Computerspiele sind ihrem Nischendasein schon vor Jahrzehnten entwachsen, zur Freude Millionen von Gamern, die teilweise ihr Hobby sogar zum Beruf machen konnten. Nicht nur professionelle Spieler, die sich im Bereich des E-Sports tummeln und auf deren Spiele sogar in dem ein oder anderen Online Casino gewettet werden kann, konnten sich inzwischen etablieren. YouTuber mit einer sehr hohen Reichweite produzieren täglich jede Menge Content, der sich ausschließlich mit diesem Thema befasst. Video-Guides, Let’s Play Videos und Spieler, welche die einzelnen Games an ihre Grenzen bringen und dabei unterhaltsam und witzig vorgehen, gibt es auf der Videoplattform im Minutentakt neu zu entdecken.
Schon lange sind Computerspiele kein Thema mehr, welches die Jugend für sich gepachtet hat. Dank leicht erlernbarer und intuitiv bedienbarer Casual Games gibt es Gamer aus allen Generationen. Auch viele Senioren versuchen sich an diesem Medium, welches sich bereits in den 1970er Jahren anschickte, die Welt zu erobern. Jetzt macht ein vollkommen neues Projekt auf sich aufmerksam: Computerspiele auf Rezept. Klingt wie der Traum finanziell klammer Schulkinder, ist jedoch für viele ältere Menschen in Senioren- und Pflegeheimen bereits Realität.
Die MemoreBox
Nein, es geht hier nicht um 3D-Shooter wie Call of Duty oder Strategiespiele wie League of Legends. Stattdessen richtet sich die Spielekonsole des Anbieters Retrobrain an ältere Menschen. Die Konsole hat nur einen einzigen Knopf und lässt sich ansonsten mit Gesten steuern. Es gibt mehrere, vorinstallierte Spielmodule.
Tanzen
Die Spieler sollen ermutigt werden, verschiedene Tänze, die auf dem Bildschirm vorgetanzt werden, mitzutanzen. Dabei stehen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade zur Verfügung. Durch dieses Spiel wird durch therapeutische Bewegungsabläufe der ganze Körper trainiert und durch das gemeinschaftliche Tanzen die Gruppendynamik gefördert.
Singen
Hier gibt es verschiedene Lieder, die sich gemeinsam singen lassen. Eine Melodie erklingt und der Text wird eingeblendet – praktisch, wie beim Karaoke. Dieser Spaß lässt sich in größeren Gruppen erleben.
Tischtennis
Klassisches Tischtennis, zum Einsatz kommen hier die Arme und Hände der Spieler. Durch den schnellen Ballwechsel soll das Körpergefühl und die Hand-Augen-Koordination gesteigert werden.
Kegeln
Dieses Modul geht in die gleiche Richtung wie Tischtennis, nur etwas ruhiger. Die Spieler können stehend oder sitzend spielen, womit sich dieses Kegeln auch für körperlich eingeschränkte Menschen eignet.
Sonntagsfahrt
Auch eine Motorradfahrt auf der Autobahn gehört zu den vorinstallierten Spielmodulen. Das Gefährt lässt sich mit den Bewegungen des Rumpfes lenken, eine aufrechte Körperhaltung ist dabei von Vorteil.
Briefträger
Die Spieler steuern einen Briefträger auf dem Fahrrad und müssen die Briefe während der Fahrt in die Briefkästen befördern, die am Straßenrand stehen. Ein Spiel, welches Geschick erfordert und Koordination und Bewegungspräzision trainiert.
MemoreBox bereits in Pflegeeinrichtungen in ganz Deutschland verfügbar. In jedem Bundesland gibt es mindestens eine Einrichtung, welche die Spielekonsole bereits nutzt, zum Beispiel in:
- Wacken
- Buchholz in der Nordheide
- Wismar
- Berlin
- Dresden
- Bitterfeld
- Bickenbach
- Starnberg
- Homburg
Unterstützung durch verschiedene Institutionen
Hersteller Retrobrain erfährt eine breite Unterstützung für die Vermarktung und die Weiterentwicklung der Memore-Box. So kooperiert das Unternehmen mit der Barmer Gesunsheitskasse, der Charité in Berlin, der Humboldt-Universität, dem Hospital zum Heiligen Geist, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und der deutschen Fernsehlotterie. Zudem wird der Hersteller von der LMU in München, Microsoft und Gamelab-Berlin unterstützt.
Das Projekt MemoreBox ist immer wieder Thema in den Medien. Unter anderem berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, der NDR und der Weser Kurier über die Spielekonsole für Senioren. Das Potenzial ist riesig und das gilt nicht nur für Pflegeeinrichtungen und Seniorenheime. Denn in Deutschland gibt es bereits knapp 10 Millionen sogenannte “Silver-Gamer”: Also Spieler, die über 50 Jahre alt sind. Und es werden immer mehr, schließlich ist die derzeitige Generation 40+ mit Computerspielen aufgewachsen.
Es ist somit nur noch eine Frage der Zeit, bis die MemoreBox oder vergleichbare Produkte auch für den normalen, privaten Markt verfügbar werden. Derzeit geht dies nur auf Anfrage und die Entwicklungs- und Anschaffungskosten sind vergleichsweise hoch. Die Barmer Gesundheitskasse unterstützt das Projekt nach Kräften. Bisher scheuen andere Krankenkassen und große Medizintechnik-Unternehmen noch davor zurück sind eher zurückhaltend. Ein weiterer Grund zur Hoffnung liegt im Engagement der Deutschen Fernsehlotterie. Erstmals in der Geschichte der bekannten Soziallotterie wurde ein Serious Game gefördert.
Dass therapeutische Computerspiele durchaus zum Erfolg führen können, ist derweil längst belegt. Denn der Einsatz der MemoreBox wird von der Berliner Humboldt-Universität, der Charité und Alice Salomon Hochschule mit Studien begleitet. Das Ergebnis: Motorik, Ausdauer und Koordination lassen sich bei an Parkinson oder Alzheimer Erkrankten Patienten nachweislich verbessern. Auch die sozialen Bindungen und die Kommunikation in den Einrichtungen profitieren von einer solchen Spielekonsole.