das Gaspedal nur minimal gedrückt wird. Gerade auf der Autobahn ist man daher geneigt dem Jaguar manuell den richtigen Gang zuzuweisen. Die optionale Bremsanlage (vorne 380, hinten 376 Millimeter im Durchmesser) packt dagegen kraftvoll zu, verzögert standesgemäß und auch aus höheren Geschwindigkeiten mehr als nachhaltig. Ein paar Worte noch zum Spritverbrauch: Bei Bedarf geht der F-Type mit seinen 70 Litern im Tank recht sparsam um, lassen sich selbst Verbräuche mit einer acht vor dem Komma ohne Schwierigkeiten realisieren. Im normal gefahrenen Schnitt sind es dann aber eher 11-12 Liter Benzin die man einplanen muss – schließlich will man seinen Jag auch einmal herausfordern.
Wer gerne viel und schnell fährt, der freut sich natürlich auch über ein entsprechendes Ambiente im Innenraum. Eng aber nicht knapp bemessen geht es im F-Type zu, das Interieur, samt der perfekt sitzenden aber optionalen Performance-Sportsitze, passt auch für größer gewachsene Fahrer und Beifahrer wie ein sprichwörtlicher Maßanzug. Der analoge Instrumenteneinsatz samt Bordcomputer ist vorbildlich abzulesen, die Knöpfe und Schalter in der Mittelkonsole sind leicht zu erreichen und das Infotainmentsystem mit seinem großen Touchscreen lässt sich flott und zielgerichtet bedienen. Obwohl das System jenem aus dem aktuellen Ranger Rover (hier bei uns im Test) in weiten Teilen gleicht, lässt es sich im Jaguar insgesamt runder befehligen, was unserer Meinung nach an den kürzeren Bedienwegen und einer anderen Softwareversion (mit größeren Touchfeldern) liegen dürfte.
Dass wir die Innenraumbeleuchtung optional und je nach Stimmung beliebig verändern können, das kennen wir ebenfalls aus dem großen Range Rover. Wir hätten uns jedoch lieber über einen erweiterten Serientrimm gefreut – inklusive DAB-Radio und einer verstellbaren Lendenwirbelstützte. Generell ist es so, dass der Jaguar F-Type in der Basis zwar gut aber nicht übertrieben umfangreich ausgestattet ist. Auf der einen Seite können wir dieser Askese viel abgewinnen, jedoch sind die Preise hierfür sehr selbstbewusst angesetzt. Der von uns getestete Jaguar F-Type P380 AWD steht mit mindestens 91.000 Euro in der Liste und kratzt damit schon ansatzweise am Niveau eines Basis-Carrera – fairerweise muss dazu gesagt werden: Ohne Allradantrieb und Automatik. Immerhin: Das Navigationssystem Pro und eine ordentliche 380 Watt Merdian-Soundanlage sind sogar beim 4-Zylinder F-Type immer mit von der Partie.
Fazit
Ist es jetzt also auch bei Evocars so, wie bei allen anderen Magazinen auch? Brechen wir den Jaguar F-Type auf seine bloßen Zahlen herunter und vergleichen ihn am Ende mit einem Produkt aus Zuffenhausen? Nein. Denn zum einen rangiert der F-Type klar zwischen 911 Carrera und 718 Cayman und zum anderen sehen wir in ihm keinen verbissenen Konkurrenten zum klassischen Porsche-Konzept. Vielmehr ist der Jag ein Mitbewerber auf Augenhöhe, der mit seinen tollen Formen bewusst die extravaganten Sportwagenfahrer anspricht. Vielleicht sogar jene, die ob der vielen Porsche auf unseren Straßen ein wenig herausstechen wollen. Technisch und Qualitativ muss sich der Jaguar nicht verstecken, könnte mit seinen 380 PS aber durchaus ein wenig spritziger daherkommen. Abzüge in der B-Note gibt es zudem für die zu nervös geratene Getriebeabstimmung.
Individualisten und Fans englischer Sportwagen werden mit dem Jaguar F-Type aber ihren Spaß haben, können sie zudem aus einem reichhaltigen Farb- und Materialangebot wählen und curisen am Ende des Tages mit dem wohl besten (echten) V6-Motorsound über die Landstraße, den es derzeit, in solch einem Wagen, zu kaufen gibt. Auch wir haben schnell unsere Traumkonfiguration gefunden, würden uns für den heckgetriebenen (weil handgerissenen) P380 F-Type entscheiden. Sein zeitloses Außendesign, gepaart mit British Racing Green außen und im Inneren mit feinem Windsor-Leder in Brogue samt Kontrastnähten in Ivory ausstaffiert – klassischer kann man einen Jaguar kaum zusammenstellen. Ach: Wer am Ende den Jaguar F-Type ernsthaft mit dem (warum auch immer) verfügbaren und feststehenden Heckgeflügel verhunzt, der hat den F-Type und seinen Designer Ian Callum nicht verstanden.
Modell: Jaguar F-Type P380 AWD R-Dynamic Coupé
Motor: Sechszylinder-V-Motor, Kompressor, 2.995 ccm
Leistung: 380 PS (280 kW) bei 6.500 U/min
Drehmoment: 460 Nm zwischen 3.500 und 5.000 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (ECE): 8,9 l S /100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 5,1 s
Höchstgeschwindigkeit: 275 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,47 m/1,92 m/1,30 m
Gewicht: ca. 1.600 Kg
Grundpreis: 91.000 Euro
*Herstellerangaben
Bilder: Thomas Vogelhuber