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Reduziert auf das Wesentliche: Der Porsche 911 Carrera T im Test

Um den neuen Carrera T zu begreifen, ihn vollends zu verstehen, muss man ihn in seinem natürlichen Terrain erfahren. Porsche selbst zeigte im eigens angefertigten Trailer Ende 2017, wo sich der Carrera Touring vermeintlich am wohlsten fühlt: Auf kurvigen Bergstraßen, in engen Serpentinen und somit also im durchwegs alpinen Gefilde. Die norditalienischen Alpen sollten daher einen recht passablen Testort für den 911 T abgeben – und bereits auf den ersten bergigen Kilometern macht der Touring klar, dass er eben kein simpler Abklatsch eines normalen Elfers ist.

Carrera T Gegenüber dem Basis-Carrera verlangt Zuffenhausen einen Aufpreis von gut und gerne 10.000 Euro, wobei das Mehrgeld nicht alleine auf die Gewichtsersparnis von – bis zu – 25 Kilogramm entfällt. Es sind mehr die feinen Technikdetails, wie das (beim Carrera nicht bestellbare) adaptive und 20 Millimeter tiefere PASM-Fahrwerk, Torque Vectoring inklusive einer mechanischen Quersperre und die bei unserem Fahrzeug vorhandene Hinterachslenkung, die den Carrera T so interessant machen.

Im exklusiven Hotel Hanswirt nahe Meran startet unsere Tour über den Gampenpass, zum Monte Bondone hin zum Lago di Garda. Auf den schmalen Bergpässen krallt sich der Carrera T nicht zuletzt dank der aufgezogenen Pirelli P Zeros tief in den Asphalt, verliert selbst in engen Haarnadeln nie die Contenance und kündigt erst sehr spät durch leichtes Untersteuern den gut beherrschbaren Grenzbereich an. Freilich: wer will und die PSM-Fangleine auf Sport stellt, der kann nach Belieben das Heck tänzeln lassen, wobei der 911 Carrera T hier klar auf hohe Kurventempi und enormen Grip optimiert wurde. Passend dazu, das kürzer übersetzte und knackige 7-Gang-Schaltgetriebe, welches im Fahrmodus Sport+ zudem durch Zwischengaseinlagen aufzufallen weiß.

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Die Gasstöße beim Herunterschalten sind dabei nicht jedermanns Sache und auch der siebte Gang ist an sich unnötig. Wir hätten uns hier lieber die sechs Gänge des GT3 Touring gewünscht, ohne Effekthascherei aber eben auch ohne hakelige Schalteinlage zwischen Gang fünf, sechs und sieben. Auf den Passstraßen rund um Bozen und Trient hingegen weiß das Getriebe stets zu überzeugen, nutzen wir hier meist nur die Fahrstufen zwei bis vier. Der Carrera T schöpft seine 370 PS und 450 Nm aus einem 3,0-Liter Biturbo-Boxer, den wir bereits aus dem normalen Carrera kennen. Zwischen 1.700 und 5.000 U/min steht das maximale Drehmoment zur Verfügung, drehen lässt sich der Motor des 911 T bis knapp über 7.000 U/min.

Ein Turboloch ist dem Touring fremd und die generelle Leistungscharakteristik erinnert mehr an einen Saug-, statt an einen Turbomotor. Das Triebwerk hängt herrlich am Gas, lässt schnell das Gefühl von viel mehr Leistung aufkommen und muss sich auch vor einem – zufällig – dazu gestoßenen GT3 Touring nicht verstecken. Nur klanglich, da ist der Carrera T eben nicht ganz mit dem freiatmenden 4,0-Liter Sahnestück aus dem großen GT-Bruder zu vergleichen. Zwar brabbelt und rotzt es aus der beim 911 T serienmäßigen Sportabgasanlage wie eh und je, im mittleren Drehzahlbereich wird der Motorklang aber schnell durch das markante Pfeifen der Turbolader überlagert.

Vor dem Mendelpass legen wir eine Rast ein, betrachten den Carrera T und seine Keramikbremsanlage. Sie alleine kostet stolze 8.500 Euro Aufpreis, verzögert zwar nach vielen schnell gefahrenen Kilometern immer noch vehement und nachhaltig, bietet aber auch Grund zur Kritik. Denn weniger schön finden wir es, dass die teure Bremsanlage – zumindest bei unserem Testwagen – quietscht und unseren Carrera T stetig mit Bremsstaub besudelt. Im Alltag werden es wohl auch die Stahlscheiben richten und im Gegenzug lassen sich für das gesparte Geld einige ordentliche Urlaube finanzieren – zum Beispiel im schönen Südtirol.

Reduzierte Dämmung lässt den Carrera T nicht nur ein wenig leichter werden, sondern sorgt ebenfalls dafür, dass im Fahrgastraum mehr von Motor, Getriebe und Straße zu hören ist. Mehr Geräusche können im 911 Carrera T nicht schaden, hat unser Testwagen – so soll es sein – nicht einmal ein Radio an Bord. Asketischer Purismus stand irgendwo im Lastenheft der Ingenieure, konsequent zu Ende verfolgt wurde der zum Verzicht anregende Leichtbauansatz aber leider nicht. Die Klimaanlage lässt sich nicht abwählen, die Türpappen sind immer noch zu massiv und überhaupt offeriert man seinen Kunden viel zu viele Konfigurationsmöglichkeiten.

PDK, Bose-Sound und allerhand Lederapplikationen stehen selbstredend auch für den Carrera T zur Verfügung, die üppig ausstaffierten Lagerfahrzeuge bei den Händlern sprechen ebenfalls eine alles andere als leichtfüßige Sprache. Wählt man beispielsweise getönte Scheiben, entfällt das Leichtbauglas in der zweiten Reihe und im Heckfenster. Die Fondsitzanlage kann bei (nicht nachvollziehbarem) Bedarf wieder montiert werden und selbst die Option auf ein Panorama-Glasschiebedach findet sich im Aufpreiskatalog.

Bei den Sitzen hat der zukünftige Carrera T Besitzer die Qual der Wahl, sollte ab 190 Zentimetern Körpergröße aber definitiv noch einmal über das Weglassen der Vollschalen nachdenken. Sie bieten zwar einen außergewöhnlich guten Seitenhalt, gleichwohl sind sie auf langer Strecke unbequem und drücken – je nach Statur – sowohl im Hüft-, als auch im Schulterbereich. Sportschalen (im GT3 Touring erfahren) oder die normalen Sportsitze Plus können hier Abhilfe schaffen, 18-Wege-Komfortsitze müssen in einem T-Modell dann allerdings auch nicht sein.

Fazit

Kurz zusammengefasst: Mehr Sportwagen für die Straße als einen 911 Carrera T braucht man eigentlich nicht. Wir hatten die Gelegenheit den Touring gegen einige hochkarätige 911-Modelle Probe zu fahren, richtig um die Ohren ist uns am Berg lediglich der 700 PS starke GT2 RS gefahren. Porsche hat mit wenigen und tollen Stellschrauben den Basis-Carrera so gut gemacht, dass die Frage aufkommt, ob es denn wirklich ein gut 45.000 Euro teurer GT3 Touring sein muss? Wenn wir nach dem famosen Boxerklang des 4,0-Liter Saugers urteilen, dann würde unsere Entscheidung klar auf den GT3 fallen. Im Gesamtpaket betrachtet und mit sehr wenigen Kreuzen an der richtigen Stelle gesetzt ist es jedoch der 911 Carrera T, für den wir uns im Zweifel entscheiden würden. In unseren Augen und auf den von uns befahrenen Straßen bietet er fahr- und kostentechnisch das beste Package und muss sich selbst vor leistungsstärkeren Elfer-Modellen nicht verstecken. Einzig der Leichtbauaspekt kommt uns zu kurz – hier könnte Porsche sich selbst und seinen Kunden etwas Gutes tun, indem sie bei Modellen wie dem 911 T massiv an der verfügbaren Sonderausstattung sparen.

Technische Daten*

Modell: Porsche 911 Carerra T (Touring)
Motor: Sechszylinder-Boxer-Turbo, 2.981 ccm
Leistung: 370 PS (272 kW) bei 6.500 U/min
Drehmoment: 450 Nm zwischen 1.700 und 5.000 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, 7-Gang-Schaltgetriebe
Verbrauch (ECE): 9,5l SP100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,5 s (ausstattungsabhängig)
Höchstgeschwindigkeit: 293 km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,53 m/1,80 m/1,29 m
Gewicht DIN: 1.425 Kg
Grundpreis: 107.553,00 Euro
Testwagenpreis: 130.448,60 Euro

*Herstellerangaben

Bilder: Lydia Sölva, Thomas Vogelhuber