Die Kollegen von Top Gear wandten sich einst mit Grauen von ihm ab, in China ist er wohl bekannter als ein Neunelfer und hierzulande fristete er oftmals ein eher bescheidenes Dasein in zweitklassigen Deutschrap-Videos. Die Rede ist vom Porsche Panamera. Das einstmals hässliche Entlein wurde 2016 generalüberholt und wirkt heute, im Vergleich zum Vorgänger, wie ein glänzender Schwan. Im Falle unseres Testwagens sogar passend in Carreraweiß. Was kann der Kunde für knapp 109.000 Euro Grundpreis erwarten und schafft es Porsche gar eine Fahrzeugklasse nach seinen eigenen Spielregeln umzukrempeln? Bereits zu Beginn unseres Tests steht zumindest fest, dass der neue Panamera 4 E-Hybrid mehr kann als prollen, grollen und mit dem ausfahrbaren Heckspoiler zu schwänzeln.
Anders als viele seiner Mitbewerber (wir vermerken hier Maserati Quattroporte, BMW 6er Gran Coupé und Mercedes-Benz CLS) kommt der Panamera nämlich auf Wunsch bereits in der zweiten Generation als Hybrid daher. Rein elektrische Reichweite laut Datenblatt: 50 Kilometer. Im Alltag sind es eher 25 – 30 Kilometer und an irgendwelche NEFZ-Verbräuche wollen wir erst gar nicht denken. Wer allerdings im Stande ist eine 462 PS starke Performance-Limousine auf langer Strecke mit einer Sechs vorm Komma zu bewegen, der kann sich dennoch glücklich schätzen. Dieselverbräuche ohne störende Selbstzündergeräusche sind möglich; beim Porsche Panamera 4 E-Hybrid sogar weitestgehend ohne Abstriche in Kauf nehmen zu müssen.
Weitestgehend? Nun, der E-Hybrid wiegt, im Vergleich zu einem normalen Panamera 4 Allrad, stolze 320 Kilo (Leergewicht nach DIN) mehr. Trotz der zusätzlichen Fettpölsterchen fährt der Hybrid seinem Otto-Normalbruder allerdings kräftigst um die Ohren. 4,6 zu 5,5 Sekunden auf Tempo 100 sind eine Ansage. Die Beschleunigung endet beim Teilstromer, der anstatt des 3,0-Liter Single-Turbo (Panamera 4) einen neuenwickelten 2,9-Liter Bi-Turbo verbaut hat, erst bei 278 Sachen – der reguläre Panamera 4 ist da bereits ein glimmendes Lichtlein im Rückspiegel. Wer hier benzinseitig mithalten will muss schon zum etwas teureren Panamera 4S greifen. Bei aller Mehrleistung die der Hybrid zu bieten hat, das hohe Fahrzeuggewicht ist nicht wegzudiskutieren. Allzu gerne schiebt der Panamera über die Vorderräder, um im Anschluss direkt vom schwer drängelnden Batterieheck eingeholt zu werden. Diesen Umstand merkt man vor allem bei winterlichen Straßenverhältnissen. Erwähnenswert ist allerdings, dass der serienmäßige Allradantrieb zu jeder Zeit die Kräfte exzellent verteilt und das Auto auch für Normalsterbliche beherrschbar bleibt.
Selbst wer es im Winter versteht wie Walter Röhrl die Kurven quer zu nehmen sollte niemals vergessen, dass er die 2,2 Tonnen Lebendgewicht des Panamera auch irgendwann zum Stehen bringen muss. Auf trockenem Asphalt hilft dabei die optionale Keramikbremse ungemein – auf Schnee und mit aufgezogenen Winterreifen im Format 310/35/20 (!) hat der Hybrid Porsche allerdings einen Bremsweg wie ein vollbeladener Güterzug. Und so dauert unsere Reise zum nächsten Kaffeehaus eben ein paar Minuten länger. Freilich, Kollege Walter hätte schon längst einen Cappuccino geordert, zwei Waffeln verdrückt und wäre zwischendurch noch tanken gewesen. Doch begnügen wir uns lieber mit anderen Vorzügen des Porsche Panamera 4 E-Hybrid.
Zum Beispiel damit, den Antriebstrang dabei zu beobachten wie er unmerklich vom Benzin- in den Elektrobetrieb umschaltet. Keine Angst muss derjenige haben, der nicht über eine adäquate Lademöglichkeit verfügt. Der Panamera lädt seine Batterien auch während der Fahrt. Das bedeutet zwar einen höheren Kraftstoffverbrauch, im Mittel gleicht der Betrieb im Hybridmodus mit Segelfunktion diesen aber wieder aus. Nicht gedrängt, eher wohlig umschlossen sitzen die Passagiere im Panamera. Die Sitzposition vorne wie hinten darf durchaus als gelungen angesehen werden; Platz ist mehr als ausreichend vorhanden. Für die Langstrecke ein Muss: die optionalen 18-Wege-Sportsitze.
So gut sich der Porsche Panamera 4 E-Hybrid fährt, sich anfühlt wie ein verlängerter Neunelfer und wir die technischen Raffinessen des Antriebsstrangs genießen, ganz ohne Kritik kommt auch der Panamera nicht davon. Porsches Communication Management System (PCM) ist in seiner Neuauflage durchwegs besser geworden, potentielle Kunden im gesetzten Alter dürften allerdings mit dem technischen Overkill, bestehend aus dem übergroßen Informationsdisplay und dem frei konfigurierbaren Kombiinstrument, so ihre Probleme haben. Nervig ist zudem die Bedienung des mittleren Luftausströmers (ausschließlich) per Touchscreen. Ein guter alter Schieberegler hätte es hier auch getan.
Das digitale Angebot im PCM ist weitreichend, stellenweise aber auch überflüssig. Selbstredend folgt man in Zuffenhausen nur einem Trend den andere Hersteller bereits gänzlich auf die Spitze getrieben haben. Wir hätten uns jedoch anstelle einer Zugauskunft (?) eine ordentliche Menüführung gewünscht. Die Einfachheit des Seins – bei der Suche nach einem Radiosender wird man diese im Panamera nicht finden. Ebenfalls keine Medaille verdient sich Porsche mit Teilen des Innenraums. Freilich, die Lederqualität ist über jeden Zweifel erhaben und auch die Passgenauigkeit der einzelnen Bauteile ist unübertroffen. Doch bei aller Perfektion: Schalter wirken stellenweise billig, verchromter Kunststoff gaukelt uns Aluminiumapplikationen vor und das Lenkrad mit seinen schlecht zu erreichenden Schaltpaddles sorgt für Kopfschütteln. Kleinigkeiten, die in einem Auto der Kategorie 100.000 Euro Plus nicht sein sollten und gemäß den hohen Qualitätsansprüchen von Porsche wohl auch nicht sein müssten.
Fazit
Der Porsche Panamera 4 E-Hybrid steckt voller Überraschungen. Zum einen kommt die 2,2 Tonnen schwere Performance-Limousine im reinen E-Betrieb weiter als ein aktueller Golf GTE, zum anderen lässt sie kaum eine fahrdynamische Tugend aus Zuffenhausen vermissen. Der Brückenschlag von der alten in die neue Welt ist erstaunlich gut gelungen. Zwar wird sich manch potentieller Porsche Panamera Kunde fragen was er denn mit dem mächtigen PCM anfangen soll, doch die elementaren Fahrfunktionen sind auch in einem Hybrid-Panamera anno 2017 erfreulich selbsterklärend. Porsche geht einen Schritt weiter als viele Konkurrenten und drückt einem ganzen Fahrzeugsegment seinen Stempel auf. Ein performanceorientierter E-Antrieb in einer viersitzigen Coupé-Limousine funktioniert, wenn man nur will. Und so sind es die Gegenspieler die nun liefern müssen. Wenn Porsche verspricht bis 2025 die Hälfte seiner Autos mit einem Hybrid auszuliefern, dann ist das keine Drohung an alle Sportwagen-Puristen, sondern ein echter Schritt nach vorne (vor die Konkurrenz).
Modell: Porsche Panamera 4 E-Hybrid
Motor 1: Sechszylinder-Motor, 2.894 ccm
Motor 2: Elektromotor, 100 kW
Leistung: 330 PS (243 kW) Benzin + 136 PS (100 kW) Elektro
Systemleistung: 462 PS
Drehmoment: 700 Nm (kombiniert)
Antrieb: Allradantrieb, 8-Gang-Porsche PDK
Verbrauch: 2,5 l Super/100 Kilometer
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,6 s
Höchstgeschwindigkeit: 278 km/h
Abmessungen (L/B/H): 5,05 m/1,94 m/1,42 m
Gewicht: ca. 2.170 Kg
Grundpreis: ca. 109.219 Euro (Deutschland)
*Herstellerangaben
Bilder: Lydia Sölva, Thomas Vogelhuber