Der Schnitt kam etwas plötzlich und er war ganz schön hart: an einem eisigen und schneereichen Wintermorgen im Januar gaben wir die Schlüssel des Honda „Wohnzimmer“ CR-V ab und erhielten im Gegenzug diejenigen für den Civic Type R. Der Allrad wich lediglich zwei vorn angetriebenen Rädern, knallharte und Winterjackenuntaugliche Schalensitze ersetzten das beheizte Ledergestühl und der bequeme Einstieg „nach oben“ war auch schnell vergessen. Im Type R schreit alles nach Sportwagen, nach Nordschleife, nach Bestzeit. Und wir waren uns beim Blick aus der Scheibe plötzlich gar nicht mehr sicher, ob der Termin mitten im Januar wirklich so gut gewählt war.
Er war es, so viel stand dann nach wenigen Kilometern fest. Wie konnten wir den Type R nur so lange ignorieren? Lag es vielleicht an der Optik? Geschenkt, man muss einem krawalligen Auftritt schon ein wenig zugetan sein, um das Exterieur des Japaners zu mögen. Gerade von vorn gefällt uns der sportlich aggressive Dreifarbenlook sehr, das extrem hohe Heck mit der großen Heckklappe samt Subaru WRX-Flügel ist jedoch etwas schwierig. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: man muss es sich erstmal trauen, ein Auto mit diesem Heck aus der Designabteilung durchzuwinken. Da wirkt ja selbst der ufohafte Vorgänger-Civic noch regelrecht zurückhaltend.
Man gibt also ein Versprechen an alle Hinterherfahrenden und der fette Flügel, die breiten Walzen und nicht zuletzt die vierflutige Abgasanlage machen im Zweifel klar: Du weißt zwar vielleicht nicht, was hier vor Dir fährt, aber es ist schnell! Und dieses Versprechen hält der Type R auch wie kaum ein Zweiter vor ihm. Hat man sich erst in die hervorragend passenden knallroten Sitzschalen gezwängt, die Winterboots von den Füßen gestreift und den Zweiliterturbo ordentlich – selbstredend verfügt er über eine Öltemperaturanzeige – warmgefahren, gibt es kein Halten mehr: der perfekt positionierte Schalthebel flutscht aus dem Handgelenk kurz und knackig in die Zwei und am Ortsausgang spielst Du die Symphonie aus vier Tröten und einem Turbo, die alle zusammen zu einem Zisch-und-Sound-Contest einladen.
Hast Du zuvor den +R-Modus per Knöpfchen links am Lenkrad aktiviert, springt der viertürige Civic förmlich nach vorne, so scharf und digital ist die Gasannahme. Die (für Winterreifen herausragenden) Dunlop SP Winter Sport 3D gieren nach Grip (und Spurrillen), dass Du das Lenkrad schon ordentlich festhalten musst, damit der Type R nicht der Asphaltstruktur folgt. In wenigen Sekunden geht’s auf Landstraßentempo, den roten Bereich signalisiert Dir ein Schaltblitz über der digitalen Geschwindigkeitsanzeige und damit ist der legale Spaß auch schon wieder vorbei. Bis zur ersten Kurve.
Die stichst Du mit der angenehm schwergängigen, aber trotzdem alles andere als synthetisch wirkenden Lenkung präzise an, die Brembo-Beißer mit 350er-Scheiben vorn stauchen die knapp viermetervierzig Auto zusammen. Auf den Einlenkbefehl reagiert der Type R sehr zackig und bleibt extrem lange neutral, was man dank des mechanischen Sperrdifferentials an der Vorderachse sogar gut mit dem Gasfuß steuern kann. Dann zieht sich der Japaner ein wenig in die Kurve hinein, wenngleich die Wirkung der Sperre nicht ganz so massiv spürbar ist wie in einem Corsa OPC. Doch hierdurch lässt sich der Honda gefühlvoller und präziser schnell fahren – ohne, dass es Dir gleich das Lenkrad aus den Händen reißt.
Wer es übertreibt oder die Straßenverhältnisse eben nicht so viel zulassen, wie man vielleicht am Volant wollte, erntet ein sanftes Geradeausschieben über alle vier Räder. Wir hätten uns zur Perfektion noch etwas mehr Rückmeldung gewünscht, doch schreiben wir das ja mittlerweile über jede elektromechanischen Lenkung, die wir vor uns haben. Offenbar geht es nicht mehr anders. Doch die Frage aller Fragen, die wir uns auch schon beim Erstkontakt stellten, lautet wie folgt: sind die 310 PS an der Vorderachse überhaupt händelbar oder wünschen wir uns nicht doch einen Allradantrieb in der Fuhre?
Die Antwort ist so kurz wie zwiegespalten: Einerseits zeigt Honda, wie viel ein Vorderradantrieb tatsächlich leisten kann und dass er problemlos in der Lage ist, verdammt viel Freude auf der Straße zu machen. Gerade bei den aktuell widrigen Wetterbedingungen hätte dem Type R jedoch ein guter Allradantrieb à la WRX STI mehr als ordentlich zu Gesicht gestanden – bei sommerlichen Temperaturen werden wir jedoch verneinen müssen: da macht der Civic Type R seine Sache richtig gut, so wie er ist. Honda will dieser Ansicht ja ebenfalls weiter entsprechen und nach eigenen Angaben auch den nächsten Civic Type R lediglich mit Vorderradantrieb ausstatten.
Wo wir gerade beim Ausstatten sind: unser Type R kam mit dem Zusatz „GT“ zu uns, was in diesem Falle nicht mehr ist als ein großes Ausstattungspaket. Als wichtigste Merkmale der 2.500 Euro teuren Zusatzausstattung zählen wir sämtliche Assistenzsysteme (die in einem Type R verzichtbar sind, wie wir finden), elektrische Fensterheber hinten, das sauber arbeitende Navigationssystem inklusive Soundsystem und natürlich die roten Akzente an Front- und Heckschürze. Wie üblich bei den Japanern zählt hier das Alles-oder-Nichts-Prinzip: will man nur ein oder zwei Merkmale des GT-Pakets in seinem Type R haben, geht das nicht. Wir würden trotzdem drauf verzichten und uns die roten Akzente selbst draufmalen.
Serienmäßig im Type R – ob mit oder ohne GT-Paket – ist das adaptive Fahrwerk, dessen magnetisch-rheologischen Dämpfer sich mit Druck auf den +R-Knopf für die Rennstrecke anpassen. Zumindest für einige Rennstrecken, denn der Civic wird hierdurch dermaßen ehrlich ge“dämpft“, dass man schon einen überfahrenen Zigarettenstummel spüren kann. Für die (deutsche) Autobahn empfiehlt sich daher lieber der normale Fahrmodus, es sei denn, man möchte wissen, wie es auf diesen nun überall zu erwerbenden Vibrationsplatten zum Abnehmen zugeht. An alle, die noch an ihrer Bikinifigur arbeiten: kauft Euch lieber einen Type R.
Da ist man denn wenigstens auch schnell beim nächsten Burgerladen, um den Kalorienhaushalt wieder aufzufüllen. Denn nicht nur Kurven kann der Civic verdammt schnell, auch geradeaus geht einiges vorwärts. Erst oberhalb der 240 wurde es etwas zäh und wir meinen, dass es doch einiges an Anlauf benötigt, um auf die versprochenen 270 zu kommen. Bis dahin hat man jedoch die, die in der Regel so auf den Straßen herumfahren, mit einigem Abstand hinter sich gelassen. Dass das Leben auf der Überholspur sich auch was kosten lässt, zeigte sich lediglich an der Zapfsäule und selbst die ging recht human mit dem fahrenden Flügel um: im Schnitt brauchten wir 10,8 Liter Super auf 100 Kilometer und waren – mit einer Ausnahme – nie langsam unterwegs. Die Ausnahme kostete dafür lediglich 9,3 Liter Sprit.
Fazit
Was vom Type R bleibt? Wir hatten mehr als nur ein weinendes Auge bei der Rückgabe des in Championship White (Aufpreis: 520 Euro) lackierten Testwagens. Er ist trotz der Annehmlichkeiten des GT-Pakets ein rauhbeiniger Geselle, Du musst noch selbst schalten, Du musst (kannst) selbst Zwischengas geben, Du musst sogar selbst lenken, denn von autonomem Fahren hält der Type R recht wenig. Er ist eben nicht weichgespült, er wurde auch nicht plump so gemacht, sondern ist, wie er ist: Hart, ehrlich, selbstbewusst und trotzdem verspielt. Dass das hierzulande eine recht begrenzte Zielgruppe anspricht, verwundert kaum – auch angesichts der etwas verstörenden Optik. Doch zum Preis von knapp über 35.000 Euro kennen wir nichts, das nur annähernd so gut fährt, Power und Alltagstauglichkeit mit vier Sitzplätzen und vier Türen so vereint.
Modell: Honda Civic Type R GT
Motor: Vierzylinder-Reihe, 1.996 ccm
Leistung: 310 PS (228 kW) bei 6.500 U/min
Drehmoment: 400 Nm zwischen 2.500 und 4.500 U/min
Antrieb: Vorderradantrieb, Sechsgang-Schaltgetriebe
Verbrauch (ECE): 7,3 l Super/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 5,7 s
Höchstgeschwindigkeit: 270 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,39 m/1,88 m/1,47 m
Gewicht: 1.453 Kg
Grundpreis: 37.850 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 18/26/26
*Herstellerangaben
Fotos: Felix Maurer für evocars