Es ist ein bisschen außergewöhnlich. Denn wo der Proceed früher – als man ihn noch ein bisschen anders schrieb – der Dreitürer mit der ambitionierten Sportler-Note war, ist er heute der Schöne. Ein schlankes, flaches Ding mit fünf Türen inklusive der großen Heckklappe.
Er ist ein Shooting Brake, also: ein schöner Kombi. Vergleichbar etwa mit dem Mercedes-Benz CLA Shooting Brake, dem er auch in der Größe außen wie innen sehr nah kommt. Und obwohl die Unterschiede zu seinen Kompakt- und regulären Kombi-Brüder nur sehr subtil sind, so lässt die flachere Silhouette und die etwas gewachsene Gesamtlänge den Proceed doch deutlich aus der Reihe fallen.
Denn er ist ein wirklich schönes Auto.
Besonders das Heck. Fein modellierte Rundungen, eine edel durchgezogene LED-Lichleiste – es könnte im ersten Moment auch als Porsche Panamera durchgehen. Und das ist als Kompliment zu verstehen.
Wir sind den Kia Proceed als GT gefahren. Da kommt er dann mit sportlicherer Optik, größeren Lufteinlässen an der Front, einer mächtigen Bremse mit roten Sätteln unter 18 Zoll-Felgen und tiefergelegtem Chassis und einem feinen, die eckigen Doppelrohre umgreifenden, Diffusor am Heck. Doch noch wichtiger als die Optik: 204PS aus 1.6 Litern stecken im GT unter der Haube, verwaltet von einem modernen 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe.
Und der Motor ist es auch, der den Fahreindruck dominiert.
Das liegt vor allem an seinem Geräusch. Denn das ist überraschend gut. Man erwartet von einem 1600er ja nicht mehr wirklich viel. Die Zeiten, in denen sich die kleinen Vierzylinder das Gemisch durch vier Vergaser in die Brennräume ziehen durften sind lange vorbei – und damit auch die Momente des wunderbaren Ansaug-Tremolos.
Heute, in der tristen vorschriftengewürgten Großserie, bleibt meist wenig Ton. Und das letzte bisschen dämpft dann der Turbolader, bis aus dem Ottopartikelfilter nur noch ein ganz laues Lüftchen weht. Wenn überhaupt irgendetwas tönt, dann künstlich gemixter Sound über die Lautsprecher im Innenraum, oder ein in den Auspuff montierte Aktuator. Man entlarvt derlei Kunst aber meist schnell und ist entsprechend frustiert.
Deshalb begeistert der kleine Proceed GT umso mehr. Schon beim ersten Kaltstart trifft er kehlig ins Herz. Ein fröhliche Modulation, überraschend tieffrequent und voluminös. Beim Beschleunigen bleibt das Lächeln im Gesicht: dank ein paar sauber gesetzten Resonanzen im Drehzahlkeller wirkt der GT akustisch weit hubraumstärker, als er tatsächlich ist.
Es passt dann auch gut zum Gesamtcharakter des stärksten Proceed-Modells. Denn mit knapp sieben Sekunden für den Sprint auf 100km/h und einer Höchstgeschwindigkeit von 230km/h ist der GT durchaus potent. Zwar reißt sein T-GDI-Motor mit seinen 265Nm keine Bäume aus, aber im Alltag ist er für die meisten Späße zu haben. Kleine Zwischensprints sind nicht zuletzt dank des fein abgestuften und schnell reagierenden Doppelkupplungsgetriebes zügig erledigt.
Das Fahrwerk spielt hier den idealen Partner. Die Sportversion liegt zwar nur 5mm tiefer als die anderen Proceed-Modelle, die etwas strafferen Federn sorgen in Kombination mit geänderten Stabilisatoren aber dafür, dass der elegante Kia weiterhin auf der komfortablen Seite bleibt, der schnellen Kurve aber nicht abgeneigt ist. Sicher, dass Lenk-Feedback mag in einem Panamera ein anderes sein, aber im Sport-Modus liegt das Volant angenehm schwer in der Hand und es macht Spaß den Proceed GT durch die Kurven zu balancieren.
Die Abstimmung ist zwar generell konservativ untersteuernd und doch: wer nach dem Einlenken ein bisschen das Gas lupft, der spürt wie der GT sich ein bisschen in die Kurve eindreht. Denn er kann das. Er weiß wie es geht. Und doch lässt er das Talent nur durchscheinen, weil er weiß, dass es im Alltag mehr stört als nutzt. Und wenn der Helm brennt, dann macht reagiert er dennoch auf die richtigen Befehle.
Der Kia Proceed GT ist ein feiner Allrounder und mehr als eine willkommene Abwechslung. Er ist das Auto für jeden Tag. Egal welcher Tag. Ob die Pendelei ins Büro mit heftigem Stop&Go. Ob die Urlaubsfahrt mit vollen 594 (!) Liter Gepäckraum, oder die schnelle Runde über Land zum Rauskommen, Runterfahren, Ablenkung finden. Der GT macht das alles – und er macht es gut.
Vor allem auch, weil er sich an unsere ewige goldene Regel hält: „Ein gutes Auto braucht alleweil nur folgende Extras: eine gute Heizung, vernünftige Sitze, gute Geräuschdämmung, ein starkes Soundsystem und, natürlich, Automatikgetriebe.“
Denn das 8-Kanal JBL System im Proceed glänzt zwar nicht mit mächtigen Werten im Hochglanzprospekt, die 320 Watt des digitalen Achtkanal-Verstärkers befeuern aber ein intelligent abgestimmtes System, dass dank der auf dem Armaturenbrett montierten Höchtöner und 80mm Center-Speaker eine schöne Bühne neben das Kickbass-Fundament der vier in den Türen verbauten 165mm Tieftöner zaubert. Der ebenfalls 165mm Subwoofer im Kofferraum macht seinen geringen Durchmesser durch eine 200mm Passivmembran wett und rollt in seinem geschlossenen vier Liter-Gehäuse einen soliden Bassteppich aus, der perfekt zum Auto passt: er übertreibt nie und beherrscht seine Sache gut.
Das Beste aber am Soundsystem: es kommt im GT schon serienmäßig mit!
Modell: Kia Proceed GT 1.6 T-GDI DCT
Motor: Vierzylinder-Reihe, 1.591 ccm
Leistung: 204PS (150kW) bei 6.000U/min
Drehmoment: 265Nm ab 1.500U/min
Antrieb: Frontantrieb, Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe
Verbrauch (WLTP): 7,4l/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 7,2 s
Höchstgeschwindigkeit: 230km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,60m/1,80m/1,44 m
Gewicht: 1.429kg
Testwagenpreis: 32.080 Euro
*Herstellerangaben