Der zweite Gang war die falsche Wahl. Zu hoch das Tempo am Kurvenausgang und zu wenig Zeit bis zum nächsten Bremspunkt. Außerdem: Die manuelle Schalterei hat wertvolle Zeit auf den vorausgrölenden GT3 RS gekostet.
Am 8000er also kurz und hart die Dritte eingeschnipst, den Bremspunkt ein bisschen nach spät verlegt, um Zeit und Raum zu gewinnen, doch dann: Desaster. Die blinde Schikane, böse bergauf, mit Blick ins schottische Nichts. Erst hämmert der Dämpfer vorne links an den Anschlag, weil der Fuß beim Einlenken noch auf der Bremse stehen muss, das Umsetzen ist dann auch zu spät und der Impuls zu groß.
Der Cayman geht hart über den rechten Curb. Hebt heftig ab und wandert der Fliehkraft folgend wild in Richtung Kurvenausgang. Die Landung ist grob, das Sport-PASM stanzt Dir die Domlager von hinten in die Nieren und das ganze Auto bewegt sich so, wie Du es bei diesem Tempo überhaupt nicht haben willst, denn: Der GT3 RS ist über alle Berge.
Und das nur, weil wir uns drei Kurven vorher für den falschen Gang entschieden haben.
Es zeigt: Der neue Cayman GT4 ist eine Waffe. Ein Präzisionsgerät. Ein schärfstgeschliffener Diamant. GT-Motor, GT-Fahrwerk, Michelin Cup2 in spezieller Anmischung für den Mittelmotor. Vollfunktionaler Diffusor am Heck, ein noch mächtigerer Spoiler, starr und nur manuell verstellbar versteht sich, dazu ein Gurneay am vorderen Hemdkragen und ein mächtiger Splitter für die Aero-Balance.
Er ist kein Spielzeug mehr. Das wird klar, wenn der Tacho 200km/h zeigt, während der Cayman die bergauf-Start-Ziel von Knockhill frisst, auf den Bodenwellen vor der Bremszone kurz noch einmal in den Begrenzer klingelt und Du ihn nach dem beinharten Zusammenbremsen bedingungslos in die steile bergab-Rechts reinhauen kannst. Stur taucht er ab, lässt sich spielerisch in der Kompression in die schnelle Links umsetzen, um quasi im Kurvenausgang schon die nächste Vollbremsung einzuleiten.
Vor wenigen Jahren noch wären derartige Manöver in einem angespitzten Mittelmotor-Rennwagen nur den heroischsten aller Piloten möglich gewesen. Nasenbohrer wie uns sicher nicht. Und heute folgst Du dem Werksfahrer auf GT3 RS derart auf der Stoßstange, dass auch der böseste aller Elfer aus voller Kehle schuften muss, um sich einen kleinen Vorteil verschaffen zu können.
Es ist einfach wunderbar. Wenn Du die klassischen Grundregeln befolgst: nur einen Steuer-Input gibst, entweder lenkst oder bremst, in den Kurven das Tempo immer so wählst, dass Du ein bisschen auf Zug bleiben kannst und die Bremse so benutzt, wie man es sonst nur bei wenigen anderen schönen Dingen tun sollte, nämlich kurz und intensiv, dann ist der Cayman eine einzige große große Freude.
Er macht alles. Er macht alles gut. Und er macht alles in großer Ruhe. Wenn das Vertrauen dann da ist, wenn Du mit ihm zu spielen beginnst, dann wird die große große Freude zu absoluter Glückseligkeit. Denn: Er macht immer noch alles. Er erlaubt Dir auf der Bremse stehend in die Ecke zu gehen, er verzeiht Dir, wenn Du vor Schreck das Gas gelupft hast und ihm trotzdem schon den Impuls zum Abwinkeln gegeben hast. Auch der Rumpler über den Curb, der jedes Auto gnadenlos hätte abfliegen lassen, schüttelt ihn nur kurz über alle Viere einmal durch.
Dass er das Ganze dann auch klaglos erträgt, Runde um Runde, Stunde um Stunde, nicht nach neuen Reifen, noch nach einer Abkühlung für die Bremse oder gar nach Öl oder sonstiger Wartung ruft, zeigt: Wir sind immer noch weit von seinem Limit entfernt.
Und doch gibt er uns genau das, was beim Fahren wirklich zählt: Fahrspaß. Das Gefühl an der eigenen Grenze arbeiten zu können. Sich in die Bewegung hineinlehnen, das ganze Auto mit allen Sinnen spüren und es ihm absolut dreckig besorgen. Nie würde er Dich überfordern, nie musst Du aus Angst vor der eigenen Courage abbrechen, nichts.
420PS – sie sind vollkommen ausreichend. Vor allem, weil sie so wunderbar dargereicht werden. Saftig aus dem Drehzahlkeller, vier Liter Hubraum sind eben vier Liter Hubraum. In der Mitte spürt man das ausgefuchste Spiel der Resonanzklappen im Ansauggewürm, wenn die dreckige Bassline des Auspuffs plötzlich mit diesem hohlen, frenetischen Tremolo des Ansauggeräuschs gemischt wird, bis das ganze bei 8000 am absoluten Höhepunkt zu explodieren scheint.
Vergiss, was andere erzählen. Vergiss, was Du über geräuschdämpfende Ottopartikelfilter zu wissen glaubtest. Ein Vierliter-Boxer spielt sein Lied immer. Bei Vollgas weiterhin so mächtig wie je zuvor. Es ist und bleibt eines der wunderbarsten Geräusche. Und das Geräusch trägt maßgeblich zum Talent des Cayman GT4 bei.
Denn das Leben spielt nicht nur auf der Rennstrecke.
Draußen auf der Landstraße am Sonntagmorgen, bevor die Vögel ihr Lied anstimmen, kommt der Moment, in dem der GT4 sein ganzes Talent zeigt. Das schnelle Landstraßensurfen, das Anschmiegen an die Kraft aus der Tiefe des Hubraumes, diese absolute Transparenz an Lenkung und Bremse – es bleibt kein Raum für Kritik. Vor allem, weil der 718 nun wieder dieses unnachahmliche Lied spielt.
Das Geräusch ist ein derart integraler Bestandteil des Erlebnisses, dass sie Dir erzählen können was sie wollen, akustische Tricksereien montieren, wo sie wollen, am Ende spielt nur der große Saugmotor dieses eine richtige Lied. Kein Gerotze, kein Knallen, kein Scheppern. Stattdessen eine Kraft in der Stimme, die Dir immer eine Gänsehaut zaubert. Doch viel wichtiger: Sie gibt Dir diese absolute Zufriedenheit.
Du musst nicht mit Lichtgeschwindigkeit über die Rennstrecke dieser Welt brennen, keine Bremsbeläge verdampfen und Gretel im Feinstaub der wegschmierenden Michelins zurücklassen. Es reicht die schnelle Landpartie. Die Kraft, die Eleganz der Bewegung, die absolute Perfektion des Erlebten.
Wir reden hier „nur“ von einem Porsche 718 – und doch ist der Porsche 718 Cayman GT4 vielleicht der beste Porsche überhaupt. Er ist nicht übertrieben, nicht überspitzt, nicht überlegen. Er ist einfach maßgeschneidert. Von allem genug und gerade deshalb: nie zu viel.