Das Beste kommt zum Schluss. So hätten wir diesen Test auch überschreiben können. Und im Falle des Ford Fiesta war der Zenit der Baureihe schon seit einiger Zeit erreicht – den Kleinwagen bauten (ja, man muss hier nun das Präteritum verwenden, denn: Ford hat mittlerweile einen neuen Fiesta vorgestellt) die Kölner bereits in siebter Generation seit 2009. Und sieben Jahre in einer Modellgeneration – mit einigen Neuerungen zwischendurch in 2012 – ist für heutige Verhältnisse ja schon beinahe eine ganz schön lange Zeit.
Zum letzten Jahr kam sodann noch einmal der große Knall. Wobei – der ganz große Knall dann eben doch nicht, denn der hiesige Fiesta hört schließlich nicht auf die Zusatzbezeichnung „RS“, auf die alle gehofft hatten. Stattdessen nur eine Zahl: 200. Sie grenzt die Spitzenmotorisierung vom Standard-Fiesta ST ab und steht für die Leistung des 1,6-Liter EcoBoost-Vierzylinders. Der hat im Normalo-ST-Dress lediglich knapp über 180 PS.
Per Overboost-Funktion stehen bis zu 215 PS und 320 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung, wobei sich Ford das bissle mehr Punch auch ganz schön bezahlen lässt. Satte 4.000 Euro mehr kostet der ST200 im Vergleich zum normalen ST. Die Exklusivlackierung in Asphaltgrau, entsprechend individuelle Felgen, rote Bremssättel, ein sportlicher abgestimmtes Fahrwerk sowie ein paar rote Akzente im Innenraum sind auch noch dabei. Doch die wichtigste Frage bleibt: wie fährt sich der stärkste (Serien-) Fiesta aller Zeiten?
Sauschnell. Das wäre schonmal ein passender Ausdruck. Dem geringen Gewicht von unter 1,2 Tonnen und der Leistungskur geschuldet, stürmt der ST200 nach vorne wie es kein anderer vor ihm getan hat. Fein aus dem Drehzahlkeller heraus, linear über die Drei, fester zupackend ab Vier und ausdrehend bei Sechseinhalb macht der Motor vor allem seinem Zusatz „boost“ alle Ehre, kurz: Eine derart starke, harmonische Maschine erfuhren wir bislang in keinem Kompakten.
So brettert man bei Bedarf und trockener Strecke in 6,7 Sekunden auf 100 Km/h und fährt, wenn man möchte, so manch größerem Kaliber auf der Autobahn eiskalt davon, was bei einigen Verkehrsteilnehmern – vermutlich auch aufgrund fehlender Kriegsbemalung – mehr als deutliche Verwunderung auslöste. Doch das wahre Einsatzgebiet eines Hot Hatch, wie es der Fiesta ST nun einmal ist, ist die kurvige Landstraße.
Und da braucht es nicht nur einen starken Motor, sondern vor allem ein sauber abgestimmtes Fahrwerk, eine direkte und rückmeldungsstarke Lenkung und gerade bei einem starken Auto mit Vorderradantrieb ist eine mechanische Sperre die absolute Kür. Warum wir das hier nun aufzählen? Weil der ST200 – leider – nur einen Teil dieser Voraussetzungen erfüllt.
Unstreitig: das Fahrwerk. Eines der Besten, die man in einem Kleinwagen finden kann. Das kann Ford, das haben sie häufig genug bewiesen, bereits der normale ST ist hier über jeden Zweifel erhaben und da macht auch der sportivere Satz im 200 keine Ausnahme, im Gegenteil: kürzere Federn, eine entsprechende Dämpferrate und ein neuer Querstabi verbessern das Fahrwerk noch einmal, ohne dabei das nötige Quäntchen Restkomfort vermissen zu lassen. Der 200 erlaubt eine verdammt schnelle, saubere Linie, liegt auch auf drittklassigen Landstraßen trotz kurzen Radstands sehr ausgewogen, ohne schwammig zu werden. In engen, schnellen Kehren hebt er auch mal das kurveninnere Rad und sofern man das ESC zumindest in den Sport-Modus versetzt, erlaubt er ein leichtes Eindrehen des Hecks. Ansonsten war uns die ESC-Abstimmung im Normalmodus zu grob, regelte gerade auf nasser Fahrbahn auch in nur leidlich schnelleren Fahrsituationen und vermittelte damit gerade nicht das Gefühl von Sicherheit.
Weniger gefallen hat uns außerdem die Lenkung im Sport-Ford: sie ist zwar – laut Köln – noch einmal direkter übersetzt, was wir auch gerne glauben, denn: direkt ist sie in jedem Fall. Und doch lässt sie die entsprechende Rückmeldung vermissen. Jegliche Einflüsse der Straße oder der Leistung werden dermaßen konsequent herausgefiltert, dass man sich leider als Fahrer etwas vom Untergrund entkoppelt fühlt. Woran auch die Sitzposition und Ergonomie ihren nicht unerheblichen Anteil haben.
Denn so schön die fetten Recaros auch anzusehen sind und so fest diese zupacken: sie sind zu hoch montiert. Die extrem flach stehende Scheibe und das sehr tiefe Armaturenbrett lassen Interieur und Ergonomie beinahe Van-artig erscheinen – das haben wir auch schon bei so mancher Konkurrenz kritisiert. Für ein großzügigeres Raumgefühl mag dieses Layout vorteilhaft sein, doch man sitzt hierdurch rein subjektiv noch weiter von der Vorderachse entfernt. Das trübt ein kleines Bisschen den Spaß, den Motor und Fahrwerk eindrucksvoll vermitteln.
Auf verlorenem Posten steht man in Köln auch in Bezug auf eine mechanische Sperre für das Vorderachsdifferential. Stattdessen verbaut Ford das mittlerweile übliche System des Bremseingriffs. Das funktioniert natürlich bis zu einem gewissen Grad (der, zugegeben, auf der Landstraße schon normalerweise die Grenze des Möglichen darstellt), bleibt aber ein Kompromiss, der gerade beim letzten „Hurra!“ der siebten Generation etwas lieblos erscheint. Man hätte hier mehr machen können, vor allem, wenn man in einem Focus RS zeigt, wo der Hammer in Sachen Antriebstechnik hängt.
Ein Wort wollen wir noch verlieren über den Innenraum, auch wenn es kein Gutes ist: denn hier sieht man am Allerdeutlichsten, wie sehr der Fiesta in die Jahre gekommen ist. Die Sony-Radio-Navi-Kombination ist kaum zu bedienen, man gewöhnt sich auch nicht an die völlig willkürliche Anordnung der Knöpfe, obwohl wir normalerweise Knöpfe jedem Touchscreen gegenüber bevorzugen. Das war nix, Ford, aber das wisst Ihr ja selbst.
Der ST200 will kein verkappter Fiesta RS sein. Auch wenn wir es immer ein bisschen gehofft hatten. Er ist der stärkste, schnellste und auch beste Fiesta, den Ford je gebaut hat – und doch bleibt ein bisschen Wehmut. Weil eben noch ein wenig mehr gegangen wäre. Noch etwas mehr Herzblut, noch etwas mehr Detailliebe. Aber das kann Köln ja ab sofort beim neuen Fiesta zeigen.
Modell: Ford Fiesta ST200
Motor: Vierzylinder-Reihe, 1.596 ccm
Leistung: 200 PS (147 kW) bei 6.000 U/min
Drehmoment: 290 Nm zwischen 2.500 und 4.000 U/min
Antrieb: Vorderradantrieb, Sechgang-Schaltgetriebe
Verbrauch (ECE): 6,1 l Super/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 6,7 s
Höchstgeschwindigkeit: 230 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 3,98 m/1,72 m/1,49 m
Gewicht: 1.163 Kg
Grundpreis: 24.640 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 16/23/21
*Herstellerangaben