Das waren noch Zeiten, als es bei Audi unter dem Kürzeln S noch fette Benziner unter der Motorhaube gab, deren Leistung auf über 400 PS kletterte und das Gaspedal aufs Bodenblech gedrückt wurde, als gäbe es kein Morgen. Der Begriff Klimawandel waberte zumindest für die Auto-Fangemeinde unscharf weit hinter dem Horizont, doch die Jahre vergingen unerbittlich. Heute finden sich unterm Blech der einstigen Sportlimousine vorzugsweise Dieselmotoren. Hoch aufgeladen und mit gründlicher Abgasreinigung (na bitte, geht doch) unterschreiten sie das Konsumverhalten und somit die Emissionen der einstigen Ottomotoren deutlich. Der aktuelle S6 Avant im Angebot der Ingolstädter hat einen V6-Diesel mit drei Litern Hubraum, der 344 PS liefert.
Rund 80.400 Euro sind als Einstand zu zahlen, dafür gibt es die achtstufige Tiptronic und den Allradantrieb gleich dazu. Von Gestalt ist der S6 Avant durchaus sozialverträglich. Gut, breite Reifen, mächtige Seitenschweller gehören in dieser Klasse einfach zum guten Ton. Die beiden dicken Doppelrohre unter Heck wären hingegen verzichtbar, zumal sie im Grunde nur eine optische Funktion haben, die Abgase entweichen bereits vorher nach unten aus der Auspuffanlage. Doch zurück zum guten Ton. Auf den versteht sich der schnelle Kombi nicht unbedingt. Zwar unterstützt ein Soundgenerator im dynamischen Fahrmodus das Klangbild und versucht das Arbeitsgeräusch kräftiger zu komponieren, doch auch dann schwingen noch Noten aus dem Nutzfahrzeug-Ensemble mit.
Mehr Power-Kombis
Der Innenraum findet den Kompromiss zwischen sachlicher Behaglichkeit und funktionaler Kühle. Alles ist perfekt verarbeitet, allerdings hat eine Vielzahl von Accessoires aus der Liste der Sonderausstattungen unseren S6 aufgewertet. Abgesehen von den technischen Extras wie Allradlenkung und LED-Matrix-Licht treiben ihre Mehrkosten den Preis des S6 um rund 25.000 Euro auf 105.509 Euro in die Höhe. Die Bedienung fällt meist leicht, vor allem kann der Spurhalte-Assistenz mit einem Druck auf die Taste am Ende des Blinkerhebels ruckzuck abgeschaltet werden. Bei unserem Wagen herrschte jedoch gelegentlich Funkstille. Das System würde neu gestartet oder initialisiert, zeigte das große Mitteldisplay über weite Strecken an. Damit gab es auch keine Navigation oder sonstiges Infotainment an Bord, die Ursache für die immer wiederkehrende Arbeitsverweigerung der Anlage ließ sich nicht ermitteln.
Zwecks Konsumreduzierung wird der S6 zum Mildhybrid. Er greift dabei auf einen riemengetriebenen Starter-Generator und ein 48-Volt-Bordnetz zurück, das wiederum einen elektrisch angetriebenen Verdichter mit Energie versorgt, der im Ansaugtrakt installiert unabhängig von der Motordrehzahl und dem ebenfalls anwesenden Turbolader mehr Luft in die Brennräume presst. Mit Erfolg. 700 Newtonmeter stellt der V6 zwischen 1750 und 3250 U/min als Drehmomentspitze bereit, die sorgt für beeindruckende Elastizität und Durchzugskraft, hilft bei flinken Überholvorgängen oder schiebt auf dem Beschleunigungsstreifen der Autobahn mächtig an. In eiligen 5,1 Sekunden geht’s von null auf 100, das Spitzentempo wird elektronisch auf 250 km/h begrenzt.
Die Bemühungen um die Verbrauchsreduzierungen sind aber nur teilweise erfolgreich. Zwar verlangt der starke Diesel erheblich weniger Treibstoff als ein Benziner, doch selbst im Fahrprogramm Eco, wenn die Automatik früh die Drehzahl senkt und der Audi beim Gaswegnehmen in den Segelmodus geht, konsumiert der V6 nur geringfügig weniger als der WLTP-Fahrzyklus ausweist. Im Durchschnitt waren es 8,2 Liter Diesel auf 100 Kilometer und damit über ein halber Liter als der Normwert, 73 Liter Tankinhalt sorgen dennoch für große Reichweite.
Gefühl erfordert der S6 Avant vom Chauffeur, wenn der seine Mitfahrer komfortabel auf die Reise mitnehmen möchte. Vor allem beim Ampelstopp, wenn die Start-Stopp-Automatik den Motor abgestellt hat, ist ein sensibler Gasfuß gefragt. Denn es genügt nicht, die Bremse zu lösen, um die Maschine wieder zu starten, hierfür ist Druck aufs Gaspedal erforderlich. Fällt der zu kräftig aus, macht der Audi einen Satz nach vorn und wirft die Köpfe der Passagiere in den Nacken. Sonst aber schaltet die Automatik mit Feingefühl und sanft, flüssiges Fahren fällt leicht und bereitet erhebliche Freude an der Bewegung.
Seine sportlichen Qualitäten offenbart der S6 Avant dann mit abgeschaltetem ESP im Dynamic-Mode. Auf der Startbahn eines vorübergehend geschlossenen Sportflugplatzes in Rheinhessen, die der freundliche Platzwart nur für uns für kurze Zeit öffnete, zeigte er, dass trotz eines Leergewichts von 2,1 Tonnen eine Menge S in ihm steckt. In Kurven gerät der Sportkombi dann in einen sanften und einfach kontrollierbaren Drift, der Allradantrieb leitet dann maximal 85 Prozent der Kräfte zur Hinterachse, sonst bleibt es bei einer Verteilung von 40 zu 60 Prozent zwischen Vorder- und Hinterrädern. Die Progressivlenkung erlaubt eine feinfühlige Kontrolle, die Bremsen sprechen knackig und mit exaktem Druckpunkt an.
Ordentliche Ladekapazitäten, die gute Fahrwerksabstimmung und außerordentliche Fahrleistungen machen den S6 Avant zum perfekten Business-Frachter für die Langstrecke, in der Stadt muss er sich jedoch nicht zuletzt wegen der üppigen Karosseriedimensionen kompakteren Automobile ergeben. Eine gute Wahl ist er für alle Dienstreisenden, die nicht nur aus Gründen der Pünktlichkeit und des weiter schwelenden Covid-19-Risikos bei langen Fahrten nicht auf die Bahn umsteigen wollen. (aum/mk)
Abmessungen (LxBxH): 4,95 m x 2,11 m x 1,46 m
Radstand: 2,93 m
Antrieb: V8-Benziner, 2967 ccm, Turbolader, Allrad, 8-Gang-Automatik
Leistung: 253 kW / 344 PS bei 3850 U/min
Max. Drehmoment: 700 Nm bei 1750–3250 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,1 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 7,5 Liter
Testverbrauch: 8,2 Liter
CO2-Emissionen: 195 g/km (WLTP)
Tankinhalt: 73 Liter
Leergewicht / Zuladung: min. 2095 kg / max. 560 kg
Kofferraumvolumen: 550–1660 Liter
Max. Anhängelast: 2100 kg
Basispreis: 80.390 Euro
Testwagenpreis: 105.509 Euro
Quelle: www.auto-medienportal.net Fotos: Audi