Erfahrungsbericht: Polo Cup 2009

[imagebrowser id=629 template=artikel]

Auch wenn der Cup Polo nur 150 PS unter der Haube hat, gelingt es guten Piloten durchaus, vermeindlich übermächtige „Gegner“ aus der Ruhe zu bringen. evocars-Speedjunkie Max fährt in der Saison 2009 im ADAC Polo Cup und schildert exemplarisch eine Runde auf der Strecke des Motorsportparks Oschersleben.Laut. Schnell. Hart. Eine Runde im Cup Polo.

Die Dinger werden unterschätzt. Ganz ehrlich. Immer und immer wieder. Die Rede ist vom Cup Polo, einem popeligen 150 PS Volkswagen Polo in Rennmontur, eingesetzt im ADAC Volkswagen Polo Cup im Rahmen der DTM. Unscheinbar sieht er aus. Ein bisschen Spoilerwerk – das war’s. Auch die nominellen Leistungsdaten lassen nicht viel erahnen: knapp 1000 kg leer, Null auf 100 in Fronttriebler-freundlichen 6,4 Sekunden. Die weichen Dunlop Slicks lassen da schon mehr durchblicken, die geduckte Fahrwerkshaltung das Potential ebenfalls erahnen. Ähnlich geht es innen weiter: Sechs-Punkt-Gurt, Hans-Vorrichtung, Überrollkäfig, gestripptes Interieur, Batterie hinten, automatische Feuerlöschanlage, Memotec Rennarmatur. Und es geht so weiter: geänderte Bremsen, Motorsportfelgen, Sintermetall-Rennkupplung. Den zum Einsatz kommenden Zweiliter Vierzylinder gibt es erst gar nicht im Serienpolo. Trotzdem ist Zweifeln immer noch verständlich. Deshalb einfach mal die knallharte Wahrheit, abseits von Stammtischgerede mit null auf hundert Zeiten: Oschersleben 1.47 min! Das ist Rennfahrersprache. Das sitzt. Schneller als ein Porsche 911 GT3. Zweifeln beendet.

Um diese 1:47 zu erreichen, muss man das Auto aber auch fahren können. Vielleicht entsteht ein etwas falsches Bild, wenn man immer wieder Fahrberichte dieser Rennfahrzeuge liest, in denen steht, sie hätten ein „unkompliziertes und stabiles“ Fahrverhalten. Diese Fahrzeuge werden meist für die Presse speziell vorbereitet, sie neigen oft zum undynamischen aber sicheren Untersteuern im Grenzbereich – eine Vorkehrung, die die Reparaturkosten, die durch eifrige Presseleute entstehen, verringert. Deshalb hier einmal ein ungeschönter, harter Fahrbericht im wirklichen Qualifying-Setup: Also erst einmal feuerfeste Unterwäsche, Rennoverall, Schuhe, Handschuhe und Helm übergestreift. Die Sicht durch den Tourenwagenhelm ist bereits jetzt beschränkt, die Haube nimmt die Luft. Noch schnell das HANS (head and neck support) an den Helm geklickt und dann rückwärts ins Auto gewunden – vorbei am massiven und einengenden Überrollkäfig und hinein in den subjektiv immer zu eng geschnittenen Rennsitz – pardon – in die Folterschale. Dann geht die Prozedur weiter: Gurte übers Hans gefriemelt und blind in den Halter gerastet, anschließend festgezurrt bis das Atmen schwer fällt. Leute mit Platzangst wären jetzt wahrscheinlich längst in die Ohnmacht abgetreten.

Dann den Hauptschalter an, das Feuerlöschsystem scharf schalten, warten bis das AIM Memotec gebootet hat. Jetzt endlich erst darf ich den Schlüssel drehen: 3 Sekunden warten, bis die Benzinpumpe arbeitet und Öldruck da ist, dann kommt die Zündung. Der Motor startet ruppig und fällt unruhig und ziemlich laut in den Leerlauf. Es hört sich nach verdammt starken 150 Pferden an, Pferde auf irgendeiner ziemlich hoch dosierten Dopingdroge. Der Antriebsstrang gesellt sich zur Geräuschkulisse dazu, das Getriebe gibt einen gleichmäßigen, ungesund klingenden, dumpfen Beat als Beigabe. Kein Zweifel, das ist kein Polo mehr. Es ist sein tierisch großer, böser Bruder, vom Werwolf gebissen. Ich lege den ersten Gang ein und kämpfe beim Anfahren gegen die unwillig und willkürlich trennende Kupplung. Nach Ausfahrt aus der Boxengasse fahre ich eine Runde die Reifen warm. Wer es hier übertreibt, fliegt sofort gnadenlos ab. Der Werwolf beißt zu, schnell und gnadenlos. Ich merke wie die schwierig zu erwärmenden Hinterreifen warm werden, das Auto lupft in Kurven bereits das kurveninnere Hinterrad, stellt sich auf bis kurz vor dem Umkippen.

Also kann es losgehen: mit Schwung geht es auf die Start-Ziel gerade in Oschersleben. Auf der kurzen Geraden schalte ich das kurz übersetzte Getriebe bis rauf in den fünften Gang, geschaltet wird mit normaler Sechsgang Handschaltung. Ich passiere den Bremspunkt, eine kleine Einfahrt rechts gilt als Anhaltspunkt. Aus 180 km/h geht’s runter auf 80, für die langsamste Kurve auf der Strecke – bis runter in den zweiten Gang. Das Auto wird beim Bremsen ziemlich unruhig, tänzelt von links nach rechts, verzögert brachial. Ich bremse kurz bevor das ABS regelt, so erreicht man die maximale Verzögerung. Dann links einlenken, mit voller Wucht über den links plazierten, ziemlich steilen Ludwigteller. Das Auto hebt kurz ab, es gibt einen heftigen Schlag. Den direkt folgenden rechten Teller meiden – der Polo würde umkippen und es wäre so auch nicht die perfekte Linie. Dann heißt es lange außen bleiben und spät nach innen reinziehen um den maximalen Schwung aus der langgezogenen Rechtskurve mitzunehmen. Ich fahre innen bis über den Curb auf Grünstreifen und Rasen und lasse mich wieder bis nach ganz außen tragen, wieder über den Curb hinaus bis an den Rand der regulären Strecke. Das Auto springt, schlägt, das Differenzial arbeitet, die Hinterreifen rutschen. Leichte, aber schnelle Gegenlenkbewegungen verhindern das Ausbrechen und den damit vorprogrammierten heftigen Abflug. Ähnlich verhält sich die Prozedur bei der folgenden Linkskurve. Im Auto dröhnt es unangenehm, der aufgewirbelte Staub setzt sich durch die minimal schlitzartig geöffneten Fenster im Cockpit fest, bereits jetzt hat die Innentemperatur die 50 Grad überschritten. Das hier ist kein Zuckerschlecken, es ist harte Arbeit. Nicht umsonst heißt es Motor-SPORT.

Das beweist auch die nächste Kurve: die gefürchtete Triple. Sie heißt so, weil sie eine Dreifach-Links ist. Man könnte sie auch Mutkurve oder Zerstörkurve nennen. Kurz vor der ersten Links fährt das Auto in den Begrenzer des vierten Ganges. Ich schalte nicht hoch, weil es sich nicht lohnt. Mit vollem Gaseinschlag biege ich in die Kurve ein. Das Auto wird unruhig, verpasst man hier minimal die Linie, kommt man auf den Dreck und fliegt ab. Nicht ein bisschen, sondern so richtig kräftig. Geht man bei den folgenden Kurven etwas zu viel vom Gas, weil man sich verschätzt hat, bricht das Auto aus und man fliegt ab. Ein Fronttriebler muss an der Kette gehalten werden, sonst kommt in der Kurve sofort und gnadenlos das Heck, es sei denn man fährt die weichgewaschene Presseversion. Ich habe zum Glück alles richtig gemacht, bleibe auf der Ideallinie. Jetzt heißt es ganz schnell das Auto gerade stellen, um für die direkt folgende Rechts anzubremsen. Darauf kommt die McDonalds Schikane, die ziemlich simpel zu beschreiben ist: Voll auf dem Gas bleiben, rechts bis zum Rand über den Curb, links bis zum Rand über den Curb und jeweils beten.

Dann kurz Bremse antippen und das Auto durch die Rechts ziehen. Jetzt kommt die etwas längere Gegengerade, das heißt kurz verschnaufen und nur die penetrant blinkenden Schaltblitze hinterm Volant beachten. Jetzt ist es fast geschafft, nur noch vier Kurven. Also erneut hart anbremsen, die Rechts-Linkskombination durchfahren. Das Auto kommt wieder weit raus, ungeübte Fahrer rutschen hier öfter links in die Mauer. Manchmal selbst geübte Fahrer. Die Schläge von der Welt jenseits des Curbs, von mir auch die Polo-Cup-Welt genannt, da im Polo Cup meist alles mitgenommen wird was geht, gehen heftig in den Rücken. Das Lenkrad lässt sich für einen Rennwagen noch immer butterweich und leicht bewegen, anstrengend ist es trotzdem. Höllisch anstrengend. Mein Körper beschwert sich, aber das Adrenalin dankt es mir in massiven Dosen. Jetzt nur noch anbremsen für die letzte Kurve und wieder den gesamten Schwung mitnehmen auf die lange Gerade, denn sonst verliert man hier sehr viel. Das Auto gibt alles. Ich auch. Gespannt schaue ich nach Überqueren der Zeitnahme auf das Display: 1.47. Jawohl, geschafft! Privat würde ich dann aber doch lieber den GT3 nehmen – es ist einfach weniger Arbeit…