Was bringt zwei Männer dazu an einem Samstagmorgen, kurz nach sechs bei Eiseskälte und Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt, südlich von München ins Auto zu steigen, um den rund 200 Kilometer entfernten Großglockner in Österreich anzusteuern? Neben den leeren Alpenstrassen und einer grandiosen Wettervorhersage dürften es vor allem die beiden Fahrzeuge sein, die vom Morgentau beschlagen auf dem Parkplatz stehen. Nissan 370 Z und Alfa 4C haben sich die Nacht über schon einmal näher kennen gelernt, bleiben sich aber vorerst fremd.
Wen wundert es? Zwar sind beide offene Zweisitzer, das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Beide Sportler basieren auf gänzlich unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten. Nehmen wir den Alfa Romeo: Carbon-Monocoque, 4-Zylinder Turbo-Mittelmotor und ein Leergewicht von knapp unter einer Tonne zeigen klar die radikale und kompromisslose Auslegung des kleinen Italieners. Ihm gegenüber steht ein Nissan, der klassischer nicht sein könnte: Bulliger V6-Sauger vorne, Antrieb hinten und durch seine Form klar als Roadster zu erkennen.
„Der Alfa 4C ist kein Auto für Weicheier“
Bereits nach den ersten kurvigen Kilometern zwischen dem Tegernseer Tal und dem Achenpass wird klar: Der Alfa 4C ist kein Auto für Weicheier. Eine Servolenkung sucht man ebenso vergebens wie das, was bei anderen Herstellern „Innenausstattung“ heißt. Mit Lederschlaufen werden die Türen zugezogen, die Schaltpedalerie ist offen sichtbar. Und ein Radio? Doch das gibt es. Von Alpine im DIN-Schacht-Format. Über solch unnötige Dinge wie Sitzheizung oder eine elektrische Sitzverstellung fangen wir erst gar nicht an zu schreiben. Und auch die Heizung braucht seine Zeit, bis sie als solche zu erspüren ist. Kurz um: Der Alfa ist ein Purist – eine auf das Wesentliche reduzierte Fahrmaschine, die man am besten ungefiltert und damit oben offen genießt.
Bis man allerdings in den Genuss der offenen Dreifaltigkeit kommt, bedarf es etwas Fummelarbeit und im Idealfall einen zweiten Mann. Zwar hat sich auf dem Gerlospass mittlerweile die Sonne entschlossen durch das dicke Nebelband zu dringen, die Finger friert man sich aber trotzdem noch am Rosso-Roten Lackkleid des Italieners ab. Der zweite Mann schaut sich dieses Treiben derweil gemütlich aus dem gut beheiztem 370 Z-Cockpit an. Der Hintern wird wohlig durch die Sitzheizung gewärmt und auf Knopfdruck lässt sich das Cabrioverdeck in wenigen Sekunden verstecken. Um die Schmach für den Alfa-Fahrer noch komplett zu machen, dröhnt aus der Bose-Anlage „Let the Sunshine in“ von The 5th Dimension.
Kann der Nissan dem Alfa folgen?
Wer jetzt aber denkt, der Nissan sei ein weichgespültes Rentnercabriolet, hat weit gefehlt. Denn wer die Stabilitätskontrolle deaktiviert und die sieben Gänge der Wandlerautomatik manuell bedient, findet schnell gefallen am 370 Z. Zackig lässt sich der Japaner durch die Kurven lenken, die Rückmeldung von Fahrwerk und Lenkung sind dabei stets sehr direkt. So lassen sich auch Serpentinen grazil und gefühlvoll quer durchfahren – Achtung, Suchtgefahr!
Stars und Sternchen am Großglockner
Angekommen am Fuße der Großglockner Hochalpenstrasse erst einmal Ernüchterung: Ein Oldtimerrennen nimmt die Bergstraße in Anspruch und „zwingt“ uns so erst einmal zu einem Continental-Frühstück. Die Marmeladen-Semmel noch nicht ganz verzehrt wird das Gespann auch schon von Schaulustigen umringt. Der 4C fällt auf. Viele halten ihn für einen Lotus, andere haben wohl schon von dem kompromisslosen Italiener gehört. Aber gesehen haben ihn die meisten zum ersten Mal. So wird also geschaut, angefasst und natürlich auch probegesessen. Und spätestens hier trennt sich auch die Spreu vom Weizen. Wer ist gelenkig genug um im kleinen Alfa Platz zu nehmen? Gerade ab einer Körpergröße über 1.90 Meter wird es interessant – und verdammt knapp.
Platz ist im 4C definitiv Mangelware. Der Fahrersitz lässt sich nicht in der Höhe verstellen und auch das Lenkrad scheint ständig im Weg zu sein. Beifahrer haben es noch schwerer. Durch die Bauweise des Armaturenbretts fällt es nicht leicht die Knie unterzubringen. Aber Hand aufs Herz – einen Sportwagen wie den 4C kauft man nicht, um die Kinder in die Schule zu bringen oder gemütlich in den Österreich-Urlaub zu fahren.
Im Schatten des Alfas steht der Nissan, wenig beachtet, da schon oft gesehen. Zwar gefällt er den meisten Passanten – zum Probesitzen oder Unterdiemotorhaubegucken scheint der 370 Z aber zu gewöhnlich zu sein.
Aufi auf’n Berg
Nach dieser kurzen Verschnaufpause und der Beantwortung etlicher Fragen – vorzugsweise zum Alfa – geht es aber nun endlich ans Eingemachte. Die Tour auf den knapp 3.800 Meter hohen Großglockner. Mit 35 Euro ist man dabei, einen Tag lang auf einer der wohl atemberaubendsten Straßen zu fahren, die die Alpen zu bieten haben. Vorbei an schneebedeckten Gipfeln und einer grandiosen Aussicht in weite Talschluchten, geht es auf einer (teilweise) zweispurigen und sehr gut ausgebauten Asphaltpiste immer weiter nach oben. Die Luft wird dünner und die Kurven enger. Genau das richtige Terrain um dem Alfa 4C und dem Nissan 370 Z auf die Zähne zu fühlen.
Der 4C schreit sich dabei förmlich die Seele aus dem Leib. Was die Ingenieure bei Alfa aus dem Motor und der Abgasanlage für einen Sound rausgeholt haben, macht einen sprach- und oft gehörlos. Gegen Aufpreis gibt es sogar noch eine Anlage von Akrapovic – heftig! Selbst ein nicht gerade leiser Jaguar F-Type V6 verblasst zeitweise gegen diese Geräuschkulisse aus nur vier Zylindern. Der 370 Z hingegen hält sich stets vornehm zurück. Ohne das „Nissan-Pack“ oder gleich dem stärkeren 370 Z Nismo kommt die Soundkulisse eher einem braven und etwas in die Jahre gekommenen 2.8 Liter Audi-V6 nahe. Etwas mehr Kernigkeit hätte dem Auto gut gestanden.
Wo der Nissan 370 Z lässig den Hintern raushängen lässt, klebt der Alfa Romeo 4C förmlich an der Straße. Selbst im Rennmodus tut man sich hart, den 4C aus der Ruhe zu bringen. Wie auch der Nissan hat unser 4C ein Automatikgetriebe an Bord. Beim 370 Z lässt sich noch ein 6-Gang-Schaltgetriebe wählen, der 4C hingegen kommt immer mit dem DCT 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe daher. Schade wie wir finden. Gerade beim Alfa hätte man sich zumindest die Option eines Schalters gewünscht, beim Nissan ist dieses unbedingte Pflicht. Denn so gut die Wandlerautomatik im 370 Z auch arbeitet, sie passt nicht zu diesem Auto. Schaltbefehle dauern oft eine Gedenksekunde und nehmen dem Wagen seine Spritzigkeit. Beim 4C würde der Schalter die Kompromisslosigkeit noch weiter unterstreichen.
Fazit
An der Kaiser-Franz-Josef-Hütte angekommen tun wir uns am Ende schwer, einen eindeutigen Sieger dieser kleinen Vergleichsfahrt zu erküren. Wo der Alfa schwächelt, punktet der Nissan und umgekehrt. Dieses ungleiche Paar macht so viel Spaß, dass wir eigentlich dazu tendieren, beide in unsere Garage stellen zu wollen. Das merken wir vor allem, als wir auf der obersten Etage des Parkhauses stehen und beide Autos in ihrer vollen Pracht vor dem grandiosen Alpenpanorama auf uns wirken lassen. Der Alfa Romeo 4C als kompromissloser Supersportler mit italienischem Schick versteht sich mehr als cooler Dritt- oder Viertwagen. Der nüchterne und sehr gut verarbeitete Nissan 370 Z Roadster hingegen ist der ideale Zweitwagen oder sogar (mit Abstrichen) ein ordentlicher Dailydriver. Aber eines sind beide: Zweisitzige und oben offene Fahrmaschinen, mit denen man gerne kurvige Landstraßen nimmt und (wie in unserem Falle) zum absoluten Bergfex wird.
Technische Daten
Motor | 4 Zylinder Turbo-Mittelmotor |
Hubraum (cm3) | 1742 |
Leistung in PS (KW) bei U/min-1 | 241 (177) bei 6000 |
Max. Drehmoment (Nm) bei Umin-1 | 350 Nm bei 2200 U/min |
Höchst- geschwindigkeit (km/h) |
258 |
Beschleunigung 0-100 km/h (sek.) | 4,5 |
Getriebe | Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe DCT |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Treibstoffsorte | Super Plus |
CO2-Ausstoß (g/km) | 158 |
Länge (mm) | 3989 |
Breite (mm) | 1864 |
Höhe (mm) | 1183 |
Gewicht (Hersteller) |
1020 |
Tankinhalt (Liter) | 40 |
Preis (2016) | Ab 72.000 Euro |
Motor | 6 Zylinder V-Saugmotor |
Hubraum (cm3) | 3696 |
Leistung in PS (KW) bei U/min-1 | 328 (241) bei 7000 |
Max. Drehmoment (Nm) bei Umin-1 | 363 Nm bei 5200 U/min |
Höchst- geschwindigkeit (km/h) |
250 |
Beschleunigung 0-100 km/h (sek.) | 5,8 |
Getriebe | Siebengang-Wandlerautomatik (6-Gang Schalter Serie) |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Treibstoffsorte | Super Plus |
CO2-Ausstoß (g/km) | 262 |
Länge (mm) | 4250 |
Breite (mm) | 1845 |
Höhe (mm) | 1315 |
Gewicht (Hersteller) |
1610 |
Tankinhalt (Liter) | 72 |
Preis (2016) | Ab 40.130 Euro |