Was haben wir den Golf VII R vergöttert. Eine echte eierlegende Wollmilchsau ist das, aber er hat einen großen Fehler: Unter der Haube werkelt der Allerwelts-Zwoliter-TSI. Klar, 300 PS, aber man kann durchaus von Emotionen sprechen, die – fehlen. Das haben ihm die Fans von Motoren und nicht von Nähmaschinen unter einer Golf-Haube nicht verziehen. Und auch seinem Vorgänger nicht, dem Golf VI R mit 270 PS. Verächtlich nennen sie die neuen schnellen Gölfe R20.
Die Ära der Gölfe mit Motoren endete mit dem Golf V, dem wir uns behutsam unter dem Deckmantel „Klassiker der Zukunft“ nähern wollen. Ein Sechszylinder in der für VW berühmt-berüchtigten VR-Bauweise, mit 3,2 Litern Hubraum, ein reiner Sauger ohne Turboschnickschnack und ganzen 250 PS. 4Motion ist seit dem ersten R32 – im Golf IV, der mittlerweile zum echten Klassiker mutierte – obligatorisch. Für gute Exemplare des bis 2004 gebauten Über-Golfs werden mittlerweile stattliche Summen gezahlt, sein Nachfolger stand dagegen immer in seinem Schatten, doch so langsam wird auch der Golf V R32 entdeckt. Als letzter Golf mit Sechszylinder. Das klingt fast so wie „der letzte Porsche mit Luftkühlung“, und was hier auf dem Markt abgeht, braucht man vermutlich niemandem mehr erzählen.
Ordentliche Exemplare bis 100.000 Kilometer Laufleistung bewegen sich momentan im Preissegment zwischen 13 und knapp 40.000 Euro, wir haben einen R32 im unteren Bereich im Blick. Erst mit 40.000 Kilometer auf dem Tacho, 2006er Modelljahr, aus erster Hand in Deep Blue Perleffekt, bis dahin alles gut. Doch gerade beim R32 kommt es auf die Ausstattung an. DSG ist begehrt, Zweitürer werden tendenziell höher gehandelt als Viertürer und Basics wie vierfach E-Fensterheber oder Klimaautomatik sollen es dann schon sein. Ein Nice-to-have und aufpreisrechtfertigend sind die grandiosen R-Schalensitze, die leider viel zu wenige Erstbesitzer orderten. Und merke: Fehlfarben gehen gar nicht.
Besonders nicht im Innenraum. Während Deep Blue Perleffekt wirklich Kaufgrund sein kann, ist eine beige Lederausstattung für viele Käufer ein Nogo. Zu allem Überfluss bestellte der Erstbesitzer unseres Probanden auch noch Wurzelholz-Applikationen, aber ansonsten keine Ausstattung. Standard-Radio, Handschaltung, keine elektrischen Fensterheber hinten. Wir mögen sowas. Und weil wir damit zu den wenigen Interessenten gehören, war denn der Preis auch nicht ganz so hoch.
Auf den ersten Metern im R32 – auch die Serien-Sportsitze passen bekanntermaßen perfekt – fallen die extrem niedrigen Bedienkräfte auf. Das Kupplungspedal gibt schon dem kleinen Zeh nach, der Schalthebel geht mit leichtem Hakeln mit einem Finger durch die Gassen. Und es fällt noch etwas auf: wie dieser großvolumige Sechszylinder am Gas hängt. Es ist ein Traum: vibrationsfrei dreht er ab Leerlaufdrehzahl hoch, 40 Km/h im fünften Gang sind problemlos möglich, das üppige Drehmoment von 320 Newtonmetern liegt schon ab 2500 Umdrehungen an. Die Leistungsentfaltung ist dabei zwar nie überfallartig, doch von einer derartigen Leichtigkeit geprägt, dass selten der Wunsch nach mehr aufkommt. Vom Sound ganz zu schweigen: zurückhaltend im Normalbetrieb, doch bei mehr als 50 Prozent Gaspedalstellung öffnen die (serienmäßigen) Klappen in der Abgasanlage und entfachen ein Hallelujah, das sich gewaschen hat. Und da weiß man, warum es ein Sechszylinder-Golf sein muss.
Wer nun angefixt ist, kann sich ziemlich beruhigt umsehen: Schwerwiegende Probleme in der Golf V – Reihe sind nicht bekannt, die Rostvorsorge ist gut, leichte Verarbeitungsmängel wie abplatzender Softlack im Innenraum teilt sich der R32 mit seinen schwächeren Brüdern. Die Problematik, dass sich die Steuerkette längt, ist hingegen eine R32-spezifische. Hier sollte man auf Klacker- und Klappergeräusche achten, die besonders nach dem Kaltstart auftreten können. Bremsen- sowie Fahrwerksteile sind teilweise mit einem R-Zuschlag belegt, doch ansonsten geben sich die Autos unauffällig. Eine eierlegende Wollmilchsau eben – nur mit mehr Emotionen.