Driven: Corvette ZR1 von GeigerCars

[imagebrowser id=607 template=artikel]

Für weniger als 140.000 Euro ist die fast 650 PS starke ZR1 zu haben. Wer sich mit dem US-Style anfreunden kann, zieht in der Vette den anderen Sportwagen eine lange Nase. evocars-Mann Fabian Mechtel ist mit der ZR1 von Importeur und Tuner GeigerCars auf Tuchfühlung gegangen.
München, da denkt man an Weißwurst, Wiesn und Weißbier, sowie Brezn, Leberkässemmel, Frauenkirche, Viktualienmarkt und den Englischen Garten. Natürlich auch an Dirndl und Lederhose. Doch eines vergisst man meistens: den V8. Dabei wird der Trip in Bayerns Hauotstadt doch erst mit einem Besuch in der Truderingerstraße 265 bei Importeur und Tuning-Schmiede GeigerCars vollkommen. Dort, wo das Benzin noch reichlich fließen darf, wo Leistung noch Leidenschaft und kein Stirnrunzeln entfacht, wo Männer wieder Kinder sein dürfen.

Tür an Tür stehen sie da, soweit das Auge reicht. Egal ob Camaro, Mustang, Challenger, Charger, RAM, F150, Hummer, Escalade, Corvette oder Cadillac – der Karl hat sie alle. Doch für uns hat er etwas ganz besonderes vorbereitet: die ZR1, mit der sein Team die 2010er Tuner-GP auf dem Hockenheimring gewonnen hat. Die aktuelle ZR1 ist ohne Zweifel die beste Vette aller Zeiten. Mit ihrem GFK-Body ist sie ihrem Karosserie-Konzept ebenso treu geblieben wie ihrem Blattfederlayout an der Hinterachse. Doch in Sachen Optik muss sie sich höchsten hinter den schönen Cruisern der C1- und C2-Generation verstecken, den halbstarken C3, C4 und C5 fährt sie geschmacklich weit davon. Das halbseidene Image hat sie nach und nach abgelegt, statt längs- kann sie nun auch noch sensationell querfahren und selbst in Sachen Verbrauch muss sich der Sportler aus Kentucky nicht mehr vor der Konkurrenz fürchten.

Doch eigentlich interessiert das bei der ZR1 nur am Rande. Denn in der Hauptsache geht es bei diesem grauen Monster um das kleine Wort unter der Modellbezeichnung: supercharged. Als ob 6162 Kubikzentimeter Hubraum verteilt auf acht Brennräume nicht auch saugend schon genug Leistung produzieren würden, montiert man ihm im Werk noch einen modernen Eaton TVS-Schraubenkompressor zwischen das Zylinder-V und lässt die Ansaugluft mit 0,72 bar Überdruck die Titanventile passieren. Das Ergebnis ist atemberaubend. 647 PS und 819 Nm schüttelt die Vette ganz lässig aus dem Ärmel und lässt damit beinahe die versammelte Riege der bekannten Sportler stehen. Höchstens Ausnahmetalente wie Ferrari 599, Porsche GT2 RS oder Lamborghini Murciélago LP 670-4 Super Veloce haben eine Chance gegen die große Vette.

Dabei hat das Fahren mit der ZR1 so gar nichts Außergewöhnliches. Die Kupplung kommt zwar nachdrücklich, aber weder ist ein besonders starker Tritt erforderlich, noch muss man den V8 mit Gaseinsatz vor dem Absterben bewahren. Innerorts wirken höchstens die gewaltigen Ausmaße und damit die Unübersichtlichkeit von Motorhaube und Hinterteil etwas problematisch. Das Aggregat indes verhält auch beim Stop-an-Go vorbildlich und blubbert entspannt vor sich hin. Überhaupt fühlt sich in der Corvette nichts nach Askese an. Zwar hat der Geiger-Karl die kommoden Serienstühle gegen ein paar Schalenexemplare aus dem Motorsport getauscht, doch Klimaautomatik, Head-up-Display und sämtliche weiteren Komfort-Features sind weiterhin an Bord des US-Sportlers.

Wenn aber das Ortsschild fällt und der lichte Verkehr die Landstraßen der Münchner Peripherie freigibt, muss der Fahrer nur noch drei Dinge tun: Knöpfchen am Schalthebel drücken (öffnet das Bypass-Ventil an der Auspuffanlage), Schalthebel in den Zweier lupfen und dann das Fahrpedal in den Endanschlag bringen. Was dann passiert ist mit Worten nur schwer zu beschreiben. Hat man das Winden nach Traktion („snaken“) der Hinterachse in den Griff bekommen, ist dem sich plötzlich in Zeitlupe bewegendem Daewoo Matiz ausgewichen und hat die Fuhre nach erreichen des Drehzahlbegrenzers im Dreier wieder zusammengebremst, spielt sich in der Blutbahn des Fahrers unglaubliches ab. Es ist ein Cocktail aus Endorphin, Adrenalin und einem gehörigen Schuss Testosteron, der bei Zartbesaiteten wohl auch zur Ohnmacht langt – bei Ungeübten verursacht es zumindest weiche Knie. Und dabei sind wir nur geradeaus gefahren.

Aber München-Trudering ist leider nicht die Eifel und Hatzenbach, Ex-Mühle wie auch Kallenhard sucht man vergebens. Einzig bei einer schnellen Platzrunde um das lokale Kieswerk kann das Kurventalent des kompressorgeladenen Supersportlers aufblitzen. Die Corvette biegt dank der 285er Bereifung an der Vorderachse nicht nur sehr direkt ab, sie dreht sich beim Gaslupfen auch freudig in die Kurve. Zwar könnte die Lenkung ein wenig spitzer reagieren, aber wem sie zu wenig Agilität bietet, der kann sich dank der 819 Nm und einem Lamellensperrdifferenzial auch auf eine lenkende Hinterachse verlassen. (Fahrern, bei denen eine lebendige Hinterachse für geweitete Augen und feuchte Handflächen sorgt, sei gesagt, dass die Kombination aus Active Handling System und 325mm messenden Michelin Pilot Sport an der Hinterhand in den meisten Fällen für eine sichere Seitenführung sorgt.)

Zurück auf dem Hof fällt der Blick auf das Äußere der ZR1. Sie verkneift sich die große Show und nur der Carbonspoiler vorne, das Leichtbaudach, sowie die riesigen Keramikbremsscheiben zeugen vom Topmodell. Die schnelle Vette ist gerade im dunklen Grau des Testwagens nicht mehr so aufreizend und polarisierend wie früher.

Beim Preis bleibt jedoch alles beim Alten: mit 135.990 EUR Listenpreis ist die ZR1 wie ihre Vorgänger ein echtes Sonderangebot. Die fahrleistungstechnische Konkurrenz kostet meist mehr als das doppelte und die Gegner aus dem Preisumfeld um 120.000 EUR können der 330km/h schnellen Amerikanerin das Wasser bei Weitem nicht reichen. Noch günstiger geht es sogar bei den Lagerfahrzeugen in Trudering, für 129.990 EUR verkauft Karl Geiger noch zwei Fahrzeuge aus dem aktuellen Modelljahr. Ohne Zulassung und ohne Kilometer – dafür mit viel Fahrspaß. Nicht nur in und um München!

Technische Daten
Modell: Corvette ZR1
Motor: Kompressor-V8, 6162 ccm
Leistung: 647 PS bei 6.500 U/min
Drehmoment: 819 Newtometer bei 3.800 U/min
Antrieb: Heckanrieb, Sechsgang-Handschaltung
Gewicht: 1.528 kg
Verbrauch: 14,9 Liter / 100 km
0-100 km/h: 3,4 sek.
Vmax: 330 km/h
Preis: ab 135.990 Euro