Volvo ist uns ja mal grundsätzlich eine schwer sympathische Marke. Nein, wirklich, auch wenn wir immer wieder über die Vierzylinderpolitik und die chinesische Produktion (die sicherlich immer stärker ausgebaut werden wird) rummosern, so haben es die Schweden doch geschafft, uns in ihren Bann zu ziehen. Mit Autos, die erschreckend gut aussehen und mit Autos, die schlicht und einfach funktionieren. Und zwar so, wie sie sollen.
Nachdem wir im vergangenen Jahr bereits vom V90 T5 sowie dessen Cross Country-Variante mehr als angetan waren, baten wir nun den V90 T8 Twin Engine zum Test. Insbesondere deshalb, weil Volvo sich selbst ja schon ein wenig als Vorreiter im Hybrid- und Downsizingkonzept sieht aber auch, weil wir wissen wollten, wie das eigentlich so ist, mit einem Hybriden im Alltag, der kein Volkswagen ist. Denn aus diesem Bereich konnte so richtig erst der Porsche Panamera 4 E-hybrid überzeugen.
Nun wollen wir keinen Vergleich zwischen dem Volvo und dem Porsche herstellen, das wäre gelinde gesagt auch recht unfair – vor allem für den Volvo, liegt er doch im Grundpreis um etwas mehr als ein Drittel unterhalb des Panamera. Und doch sind die nackten Daten beider Fahrzeuge gar nicht so weit voneinander entfernt: 407 PS Systemleistung packt der Volvo V90 T8 an alle vier Räder, diese müssen wiederum 2130 Kilogramm antreiben. Allerdings tun sie das, was die Verteilung der Antriebskraft angeht, nur bedingt: die 320 PS des Zweiliter-Vierzylinders landen stets an der Vorderachse, während die 87 Zusatzpferdchen des Elektromotors korrigierend an der Hinterachse eingreifen, falls vorne Schlupf auftritt oder der Fahrer in den Allrad- respektive Powermodus wechselt, in denen jeweils beide Motoren stets zusammenwirken. Was den Nachteil hat: es besteht keine starre Verbindung des Verbrenners zur Hinterachse. Ist die Batterie gänzlich leer, kann der E-Motor außer beim Rangieren und Anfahren nur noch wenig zu mehr Grip beitragen.
Im Alltagsbetrieb merkt man von dem Zusammenspiel der zwei Herzen wenig. Wie bereits erwähnt, gelingt das Anfahren und Rangieren im Hybridmodus stets rein elektrisch, erst bei mehr Gaseinsatz und höheren Geschwindigkeiten springt der Verbrenner ein. Dies tut er stets ruckfrei und sehr leise, wirkt im Vergleich sogar noch besser gedämmt als im V90 T5, sodass der Fahrer, sollte er nicht genau auf die Informationen im Mittendisplay achten, manchmal gar nicht weiß, welcher der beiden Antriebe nun aktiv ist. Schön gelöst: mittels schickem Wählhebel kann man die Rekuperationswirkung erhöhen, sodass auf Bergabfahrten kaum noch gebremst werden muss. Sie ist allerdings immer noch so schwach, dass wenigstens die Bremsleuchten nicht dauerhaft aufleuchten. Das wirkt sonst auf andere immer so, als könne man nicht fahren.
Was uns auch gleich zu ein wenig Kritik bringt: denn besagter Wählhebel sieht zwar schick aus, ist für uns jedoch trotzdem eine Fehlkonstruktion. Fährt man gedankenverloren in der Rekuperationsfahrstufe „B“ herum, darf man zum Rangieren in den Rückwärtsgang das Hebelchen drei Mal nach oben schnippen. Hier wäre eine zweistufige Lösung, mit der man direkt in den Rückwärtsgang gelangt, die deutlich bessere. Denn mehr als einmal fanden wir uns lediglich im Leerlauf wieder.
Das trübte den Eindruck nämlich nur kurz, ansonsten waren wir mehr als angetan vom großen Kombi. Die Platzverhältnisse sind wie gewohnt vorzüglich, sowohl vorne als auch in der zweiten Reihe, wenngleich man den Hybriden aufgrund des nicht mehr vorhandenen Stauraums in der Mittelkonsole leider spüren muss, aber sei es drum. Man zieht ja schließlich auch Vorteile daraus, oder? Da stellen wir fest: hat man eine Garage oder (am besten: und) einen Arbeitsplatz, an dem man die Batterie jeden Tag und jede Nacht laden kann, dann hat man sie, diese Vorteile. Wir schafften zwar nie die angegebenen 50 Kilometer elektrische Reichweite im hügeligen Taunus, doch 30 Kilometer sind ohne große Anstrengungen und nur wenig Intelligenz zu erreichen, ohne dass der Verbrenner einmal auf dem Weg ins Büro oder zurück anspringen muss.
Wer aber Laternenparker ist, schaut in die Röhre und vor allem häufig in einen leeren (50 Liter-) Tank, wenngleich wir zugeben müssen, dass wir eine durchaus sportliche Fahrweise an den Tag gelegt haben und die Batterie eben zwangsläufig mit dem Verbrenner geladen haben. Doch 15 Liter Super im zeitweisen Durchschnitt sind für einen Hybriden schlicht und einfach zu viel. Wir erreichten über eine Fahrstrecke von 500 Kilometern im gemischten Betrieb auch einmal unsere 8,5, doch weniger, das wagen wir zu behaupten, sind nicht drin, wenn man keine Steckdose zur Verfügung hat. Durchschnittlich standen über unsere rund 1.500 Kilometer lange Testfahrt am Ende 11,8 Liter Verbrauch auf der Habenseite.
Fazit
Das bringt uns zu einer spannenden Frage: der Zielgruppe. Für jemanden, der seinen Langstreckendiesel ersetzen will, kann auch der V90 T8 Twin Engine keine echte Empfehlung sein. Technikaffine aber, die einen großen Hang zu Design haben, viel Platz brauchen und auf ein luxuriöses Urlaubsgefährt nicht verzichten wollen, haben sicherlich auch eine Wallbox in ihrer Garage hängen.
Modell: Volvo V90 T8 Twin Engine R-Design
Motor: Vierzylinder-Reihe, 1.969 ccm
Leistung: 407 PS (300 kW) bei 5.700 U/min (kombiniert)
Drehmoment: 640 Nm zwischen 2.200 bis 5.400 U/min (kombiniert)
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (ECE): 2,0 l S 100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 5,0 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 Km/h (elektrisch: 125 Km/h)
Abmessungen (L/B/H): 4,94 m/1,88 m/1,48 m
Gewicht: 2.130 Kg
Grundpreis: 74.650 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 16/26/20
*Herstellerangaben