Driven: Porsche Cayenne GTS

[imagebrowser id=27 template=artikel]

Was tut ein PS-Junkie und Autonarr, wenn er zu hören bekommt „Der GTS ist der sportlichste Cayenne!“? Na klar, er schnappt sich den Marketing-Lückenfüller zwischen Cayenne S und Cayenne Turbo, ingnoriert die CO2-Diskussion sträflich und macht die Probe aufs Exempel. Was ist dran am neuen Zuffenhausener SUV, das sich optisch durch verbreiterte Radläufe, Seitenschweller, geänderte Schürzen, einen ultra-geilen zweigeteilten Dachkanten-Spoiler, riesige 21-Zöller und eine schnieke Vierrohr-Abgasanlage vom normalen „S“ unterscheidet? Reichen die 20 zusätzlichen PS und die neue Getriebe-Untersetzung aus, dem 500 PS starken Turbo-Bruder davon zu fahren? In Ermangelung eben dieses Konkurrenten bleibt mir nur der Einzeltest des GTS – stets die 5,1er Sprintzeit und die 275 km/h Topspeed des Turbo im Hinterkopf.

Der erste Eindruck ist beängstigend. Völlig unerwartet reißt mich der Drehzahlbegrenzer schon bei 50 Sachen (6.500 Umdrehungen) nach vorne. „Was zum Geier ….?“ Was soll man denn davon halten? Hier macht sich die neue Untersetzung aufs Brutalste bemerkbar. Selbst im zweiten Gang fällt die 100er Marke nicht. Hier ist bei Tempo 90 Ende im Gelände. Erst wer auch den dritten Gang bemüht, schafft Landstraßen-Geschwindigkeit. Das ist bitter. Ohne zu Schalten geht’s weiter bis 130, der Vierte endet bei knapp 180, im Fünften sind 230 drin. Laut Angabe des Herstellers soll der GTS 253 schaffen. Hm …, das würde bedeuten, der sechste Gang hätte lediglich 23 km/h zu erledigen. Da die erforderliche Strecke leider in ganz Portugal nicht zu finden sein dürfte, kann ich das allerdings nicht nachprüfen, begnüge ich mich also mit kurzen Zwischensprints.

Hier machen sich die „kürzeren“ Gänge bemerkbar. Konstant bei 5.000 Umdrehungen gehalten, lässt sich der 405 PS starke Sport-Cayenne tatsächlich verdammt dynamisch bewegen. Speziell auf kurvigen Landstraßen kommt Laune auf. Seine 2,3 Tonnen kann der Proband zwar nicht völlig verstecken, dank der fantastischen Luftfederung mit Wankausgleich (beides aufpreispflichtig) ist das Kampfgewicht jedoch fast vergessen (serienmäßig: Stahlfedern mit Dämpfungssystem PASM). Hinzu kommt der sensationelle Sound der Abgasanlage der zu dutzenden verrenkten Hälsen führt. Im unteren Drehzahlbereich eher zurückhaltend, faucht der V8 seine Kraft obenrum grimmig ins portugiesische Hinterland. So lob ich mir das. Bei der Suche nach dem „sportlichsten Cayenne“ hilft mir das freilich wenig. Auf dem Papier steht eine Sprintzeit von 6,1 Sekunden beim Handschalten (Sechsgang) und 6,6 Sekunden bei der Version mit Tiptronic. Die einzige Chance, die ich dem GTS gegen seinen Turbo-Bruder einräume, liegt auf einer kurvenreichen Rennstrecke á la Oschersleben oder dem Padborg Park in Dänemark.

Zieht man neben den Fahrleistungen auch Optik und Innenraum-Gestaltung mit in den Sportlichkeits-Contest mit ein, so gleicht sich der Kontostand wieder aus. Die bereits beschriebenen Modifikationen am Erscheinungsbild des GTS sind der Brüller. Zwar sieht das Zusatzmodul unter der Frontschürze ein wenig nachträglich aus, der Gesamteindruck überzeugt aber restlos. Annähernd zehn Minuten inspiziere ich den zweigeteilten Flügel, der sinnbefreit aber irre schick am Heck thront. Meine Prognose: Das Ding wird der Renner im Zubehörhandel. Und erst die Heckschürze … Aggressiv und den nachfolgenden Verkehr verspottend blitzen die vier Endrohre in die Welt, machen allemal mehr her als die beiden Öffnungen des Turbo. Weiter geht’s im Innenraum, der mit vier Einzelsitzen und jeder Menge Alcantara aufwarten kann. Es sitzt sich ausgezeichnet und dank der Zwölffach-Verstellmöglichkeit des Gestühls findet wirklich jeder die perfekte Sitzposition. Allein das Lenkrad könnte kleiner, griffiger sein. Auf Nachfrage hieß es: „Das geht nicht. Der Blick auf die Instrumente darf nicht behindert werden.“ Schade. Wenigstens ein anderer Lenkradkranz hätte es aber sein dürfen. Das Dreiecks-Design der zahmeren Cayenne wirkt im GTS etwas deplatziert.

Fazit: Angesichts der preislichen Lücke, die bisher zwischen dem Cayenne S (66.610 Euro) und dem Cayenne Turbo (108.617 Euro) klaffte, ist die Einführung des GTS eine nachvollziehbare und sinnvolle Entscheidung. Warum jedoch die PS-Lücke nicht besser geschlossen wurde, ist nicht ganz zu verstehen. 450 PS hätten’s beim GTS schon sein dürfen, dann wäre auch die Frage nach dem Sportlichsten leicht zu beantworten, der Turbo in seiner Nobel-Postition bliebe trotzdem unangetastet. So ist der Neue irgendwie eine hauseigene Tuning-Version des Cayenne S.