Schnell, schneller, Mercedes: Schon bevor sich die Formel-1-Fahrer mit ihren Boliden fürs Qualifying fertig machen, stehen für die meisten Experten und Millionen von Fans die Sieger fest. Die Silberpfeile gelten nicht erst seit dieser Saison als die leistungsstärksten Rennwagen der Königsklasse, und mit Lewis Hamilton als Pilot des ersten Wagens sitzt zudem das fahrerische Ausnahmetalent dieser Generation hinter dem Lenkrad.
Der Brite hat nicht nur den lange gehaltenen Rekord von Michael Schumacher gebrochen, was die Anzahl der Grand-Prix-Siege anbelangt, er ist seit dem Großen Preis der Türkei zudem gleichauf mit Schumi, was die Zahl der Weltmeistertitel betrifft. Seit 2014 hat Mercedes jedes Jahr den Titel geholt, wenn auch statt Hamilton sein deutscher Teamkollege Nico Rosberg ausnahmsweise ganz oben auf dem Podium stand. Kein Wunder, dass bei den Motorsportwetten Hamilton und sein Teamkollege Valtteri Bottas in jedem Rennen als haushohe Favoriten gelten.
Damit haben sich die Silberpfeile auf den vierten Platz unter den erfolgreichsten Konstrukteuren aller Zeit vorgeschoben. Dass sie trotz Ausnahmefahrern und ausgefeilten Motoren unter der Haube der genauso ausgeklügelten Boliden nicht weiter vorn liegen, hat einen einfachen Grund: Mercedes hatte sich 1957 nach vier Rennsaisons in der Formel 1 für mehr als ein halbes Jahrhundert aus der Königsklasse zurückgezogen und ist erst seit 2010 mit einem eigenen Rennstall wieder aktiv dabei.
Dabei sind die technischen Spezifikationen für die Motoren streng vorgegeben. Unter der Haube muss ein 1,6 Liter V6 Turbo-Hybrid stecken. Das sind pro Zylinder gerade einmal 266 Kubikzentimeter Hubraum, die in enorme Leistung an Pferdestärken umgewandelt werden müssen. Was die genaue PS-Anzahl anbelangt, hüllen sich die Teams in Schweigen, aber die 1000-PS-Marke soll längst geknackt worden sein. Je nach befragtem Experten haben entweder die Silberpfeile in der Hinsicht die Nase vor oder aber die italienischen Boliden von Ferrari. Mercedes gewinnt laut veröffentlichten Daten auf jeden Fall, was den Treibstoffverbrauch anbelangt, während Ferrari auf einen geringeren Luftwiderstand seiner Fahrzeuge hinweist.
Während Mercedes eine lange Pause in der Formel 1 eingelegt hatte, ist der italienische Hersteller seit den Anfangstagen der Königsklasse ununterbrochen dabei. Mit 16 WM-Titeln und 238 Grand-Prix-Siegen, die zu einem erheblichen Teil auf seinen Superstar Michael Schumacher zurückzuführen sind, steht Ferrari unangefochten an der Spitze, gefolgt von den britischen Konstrukteuren Williams und McLaren mit neun, beziehungsweise acht Titeln.
Schon bei den ersten Rennen 1950 und 1951 konnten die Fahrer alles entfesseln, was unter der Haube steckte. Das war einiges: Gewaltige 4,5 Liter Saugmotoren oder 1,5 Liter Hubraum mit Aufladung durften die Rennwagen besitzen. Ferrari entschied sich für einen Zwölfzylindermotor, um das erlaubte Volumen auszuschöpfen. Alfa Romeo beließ es bei einem Reihen-Achtzylinder, der es durch einen Kompressor auf sage und schreibe 430 PS brachte. Allerdings verbrauchte der Alfa auch jede Menge Sprit, so dass während einiger Rennen nachgetankt werden musste.
Danach wurden die Motoren abgespeckt, was vor allem an der Nachkriegsknappheit an Formel-1-Fahrzeugen lag, die die hochgezüchteten Motoren besaßen.
Erst ab 1954, dem Jahr, in dem Mercedes seinen ersten Auftritt hatte, wurde wieder richtig Vollgas gegeben, und die Boliden durften 2.500 Kubikzentimer Hubraum besitzen. Bei den Silberpfeilen wurden diese durch einen Reihen-Achtzylinder erzeugt, der auf 290 PS kam und jahrelang als Maßstab galt. Erst 1959, zwei Jahre nach dem vorübergehenden Abschied von Mercedes aus der Formel 1, knackte Ferrari mit einem V6-Motor die 300-PS-Grenze. Zu ihrem Leidwesen mussten die Italiener feststellen, dass Pferdestärken nicht alles waren. Trotz des leistungsstärksten Motors mussten sie 1959 und 1960 zusehen, wie der 60 PS schwächere Cooper Climax als Sieger über die Ziellinie fuhr. Der Grund: Der Motor war nicht vor, sondern hinter dem Fahrer eingebaut.
Innovation, abgewechselt mit Sicherheitsgesichtspunkten, blieb lange Zeit das Motto der Formel 1, wenn es um die Änderung der technischen Spezifikationen ging. Von 1,5 Liter Motoren ohne Aufladung über drei Liter Hubraum oder 1,5 Liter mit Turboladern, bis zu Wankelmotoren und Gasturbinen prägten stets neue Regelungen die Zeit von den 60 Jahren bis Mitte der 80er. Dabei bekam Ferrari bei den Motoren ernstzunehmende Konkurrenz unter anderem von Ford, BMW, Honda und Renault. Vor allem Ford-Maschinen unter der Haube von McLaren, Lotus und Williams machten den Italienern zu schaffen. Ab der zweiten Hälfte der 80er Jahre waren es plötzlich Honda-Motoren, die Williams und McLaren zum Erfolg fuhren.
Die Italiener rieben sich die Augen, als 1987 und diverse Jahre in den 90ern die unscheinbaren Williams-Fahrzeuge die Rennstrecke beherrschten. Der flache, aerodynamische FW 18 holte 1996 aus seinem Renault-Zehnzylinder 750 PS heraus und brachte es auf nur drei Ausfälle in 16 Rennen. So zuverlässig war kein zweiter Bolide.
Ferrari konzentrierte sich auf die Entwicklung und den Erhalt seiner gefährdeten Krone. Im Jahr 2000 schlug seine neue Sternstunden, mit dem F2002. Das als Schumachers bestes Weltmeisterauto geltende Fahrzeug war das Ergebnis von 8.000 Stunden im Windkanal und 90.000 Testkilometern. Ferrari gewann die Saison mit 221 Punkten Vorsprung.
Zuverlässigkeit in Verbindung mit größtmöglicher Sicherheit ist heute der Schwerpunkt, wenn es um die Entwicklung der neuen Motoren geht. Insofern ist nicht zu erwarten, dass BMW um seinen Rekord aus den 80er Jahren zittern muss. In den Qualifikationsrunden soll der Vierzylinder-Turbo aus Bayern damals 1430 PS ereicht haben, die für das eigentliche Rennen gedrosselt wurden.
Die neuen Motorenregelungen gelten seit 2014. Seitdem gilt: schnell, schneller, Mercedes.