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Audi S8 plus: Abschiedstour mit dem Feuerstuhl aus Ingolstadt

Ich erinnere mich noch gut an den dunkelgrünen Audi S8 der Baureihe D2, auf dessen beigefarbenen Recaro-Sportsitzen – damals der letzte Schrei in einer Luxuslimousine – ich einen Teil meiner Kindheit verbrachte. Das 340 PS starke Gefährt, seine unerschütterliche Qualität und nicht zuletzt die Begeisterung meines Vaters, der den „ersten viertürigen Porsche 911“ als jungen Gebrauchten vom örtlichen Audi-Zentrum erwarb, prägten gehörig.

Nun, beinahe 20 Jahre später, stehe ich vor dem imaginären Nachfolger. Die S8-Abzeichen an Front und Heck, unverkennbare Merkmale des Top-of-the-range-Modells aus der Audi-Produktreihe, gibt es immer noch, die Seitenlinie und Form der Fenster ist fast unverändert, doch in Breite und Länge hat der S8 der Baureihe 4H ordentlich zugelegt im Vergleich zum 1994 erstmalig vorgestellten A8 4D. Zu Anfang mochte ich den 4H nicht, er war mir zu groß, zu unförmig, zu überladen. Das Facelift vor knapp vier Jahren tat ihm gut, es straffte die Karosserie, verlieh ihm Kraft auch im Stand. Die mattsilberne Lackierung unseres Testwagens (Florettsilber, 5.390 Euro) tut ihr Übriges dazu, ebenso das serienmäßige schwarze Optikpaket, das allerdings für einen Wagen dieser Klasse ein wenig Fehl am Platze wirkt. Wir würden einen dunklen Farbton – Dunkelgrün zum Beispiel, siehe oben – mit hellen Akzenten bevorzugen.

Abgesehen davon gibt sich der S8 selbst in seiner stärksten Ausbaustufe „plus“ so dezent wie es seine Vorgänger auch schon waren, hält hinterm Berg mit Leistung und Luxus, geht für den gemeinen Betrachter als „silberner Audi“ durch. Dass Audi sich nicht traute, einen RS8 zu bringen, muss man ihnen in dem Zusammenhang schon fast zugutehalten, andere gehen da viel unbeklommener heran: ein Mercedes-AMG S63 oder auch der neue BMW M760Li geben schon alleine durch ihren optischen Auftritt jedem zu verstehen, was er hier vor sich hat: Power, Größe und Luxus im Überfluss. Der S8 plus hat derlei Spirenzchen nicht nötig: vier nicht übermäßig große Endrohre in Schwarz, ein paar wenige Carbon-Applikationen – die auffälligste davon ist die Abrisskante auf dem Heckdeckel (800 Euro) – sowie erwähntes Optikpaket in Schwarz müssen genügen. Selbst einen „plus“-Schriftzug suchen wir vergebens. Wer nicht unbedingt jedem auf die Nase binden möchte, was genau er hier fährt, dürfte in der Luxusklasse mit dem S8 plus noch am besten bedient sein.

Der Kenner entlarvt das Modell mit den 85 Zusatz-PS womöglich erst im Innenraum, wo serienmäßig rote Ziernähte auf dem voll belederten Armaturenbrett und den vorzüglichen Sportsitzen mit Kreuzsteppung sowie Carbon mit eingelassenem roten Faden auf die Passagiere warten. Wir erinnern uns: auch der erste S8 hatte als Standardausstattung Zierleisten aus Carbon – damals mit blauem Faden – doch nach unserem Empfinden passt ein ordentliches Pfund Holz besser in einen Wagen dieser Klasse. Nicht zuletzt, um dem unsäglich kratzempfindlichen Mitteltunnel in Lack Schwarz zu entgehen. Dem sollte man sich besser nur mit weißen Stoffhandschuhen nähern.

Im Innenraum empfängt den Audi-Routinier ansonsten ein bekanntes Ambiente, die wichtigen Bediensatelliten sind wie vor zwanzig Jahren noch an ihrem Platz, Klimaanlage und MMI samt ausfahrbarem Bildschirm sind nach kurzer Eingewöhnung schnell erschlossen. Glücklicherweise verzichtet Audi nicht wie andere Hersteller auf eine ordentliche Anzahl an Knöpfen, ebenso künden zu unserer Freude zwei analoge Rundinstrumente von Drehzahl und Geschwindigkeit. Lediglich der fummelige Wählhebel irritiert, ist dank schwarzer Lackierung nach der ersten Fahrt ohne Stoffhandschuhe sofort eingesaut und dazu so ziemlich das unsportlichste, was wir je in einem Auto angefasst haben. Dies soll sodann aber auch das letzte Mal Kritteln am Innenraum sein, an dem wir sonst nichts zum Aussetzen fanden: nachdem sich die Türen mit sanftem Schmatzen in Position gezogen haben, herrscht dank Doppelverglasung (samt abgedunkelten Scheiben für 930 Euro) Ruhe im S8, die Verarbeitung der vielen Kuhhäute ist an allen Stellen auf höchstem Niveau, lediglich – ok, einmal noch – die Koppelung von iPhone 7 und MMI verhielt sich sowohl per Bluetooth als auch über das Audi Media Interface ziemlich störrisch und verweigerte mehr als einmal ihren Dienst.

Nachdem ich die zigfach verstellbaren Sitze und mich positioniert habe, starte ich den Vierliter-V8-Biturbo und bin – beim ersten Hören – etwas enttäuscht: leise säuselt das 605 PS-Aggregat vor sich hin, vom klassischen V8-Sound, wie er vielleicht zu erwarten wäre, ist relativ wenig zu hören. Außen beim Kaltstart wird es etwas besser, aber selbst ein SQ7 V8-Diesel klingt wesentlich eindrucksvoller. Doch erneut klopft Altvater S8 D2 auf die Schulter: großer akustischer Auftritt war noch nie die Stärke von Audis Sportlimousinen, sie blieben so dezent im Hintergrund wie es ihre Optik ebenfalls war. Schnell stellt sich deshalb das wohlige Gefühl von Vertrautheit ein und anders als bei der Konkurrenz umgibt den S8 nicht die Aura der unnahbaren Luxuslimo.

Dieses Gefühl bleibt auch auf den ersten Metern im Stadtverkehr erhalten, wiewohl man natürlich den Fortschritt von rund zwanzig Jahren an jeder Ecke und Ritze des S8 plus merken muss: bemerkenswert ist die Ruhe im Inneren des Autos, das Außengeräusche mehr als ordentlich eliminiert. Trotz der beachtlichen Länge fährt sich der S8 überraschend wendig und vermittelt nicht das Gefühl, ein über fünf Meter langes Auto durch die Gegend zu fahren – und reiht sich so nahtlos in die Rige seiner Vorgänger ein. Lediglich die Übersicht, insbesondere nach hinten, ist höchstens mäßig, die Rückfahrkamera (490 Euro) oder zumindest eine Einparkhilfe (Serie) sind unumgänglich, die Umgebungskameras (Front, Heck, Spiegel für insgesamt 1.220 Euro) jedoch verzichtbar.

Allzu häufig soll es auf unserer Abschiedstour ohnehin nicht zurück gehen. Deshalb gibt es am Ortsende das bekannte Spiel: pedal to the metal! Und wie der im Vergleich zum normalen V8 im S8 mit größeren Ladern bestückte Vierliter-Achtzylinder die gut 2,2 Tonnen Limousine samt Inhalt nach vorne katapultiert, ist wahrhaftig beeindruckend. Während man beim Standard-Vierliter-Biturbo stets das Gefühl hatte, einen etwas zu kleinen aber dazu umso größer aufgeblasenen Motor zu bewegen, existiert dieses im S8 plus nicht mehr. Fast unmerklich und beinahe so schnell wie ein Doppelkupplungsgetriebe sortiert die ZF-Achtgangautomatik die Gänge, ab 1.800 Umdrehungen pro Minute stellt der Biturbo sein maximales Drehmoment von 750 Newtonmetern zur Verfügung. Der Druck, der auf den Gasbefehl folgt, lässt keinen Mund so lange trocken. Wir maßen eine Beschleunigung von 3,6 Sekunden auf Landstraßentempo, aber auch auf der Autobahn findet man im S8 plus so gut wie keinen Gegner, der bei dieser motorischen Übermacht nicht kleinbeigeben muss. Und die Gegner, die es damit noch aufnehmen könnten, fahren viel zu selten auf der Autobahn umher. Stellt sich mal wieder einer der notorischen Linksfahrer in den Weg, ist man froh um die serienmäßige Keramikbremse, die mit überaus guter Dosierbarkeit und enormer Bremsleistung beim kräftigen Tritt auf das linke Pedal glänzen kann.

Die Bundesautobahn ist dann auch das Revier, in dem der S8 plus seine Überlegenheit am souveränsten ausspielen kann. Das Getriebe hält die hohen Gänge verhältnismäßig lang und spielt so mit dem beträchtlichen Drehmoment, was eine ordentliche Portion Gelassenheit versprüht und nichtmal zwingend animiert, ständig die Höchstleistung abzurufen. Auch das in zwei Stufen verstellbare Fahrwerk ist über jeden Zweifel erhaben, in der sportlichen Einstellung „dynamic“ ist es ordentlich straff, doch wir erwarten bei einem S8 auch keine Sänfte. Den „comfort“-Modus sollte man tunlichst vermeiden, wenn man eine kurvige Autobahn ein wenig schneller nehmen möchte: hier wird der große Audi schnell schwammig und der Vorderwagen lässt unerwünschte Horizontalbewegungen zu, die wenig Sicherheit vermitteln. In „dynamic“ hingegen sind wir wieder zufrieden: auch bei Tempi über 250 zieht der Allradler stoisch seine Bahn.

Was wir jedoch erwarten, ist ein ordentlicher Spagat zwischen souveränem Autobahnauftritt und Spaß bei der Hatz auf der Landstraße. Und dem letzteren steht sich der stärkste aller jemals gebauten S8 ein wenig selbst im Weg. Nicht nur, dass man sich beim Ausreizen der Motorleistung ständig im nicht mehr legalen Bereich bewegt, auch das hohe Gewicht des Zweitonners macht sich zumindest in Kurven mit engeren Radien sehr bemerkbar und gegen die dann folgende Seitenneigung können auch die mit aufblasbaren Seitenwangen bestückten Sitze nichts mehr machen. Grenzen setzen in unserem Test sicherlich auch die noch aufgezogenen Pirelli Sottozero-Winterreifen, die bei Temperaturen über 14 Grad auch nicht mehr im optimalen Bereich arbeiteten. Doch für die spaßige Fahrt über Straßen unterhalb einer gut und breit ausgebauten Bundesstraße ist der S8 plus nicht gemacht – das kann die Konkurrenz in Form von Porsche Panamera und Maserati Quattroporte immerhin ein Stückchen besser. Jammern auf hohem Niveau, wir wissen es. Schließlich dürften die wenigsten S8 plus zu diesem Zweck gekauft werden.

Fazit

Wer letzten Endes bereit ist, mindestens 147.900 Euro (und damit immerhin gut 28.000 Euro mehr als für den normalen Audi S8, nicht ausstattungsbereinigt) für den Luxusliner für den Selbstfahrer über den Ladentisch zu schieben, wird sich auch über den Spritverbrauch nicht mokieren, der bei forcierter Gangart gut und gerne bei 20 Litern Super Plus im Durchschnitt lag – weniger als 11 Liter waren lediglich bei äußerst sanfter und zurückhaltender Benutzung des rechten Pedals möglich. Doch ein S8-Käufer macht keine Kompromisse und wer sich eine viertürige Luxuslimo mit den Leistungsdaten und dem Preis eines 911 turbo zulegt dürfte wissen, was er da tut. Das war auch schon vor zwanzig Jahren so. Mal sehen, ob das auch auf das neue Modell zutrifft, das noch in diesem Jahr vorgestellt werden soll.

Galerie
Technische Daten*

Modell: Audi S8 plus 4.0 TFSI quattro
Motor: Achtzylinder-V, Biturbo, 3.993 ccm
Leistung: 605 PS (445 kW) zwischen 6.100 und 6.800 U/min
Drehmoment: 750 Nm zwischen 1.750 und 6.000 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (ECE): 10,0 l SP/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 3,8 s
Höchstgeschwindigkeit: 305 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 5,15 m/1,95 m/1,46 m
Gewicht: 1.945 Kg
Grundpreis: 147.900 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 20/31/30

*Herstellerangaben

Fotos: Felix Maurer für evocars