Driven: Audi RS3 Sportback

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Nah dran am perfekten Hot Hatch und der schmächtigen Konkurrenz aus Focus RS, Golf R und Co. weit überlegen – evocars ging mit dem 340 PS starken RS3 auf Tuchfühlung.

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Baaam, Baaam… unerbittlich reisst einen der Allradantrieb nach vorne, begleitet von diesem betörend heiseren Klang des 2,5-Liter-Fünfzylinders. Das Siebengang S tronic Doppelkupplungsgetriebe schaltet blitzschnell, knochentrocken und ohne Zugkraftunterbrechung und der Fahrer kommt fast nicht nach, dem äußerst drehwilligen Fünfender per Zug an der rechten Schaltwippe die nächste Getriebewelle zu geben. Beeindruckend? Oh ja, aber dann kommt die erste Kurve und da passiert es: Gänsehaut! Denn kaum hat man den Vierkolben Anker auf die 370 Millimeter Bremscheiben geworfen und dabei kurz an der linken Schaltwippe gezogen, durchleben die Insassen ein perfekt von den Audi Akustikern inszeniertes Konzert der dramatischen Extraklasse. Die fünf Trompeten jubilieren nach dem Impuls der Schaltwippe zuerst einen kurzen Gasstoß in die doppelflutige Abgasanlage, um nach dessen Abflauen ein markerschütterndes Gurgeln aus den Tiefen des Endschalldämpfers folgen zu lassen.

Doch das ist nur die eine Seite des aktuell aberwitzigsten Fahrzeuges in der Kompaktklasse, dem Audi RS3. Seine 340 PS können nämlich auch anders. Sporttaste aus, ESP an, den Wählhebel der S tronic von S auf D geschoben und aus dem wahnsinnigen Mr. Hyde wird ein handzahmer Dr. Jekyll. Und ein praktischer noch dazu. Seine vier Türen sind nämlich nicht nur eine Reminiszenz an die ersten RS-Modelle Namens RS2 und RS4, die nur als Avant angeboten wurden, sondern auch der Beweis, dass der Antrieb des Audi TT RS in einem anderem Umfeld nicht nur seinen Reiz beibehält, sondern auch noch den Nutzwert steigert.

Doch wer möchte beim Anblick des auf dem Audi A3 Sportback aufbauenden Sportlers über den Nutzwert nachdenken? Alleine der Basispreis von 49.900 Euro verbietet dies und der Blick auf die Audi-typische Liste der Sonderausstattungen vertreibt die letzten Zweifel. Dieses Auto wird nicht aus der Vernunft heraus gekauft, hier geht es ausschließlich um Fahrdynamik und die ist beeindruckend. In der Längsrichtung zum Beispiel wird dieser – trotz riesiger Kühlluftschlünde – immer noch relativ unspektakulär daherkommende Kompaktwagen den einen oder anderen Sportwagenfahrer nachhaltig ins Grübeln bringen. In 4,6 Sekunden beschleunigt der Audi RS3 auf 100 km/h und liefert dabei zwischen 1.600 und 5.300 U/min konstant massive 450 Newtonmeter Drehmoment. Die Aerodynamik kann den Ingolstädter bei diesen Leistungswerten bei 250 km/h schon lange nicht mehr stoppen. Das macht politisch korrekt die Motorelektronik.

Doch auch die Querdynamik steht diesen imposanten Werten in nichts nach. Selbst mit ausgeschaltetem ESP kann man den Allradler kaum aus der Ruhe bringen und im Gegenzug aberwitzige Kurvengeschwindigkeiten erzielen. Um dies zu erreichen, haben sich die Entwicklungsingenieure eines simplen Tricks bedient, der im ersten Augenblick irritiert, aber bei der Kurvenhatz um so mehr beeindruckt: Der Viertürer trägt an der Vorderachse serienmäßig 19 Zoll Räder, die mit einer Breite von 235 Millimeter exakt 10 Millimeter breiter ausfallen, als die an der Hinterachse. Damit wird der bauartbedingte Nachteil des im RS3 verwendeten Allradantriebes mit elektronisch geregelter Lamellenkupplung am hinteren Differenzial und elektronischer Differenzialsperre an der Vorderachse – das bekannte Untersteuern – fast komplett eliminiert.

Beim Hineinbremsen in eine Kurve bleibt der Kompaktsportler auch bei einem provozierten Schaltvorgang extrem stabil, um dann ab dem Kurvenscheitelpunkt mit unfassbarer Spurtreue Geschwindigkeit bis zum nächsten Bremspunkt aufzubauen – und das komplett ohne irgendeine Form von spürbaren Antriebseinflüssen in der Lenkung. Selbst mit Gewalt will der RS3 am Kurveneingang nicht über die Vorderräder schieben und am Kurvenausgang unter Vollast keinen Heckschwenk vollführen. Das schafft Vertrauen und macht unbemerkt unglaublich schnell.

Viel Lob für ein Auto, das in seiner Basis bereits in das neunte Produktionsjahr geht. Doch das Ingolstädter Kraftpaket hinterlässt auch Fragen. Zum Beispiel: Warum nur ist das faszinierende Antriebsaggregat des RS3 nicht mit einem manuellen Schaltgetriebe orderbar? Denn ausgerechnet dieses technische Filetstück des kompakten Über-Audis hinterlässt in manchen Situationen einen faden Beigeschmack: Es entkoppelt den Fahrer zu stark vom reinen Fahrgeschehen. Im normalen Fahrbetrieb ist dieser Sachverhalt nicht weiter störend, doch genau dann, wenn man die Rechtfertigung des Kürzels RS erfahren möchte, fehlt der Siebengang Schaltbox die sonst so typische Audi Perfektion.

Das bedeutet: Auch im manuellen S Modus hält die S tronic beim Erreichen des Drehzahlbegrenzers den Gang nicht, sondern schaltet automatisch in die nächsthöhere Stufe. Im Gegenzug verweigert das Doppelkupplungsgetriebe jedoch immer wieder den Schaltprozess, wenn er dringend erwünscht wird, beim Runterschalten. Meistens ist das Drehzahl Niveau des Motors nur wenige Umdrehungen zu hoch, die Folgen jedoch eklatant: Man zieht mehrmals verzweifelt an der Schaltwippe, durchrollt letztendlich eine Kurve in einem zu hohen Gang und fällt dann beim wiederbeschleunigenden Tritt auf das Gaspedal in ein Turboloch. Was fehlt, ist also eine Gangvorwahl und dazu – wenn wir schon beim formulieren von Wünschen sind – größere oder am besten gleich feststehende Schaltwippen, denn speziell in Spitzkehren und engen Kurven, die ein Umgreifen beim Lenken erfordern, verliert man schnell den Überblick, wo sich gerade die benötigte Schaltwippe befindet.

Jedoch sind diese von evocars formulierten Wünsche ein Jammern auf höchstem Niveau, denn Audi hat mit diesem Fahrzeug eins erreicht: Der RS3 definiert eine neue Dimension in der Klasse der Kompaktsportler, noch weit oberhalb der arrivierten Mitbewerber mit Namen Ford Focus RS, Renault Mégane R.S. und VW Golf R. Er kann alles eine Spur besser und schneller. Selbst seine knapp 1,6 Tonnen Lebendgewicht können ihn dabei nicht stoppen und seine Materialanmutung und Verarbeitungsqualität sind sowieso über jeden Zweifel erhaben. Hätte dieser Audi jetzt noch die leichte Hecklastigkeit des Allradantriebes, wie sein großer Bruder RS5, wäre der RS3 nahe dran am Begriff „perfekt“. Wie perfekt der Ingolstädter im nackten Zahlenvergleich ist, kann zukünftig nur ein Vergleichstest gegen den einzigen echten Konkurrenten liefern. Der kommt aus dem nur wenige Kilometer entfernten München, heißt BMW 1er M Coupé, kostet fast das gleiche und hat auch 340 PS. Alles dazwischen sind Emotionen und persönliche Vorlieben. Und das ist auch gut so bei diesem höllischen Hot Hatch für fast 50.000 Euro.

Technische Daten
Modell: Audi RS3 Sportback
Motor: Fünfzylinder Turbo-Benziner, 2480 ccm
Leistung: 340 PS bei 5400-6500 U/min
Drehmoment: 450 Nm bei 1600-5300 U/min
Antrieb: Allrad, Sieben-Doppelkupplung (S tronic)
Gewicht: 1650 Kg
Verbrauch: 9,1 Liter / 100 Km Super+
0-100 km/h: 4,6 sek.
Vmax: 250 km/h (abg.)
Preis: ab 49.900 Euro