Freitagmorgen, vier Uhr. Herzklopfen, laut, dass es keinen Wecker gebraucht hätte. Normal sind heute weder Weckzeit noch, dass die Pumpe so laut schlägt. Aber das hat auch seinen Grund. Ein Termin in Wettstetten bei Ingolstadt und spätestens jetzt weiß jeder auch ohne Lesen des Titels: es muss etwas mit Audi zu tun haben.
Nun, auf den ersten Blick betrachtet ja, das hat es. Mal abgesehen von der schrillen Folierung und den 21-Zöllern gleicht diese Limousine einem herkömmlichen Audi S8 von der Stange, der in der plus-Ausführung übrigens auch schon nicht ganz wenige 605 PS leistet. Wir haben aber einen Termin bei Motoren Technik Mayer. Und die legen im „Talladega R“ halt noch eine kleine große Schippe obendrauf und versprechen Ü-800. Nein, nicht einfach achthundert, sondern genau achthundertundzwei Pferdestärken. Kann man das Herzklopfen am frühen Morgen ein wenig nachvollziehen?
Nach Schlüsselübergabe und kurzer Einweisung („fährt wie’n Audi, nur bisschen schneller“) schwinge ich mich in den grau-weiß-roten Bock. Inzwischen ist es Freitagmittag, die Autobahnen rund um Ingolstadt kann man also getrost vergessen und zu allem Überfluss sind die Straßen vom Dauerregen nass wie die Achselhöhlen Donald Trumps nach einem Wahlkampfauftritt – perfekte Bedingungen also für eine Ausfahrt in einem Achthundert-PS-Monster, das 350 laufen soll.
Durch Druck auf den Startknopf brummelt der Vierliter-V8 zufrieden vor sich hin. Sanfter Riese statt feuerspeiender Drache, könnte man meinen. Auf den ersten Metern durch Dreißigerzonen stellt sich schnell Vertrauen ein: Die Achtgang-Tiptronic schaltet früh hoch, es bleibt bei der sanft bassigen Untermalung durch die zweiflutige Abgasanlage, die kuscheligen Ledersitze samt edler Wabensteppung (im MTM-Interieur-Paket zu 16.132 Euro) geben ihr Übriges dazu. Gut, so viel sei gesagt, das kann auch ein S8 von der Stange – mal abgesehen vom Sounderlebnis, das ist schon sehr sehr high end.
Sofort fällt dafür die fahraktive Abstimmung auf. Die Lenkung setzt Befehle mit beinahe unheimlicher Direktheit und Zielgenauigkeit um, vermittelt dabei angenehme Rückmeldung und lässt den Fahrer gefühlt in einem zwei Klassen kleineren Auto sitzen. Die damit einhergehende Tieferlegung des Luftfahrwerks (2.168 Euro) macht sich nur positiv bemerkbar und trotz 21-Zöller rollt der Talladega S8 sanft ab, ist aber dennoch nie zu weich. Stets gut, so, wie man es sich eben wünscht. MTM hat hier eine perfekte Abstimmung zwischen Optik, Komfort und Handling gefunden, ohne Kompromisse eingehen zu müssen.
Und dann drückst Du den rechten Fuß einmal durch. Trotz der widrigen Bedingungen krallen sich vier 29,5 Zentimeter breite Gummiwalzen in den Asphalt, der quattro-Antrieb sortiert die ab 1700 Umdrehungen anliegenden 945 Newtonmeter, die Fuhre ruckt einmal kurz und die Tachonadel schnellt so rasant über das Zifferblatt, dass man mit bloßem Auge kaum hinterherkommt. 3,1 Sekunden gibt MTM für den Standardsprint auf Landstraßentempo an. Die Biturbo-Maschine schiebt mit solchem Nachdruck, dass man sich nicht vorstellen kann, der Schub ende irgendwann einmal – außer vielleicht, wenn der hochoktanigen Sprit zuneige geht. Aber dessen Verbrauch interessiert heute herzlich wenig. Dafür können wir jetzt sagen: Das Ding geht, wie man sich 800 PS vorstellt.
Faszinierend ist vielmehr die Leistungsentfaltung ansich: man merkt, dass die Jungs von MTM gut zwei Jahre an der Weiterentwicklung des Talladega gearbeitet haben – trotz seiner beachtlichen Leistung fährt er sich wie ein Serienauto, nur dass die großen Turbolader das sonst vorherrschende Hubraumminus ausgleichen können. Vollkommen gleichmäßig dreht er aus dem Drehzahlkeller hoch, fängt ab drei an zu beißen und geht erst fernab der sechs in den roten Bereich, den Du aber ohnehin fast nie auskostest: Denn dafür bietet die Straße zu wenig Reserven. Währenddessen schaltet das Getriebe sanft bis in den achten Gang hoch, reagiert schnell auf Schaltbefehle und der Sound wird niemals aufdringlich laut. Stattdessen agiert deutsche Gelassenheit, man surft auf der meterhohen Drehmomentwelle und könnte ja, wenn man wollte. Hierdurch animiert der MTM S8 niemals zum unverantwortlichen, sondern höchstens zum genussvollen Schnellfahren. Egal ob auf der Autobahn oder der Landstraße.
Wobei die unbeschränkte deutsche Autobahn selbstredend das bevorzugte Jagdgebiet des insgesamt über 220.000 Euro teuren Talladega R ist. Selbst hier sind alle Diskussionen um Stirnfläche oder Gewicht hinfällig – wer möchte, schießt sich in 29 Sekunden in die 300-Km/h-Umlaufbahn und weiter bis auf 350. Dann ist der Monster-Audi sogar schneller als so mancher Nascar-Racer auf dem Talladega-Speedway. Dabei genießt man die Klänge aus dem B&O-Soundsystem, die Sitze sind klimatisiert, das Geräuschniveau ansonsten niedrig. So schafft es MTM, den ursprünglichen Charakter des Audi S8 noch stärker herauszustellen. Eine hoch-luxuriöse Limousine mit Fahrwerten auf Supersportwagenniveau für den Selbstfahrer, die mit ihrer sanften zurückhaltenden Art und einem dafür um so extrovertierteren Auftritt mehr an die Jungfrau im Domina-Kostüm erinnert. Herzklopfen, ganz laut.