Nach dem Kia e-Soul und dem aktuellen Modelljahr des Volkswagen e-Golf sind wir in diesem Jahr schon wieder zwei Elektrische gefahren. Dazu kommt mit dem Range Rover Sport P400e ein Plugin-Hybrid dazu – im Gesamtmix der Testwagen merkt man also deutlich, in welche Richtung die technische Entwicklung geht. Heute: der Audi e-tron.
Wir sind stets bemüht darum, ehrlich mit dem Thema umzugehen, Techniken zu erklären und vor allem Zahlen greifbar zu machen.
Klar, PS versteht jedes Kind, auch Newtonmeter sind für viele ein Begriff. Mit dem Tankinhalt in Litern und dem Verbrauch pro 100 Kilometer kann auch jeder errechnen wie weit er kommen wird. Und dass die Verbräuche im Prospekt meist nichts mit dem echten Leben zu tun haben: Auch das ist klar.
Nur wie geht das alles mit dem Elektroauto zusammen? Auf was muss man sich einstellen? Wir wollen – weil wir es kaum können – nicht klären was der richtige Weg in die Zukunft ist. Stattdessen machen wir uns zur Aufgabe, Licht ins Dunkel zu bringen.
Und deshalb fangen wir nun mit dem Audi e-tron an.
Aus Ingolstadt hat uns in dieser Woche eine Nachricht erreicht, in der sie stolz von der Langstreckentauglichkeit ihres großen SUVs berichten. Der erste Elektro-Wurf von Audi soll der Beste im Markt sein, was die Ladeleistungen angeht.
Doch was bedeutet das eigentlich?
Die Ladeleistung kann man sich in etwa vorstellen mit der Menge Strom, die pro Zeit in die Batterie gepumpt werden kann. Der Audi schafft das in der Spitze mit 150kW – also den Kilowatt, die wir auch etwa von der Motorleistung kennen. Warum? Weil Watt schlicht die Einheit für Leistung ist.
Tesla lädt aktuell an den deutschen Superchargern mit bis zu 125kW, der neue Mercedes-Benz EQC wird mit 110kW laden können, die Kleineren wie etwa der neue e-Soul, der e-Golf oder auch ein BMW i3s zu Beispiel können mit 50kW geladen werden. Die Zoe bringt es auf 22kW.
Wie lange der Ladevorgang tatsächlich dauert ist logischerweise noch von der Größe der Batterie abhängig. Man kann das auch mit dem Tankvolumen vergleichen – für den größeren Tank muss man länger an der Säule zapfen.
Der Audi bringt brutto 95kWh an Kapazität mit. Theoretisch ist er also nach 95kWh geteilt durch 150kW gleich 0,633 Stunden fertig. In der Praxis braucht er aber weit mehr als 38 Minuten für den Ladevorgang. Doch die Gründe dafür erklären wir ein anderes Mal, das würde jetzt zu weit ins Detail gehen. Im Besten Fall ist der e-tron nach 50 Minuten wieder randvoll.
Das ist immer noch beeindruckend und liegt daran, dass Audi in der Lage ist die Ladeleistung im Vergleich zur Konkurrenz dauerhaft relativ hoch zu halten. Selbst bei 75% Ladestand liegt die Leistung noch über 125kW und das Balancieren ab 80% startet Audi mit selbstbewussten 100kW, um dann linear abzufallen und die Spannungen auszugleichen.
Ein Tesla Model X im Vergleich regelt etwa bei 50% schon das erste Mal leicht runter. Der US-Pionier nimmt dort von 125kW sanft auf knapp unter 100kW zurück und fällt schon kurz danach in die Linearabnahme. Doch bei 80% Ladestand lädt selbst der Tesla noch mit 75kW – die Differenzen sind also nicht sehr groß – grob geschätzt liegt der Audi im besten Fall 25% über dem Tesla, im Schnitt sind es meist jedoch nur 15%, die die Ingolstädter stärker sind.
Und hier kommt die Achillesferse des großen Audi e-tron: sein Verbrauch.
Denn in den ersten Tests mit Autobahntempi gönnt sich der Ingolstädter statt der versprochenen 26kWh/100km satte 30.5kWh/100km. Seine Reichweite beträgt also nur knapp 275km. Denn dazu kommt, dass die 95kWh-Batterie nur zu 83.6kWh nutzbar ist. Im Vergleich: Das Tesla Model X 100D kommt auf einen Vergleichsverbrauch von 24.8kWh/100km und verfügt über 98.4kWh Batteriekapazität. Macht 389km Reichweite.
Das ist ein mehr als deutlicher Vorsprung vor dem Audi.
Wenn man jetzt als Beispiel die Strecke Hamburg – München nimmt, 791km Fahrstrecke also, dann braucht der Audi 241kWh Strom und der Tesla 196kWh. Der Tesla braucht also nicht ganz eine Stunde zum Laden, wohingegen der Audi mindestens 1:15h ans Kabel muss.
Es zeigt sich also: Elektroautos sind mehr als reine Zahlenspiele. Man muss ein bisschen tiefergehen, um wirklich gut von besser trennen zu können.
Denn auch wenn die Ladeleistungen des e-trons wirklich gut sind, so verspielt er diesen Vorteil auf anderem Wege.