Wer hätte das gedacht: Der Audi A6 Typ 4F wird ein Fall für den Gebrauchtwagen-Check. Gefühlt war es erst gestern, als der große Autowagen aus der mittleren Oberklasse als Neuwagen bei den Händlern stand. Das ist mittlerweile schon wieder sechs lange Jahre her – wie doch die Zeit vergeht. So wird es also höchste Eisenbahn, dass wir uns den einstigen Traum aller Handelsvertreter und Familienväter etwas genauer ansehen. Der A6, der von 2004 bis 2011 gebaut wurde und Audi-Intern als Typ 4F bezeichnet wird, ist noch häufig auf unseren Straßen anzutreffen. Kein Wunder, gilt der A6 der 2000er doch als äußerst zuverlässiger Dauerläufer, der in seinem Zweit- oder Drittleben sogar für den Ottonormalverdiener ein erschwingliches Preisniveau erreicht hat. Als erstklassiges Alltags- und Reisefahrzeug, mit einer hohen Verarbeitungsqualität und einem breiten Angebot an Ausstattungs- und Motorvarianten, bleibt eigentlich kaum ein Wunsch unerfüllt.
Im Laufe der Jahre wurde der A6 mit 19 (!) verschiedenen Motorvarianten angeboten. Alle im Detail zu betrachten würde diesen Text bei weitem sprengen. Also pickten wir uns die vermeintlich interessantesten Kandidaten heraus: 2.0 TDI, 3.0 TDI, 4.2 V8 und natürlich die brachialen 5+X-Liter V10 Monster aus den S- und RS-Modellen – aber der Reihe nach. Beginnen wir mit dem 2.0 TDI. Dieser wurde in verschiedenen Ausbaustufen von 136 bis 170 PS angeboten.
Als eher schwachbrüstig abgetan wurde der 2.0 TDI oftmals von Großkunden, Mietwagenfirmen oder Firmenwagenberechtigten geordert, denen es vordergründig nur um die eigentliche Fahrzeugklasse ging – nicht etwa wie sich der Hobel im Anschluss fährt. Ja, wir geben zu: er ist mager motorisiert. Zieht nicht die Wurst vom Teller und verliert reihenweise Autobahnduelle gegen Polo, Corsa oder Fiesta. Aber: er ist zuverlässig, vergleichsweise günstig im Unterhalt und kann äußerst sparsam gefahren werden. Abstriche muss man hingegen bei der Ausstattung machen. Wie gesagt, es ging den Erstbesitzern meist nur darum einen A6 zu ordern – egal was am Ende für ein Kassengestell dabei herauskam.
Und so trifft man auf den bekannten Autobörsen oftmals auf Modelle mit manueller Klimaanlage, Halogen-Funzeln als Scheinwerfer und – was in unseren Augen gar nicht geht – auf das mit Abstand hässlichste Autoradio, dass Audi seinerzeit angeboten hat. Ein in rot-schwarzer Mäusekino-Optik daher kommender MMI-Verschnitt, der Musik abspielen kann und irgendwie an ein Navi-Plus erinnern soll, aber eher einem Amiga C64 gleichkommt. Es mag funktionieren. Es mag auch bedienbar sein. Aber lasst euch eines gesagt sein: mit diesem Radio – das fest in der Mittelkonsole integriert ist – werdet ihr nur schwer einen Abnehmer nach euch finden – ein MMI Plus ist Pflicht!
Wechselt man eine Hubraumklasse weiter noch oben, sieht die ganze Sache schon wieder etwas besser aus. Denn der 3.0 TDI (nein, nicht der 2.7 TDI) war das Auto der Abteilungsleiter, des zweiten Vorstands oder zumindest das Wunschauto vieler Staubsaugervertreter. Dementsprechend üppig wurden die Fahrzeuge ausgestattet. Das soll nicht heißen, dass es auch hier im Gebrauchtwagenmarkt den einen oder anderen Zonk gibt – die Wahrscheinlichkeit, für einen A6 mit ohne alles ist aber bedeutend geringer. Und so sollte man ab diesem Motor (der im Übrigen absolut zuverlässig, vergleichsweise sparsam ist und verdammt gut vorwärts geht) Ausschau halten, nach der damals gängigen Business-Ausstattung.
Diese besteht aus: Xenon-Scheinwerfern, Leder-Gestühl, Sitzheizung, Klimaautomatik, MMI-Plus (einmal in Farbe bitte), Bluetooth Freisprecheinrichtung, Schiebedach und ganz wichtig: ein Ablagepaket! Denn ohne dieses gibt es weder Schmuggelfächer unter den Sitzen, noch Netze an den Rücklehnen. Über was man sich vortrefflich streiten kann, ist die Auswahl des Soundsystems für den gebrauchten A6. Viele Händler und Privatleute preisen einem das einstmals sau teure Bose-System an. Wir finden: das normale Audi-Soundsystem (das ebenfalls aufpreispflichtig war) tut es auch.
So viel zur Kernausstattung im A6. Kommen wir nun langsam aber sicher zum automobilen Oberhaus in der A6-Flotte. Dem Vierzweier V8 mit 335 PS. Einem der wohl besten Motoren (wir schreiben hier vorsichtshalber dazu – ohne FSI), den Audi zu dieser Zeit gebaut hat. In seinen Ursprüngen ist der 8-Zylinder eine Entwicklung aus den 90ern und hat bereits im S8 D2 und im S4 B6 hervorragende Dienste geleistet. Wie bereits im Vorgänger, dem Audi A6 4B, ist der 4.2er sozusagen der Wolf im Schafspelz. Der Leistungssportler im schicken Maßanzug. Er fällt zu keiner Zeit aus der Rolle, bleibt immer der vornehme Aristokrat, kann bei Bedarf aber auch das deutsche Musclecar mimen.
Denn Leistung hat der bullige Vierzweier mehr als ausreichend. Bei diesem Motor erübrigt sich auch die Frage, ob man denn besser nach einem Avant oder einer Limousine sucht – man muss froh sein, überhaupt noch einen der begehrten 4.2er zu ergattern. Ersetzt wurde dieser nämlich endgültig, bereits ein Jahr vor dem Produktionsende, durch einen „sparsameren“ 3.0 V6 TFSI – der zwar, anders als das Typenschild vermuten lässt, einen Kompressor, statt eines Turboladers trägt, aber mit einem guten alten Vierzweier V8-Sauger nicht zu vergleichen ist. Wer dennoch einen 3.0 TFSI besitzt kann sich freuen – er ist die Basis für S4 B8 und Audi S5. Die Zeiten ändern sich halt, leider.
Bevor wir in die Höhle des RS-Löwen steigen, vielleicht noch ein paar Sätze zur allgemeinen Technik und den Schwachpunkte des A6 4F. Mittlerweile bei Audi durch die Bank bekannt, aber auch beim A6 ein leidiges Thema, sind die Achsgelenke der Vorderachse – diese sind im Alter oftmals ausgeschlagen und neigen dann zu unschönen Poltergeräuschen. Bei den Dieselmotoren können Turbolader oder die Einspritzpumpen den Geist aufgeben. Und was sagen wir zum Multitronic-Getriebe? Besser nichts. Aber ganz so schlecht wie dessen Ruf ist es auch wieder nicht. Schließlich ist der 4F bereits die zweite A6 Generation, die damit durch die Gegend fährt. Wer die Wahl hat, greift allerdings lieber zum 6-Stufen-Tiptronic-Getriebe in Verbindung mit dem Quattro-Antrieb. Die heckbetonte Auslegung des Allrad, von 40:60 Prozent, macht den A6 zum dynamischen Kurvenräuber und wahren Schneemeister. Bei einer entsprechenden Bereifung braucht es schon viel, bis A6 4F und Quattro an die Grenzen stoßen.
Und der Quattro ist auch eine gute Überleitung zum letzten Teil unseres Gebrauchtwagen-Checks. Denn, last but not least, widmen wir uns den Power-Geräten S6 und RS6. Beide Modellvarianten haben einen brachialen V10 unter der Haube – das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Der S6 schöpft seine satten 435 PS Leistung aus natürlich beatmeten 5.2 Litern Hubraum, wohingegen der RS6 einen 5.0 Liter Motor hat, der doppelt turboaufgeladen ist. Er leistet stolze 580 PS und war ab 2008 der krönende Abschluss der 4F-Baureihe. Kaufempfehlung? Ehrlich gesagt nur für Leute, die den niedrigen Einstiegspreis gleich noch einmal bar hinterlegt haben.
Und selbst diese sollten ihre S6 und RS6 am besten mit in die Abendgebete einschließen. Der Satz: „Hoffentlich geht nichts kaputt“, trifft hier nämlich wie die Faust aufs Auge. Mal eben zum Schrauber nebenan? Freunde werdet ihr keine mehr. Und selbst viele Audi-Werkstätten wissen mit den V10-Viechern nichts anzufangen. Denn Audi hat den V10 Rohling mit viel Aufwand aus dem großen S8 (bei dem im Motorraum auch schon kein Platz mehr war) in den etwas kleineren A6 verfrachtet. Das Ergebnis: Selbst zum Wechsel der Lambdasonden muss der Motor raus. Reifen bis Tempo 280, Bremsen groß wie Pizzateller, effektiv zwischen 8-9 Liter wechselbares Motoröl – die Kostenexplosion bei herunter gerittenen Modellen ist scheinbar vorprogrammiert. Und da sind die „normalen“ Verschleißerscheinungen des 4F noch gar nicht mit einberechnet.
Wenn wir uns einen A6 4F aussuchen sollten, wir würden uns wohl für eine 4.2 Liter V8 Limousine entscheiden. Leistungsstark, dezent im Auftreten, meist üppig ausgestattet und noch halbwegs vertretbare Unterhaltskosten. Im Gegensatz zum V10 kann man bei dem kleinen Bruder auch noch bedenkenlos selbst Hand anlegen, oder gibt ihn in vertraute Freundeshände ab. Preislich rangieren die V8 knapp unter 10.000 Euro, wobei die Laufleistung bei guter Wartung eher zweitrangig ist. Mit knapp 15.-20.000 Euro ist man dabei, wenn man einen S6 sein Eigen nennen will und das Topmodell, den RS6, gibt es für etwa 38.000 Euro – teuer, aber verglichen mit dem Einstandspreis, von über 100.000 Euro, immer noch ein Schnapper.
Gesuchte Modelle sind aktuell vor allem die sparsamen Diesel mit Laufleistungen unter, oder knapp über 100.000 Kilometer. Mit einer halbwegs annehmbaren Ausstattung (mindestens MMI-Plus) muss man auch hier weiterhin mit 10.-15.000 Euro rechnen. Egal wie Ihr euch am Ende entscheidet – die Grundbasis des Audi A6 4F ist solide und langlebig. Das beweisen auch die TÜV-Berichte und die durchwegs positiven Dauertest-Erfahrungen. Wir für unseren Teil sehen im Audi A6 4F eines der wohl besten Autos, das die Ingolstädter bisher gebaut haben. Prädikat: Sehr empfehlenswert!