Der Chevrolet Camaro zeigt auch in seiner sechsten Generation harte Kante. So richtig passt das amerikanische Musclecar in keine Schublade, dafür sorgt alleine schon die gewählte Außenlackierung in Hyper Blue Metallic. Gestern noch ein Geradeausläufer, hat man dem Ami kurvenstarke Manieren antrainiert. Damit aber nicht genug: der bärenstarke 6,2 Liter V8, bekannt aus der Chevrolet Corvette, klingt nach einem wilden Tier, kann bei Bedarf aber äußerst (!) sparsam gefahren werden. Die Mär vom rückständigen und benzinvernichtenden Dinosaurier; so recht mag sie auf den Camaro nicht zutreffen.
453 Pferde und 617 Newtonmeter maximales Drehmoment katapultieren den Fahrer in lediglich 4,4 Sekunden auf Landstraßentempo. Die vehemente Beschleunigung endet erst bei 290 Kilometer pro Stunde. Dabei ist es nicht alleine die Schnelligkeit, die den Chevrolet Camaro zu einem außergewöhnlichen Sportwagen macht. Es ist sein rauer und unverfälschter Charakter, dessen heißere Stimme beinahe an einen amerikanischen Whiskey erinnert, der ihn so besonders macht. So richtig konnte den Camaro bis heute keiner zähmen. Keine Abgasvorschriften, keine Normen und keine Regeln haben General Motors bisher davon abgehalten einen mächtigen 6,2 Liter V8 unter die Motorhaube zu packen. Zwar gibt es den Chevrolet Camaro in der Basis auch mit einem 2,0 Liter Vierzylinder – wer aber einen Golf-Motor haben will, kann sich auch gleich einen solchen kaufen.
Wo der V8 den Fahrer in neue Sphären hebt, ist der Vierzylinder nur ein seelenloser PS-Lieferant. Nein, der Sechskommazwei muss es sein. Und wer den Haken beim großen Motor macht, kommt fast nicht um die Dual-mode-Sportabgasanlage mit vier Auspuff-Endrohren herum – ein Muss für jeden V8-Enthusiasten! Es brabbelt, bollert und knallt ganz fürchterlich (im positiven Sinne) hinten hinaus. Regeln lässt sich das wilde Gebrüll im digitalen Untermenü des Chevrolet MyLink Systems. Von leise bis Rennstrecke ist alles dabei. Menütechnisch ähnlich aufgebaut ist einmal mehr das generelle Fahrzeugsetup bei Chevrolet. Das Fahrwerk des Camaro scheint uns aber bereits im Tour Modus so ausgewogen zu sein, dass weitere Einstellungen kaum nötig sind. In Sport und Track gestellt wird der Wagen beinahe schon bockig und die Lenkung künstlich schwergängig.
Alles in allem ist der Chevrolet Camaro aber um einiges dynamischer geworden. Er folgt brav und nachvollziehbar den Lenkbefehlen seines Piloten, höhere Geschwindigkeiten fühlen sich sicher an und die serienmäßige Brembo-Bremsanlage verzögert mit großer Vehemenz. Tritt man allerdings am Kurvenausgang, oder auf der Abbiegespur einer Ampel, zu harsch in Richtung Bodenblech quittiert der Camaro diese Grobmotorig mit einem nach außen drängenden Heck. Ganz gleich ob die Stabilitätsprogramme aktiviert sind oder nicht. 453 PS an der Hinterachse sind eben ein Statement. Ein Statement ist auch unsere wiederkehrende Kritik an der 8-Gang GM-Automatik namens Hydra-Matic. Nur mit einer Gedenksekunde reagiert sie auf manuelle Schaltbefehle, dem Automatikmodus fehlt es an sportlichen Akzenten.
Nicht sonderlich erquickt hat uns zudem die Tatsache, dass unser Testwagen unter einer bekannten Softwareschwäche der Hydra-Matic litt. Im dritten Gang verharrt der Motor, ähnlich wie in einem gewaltigen Turboloch, trotz durchgetretenem Gaspedal, bei knapp unter 60 km/h. Erst wenn diese Marke überschritten ist hat der Motor wieder seine gewohnte Leistung. Nervig für all jene die das Problem kennen. Gefährlich für alle Anderen die sich dessen nicht bewusst sind und im dritten Gang einen LKW überholen wollen.
Im Innenraum des Chevrolet Camaro geht es betont sachlich zu. Große Plastikflächen dominieren das Interieur, die Platzverhältnisse vorne sind angemessen wenn auch etwas gedrückt. Die augenscheinliche Wertigkeit leidet darunter allerdings nicht. Alles sitzt, passt und hat Luft. Knarzgeräusche konnten wir bei unserer Testfahrt keine vernehmen. Ähnlich wie in der Chevrolet Corvette versorgt uns auch im Camaro ein Head-Up-Display mit allen nötigen Informationen direkt im Sichtfeld des Fahrers. Die analogen Rundinstrumente des Kombiinstruments wirken stimmig und sind gut ablesbar. Zentrale Bedieneinheit ist das Chevrolet MyLink System, das dem Fahrer alle Komforteinstellungen mittels 8-Zoll-Touchscreen präsentiert. Generell wirft das Infotainmentsystem keine großen Fragen auf, lässt sich durch das nach vorne geneigte Display aber etwas schwieriger bedienen. Serienmäßig an Bord: eine gute Bose-Surroundanlage die, typisch für amerikanische Fahrzeuge, ein wenig basslastig ausfällt.
Fazit
Welch eine Maschine! Eine Fahrt im aktuellen Chevrolet Camaro fühlt sich an wie ein Rodeo-Ritt. Leise brabbelnd, im Stand ein wenig unrund laufend, wiegt uns der Chevy-V8 in trügerischer Sicherheit. Ein Tritt auf das Gaspedal offenbart allerdings seine ganze Power und Brutalität – „American Muscle At Its Best“ könnte nicht besser passen für das, was Chevrolet aus dem Camaro gemacht hat. Natürlich hat dieser Wagen seine Ecken und Kanten. Und natürlich gibt es Dinge, die ein C 63 oder M4 besser können. Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass ein vollausgestatteter Camaro V8 in Deutschland nur knapp 50.000 Euro kostet. Ein Preis bei dem unsere heimischen Hersteller nur müde lächeln. Schlussendlich bleibt aber die Frage, ob es der Chevrolet Camaro mit eben dieser Konkurrenz aufnehmen kann. Und hier sind wir der klaren Meinung: ja er kann es! Der 6,2 Liter LT4 V8 drückt, egal bei welcher Geschwindigkeit, genügend Pferde an die hinteren Räder. Das Fahrverhalten ist präzise und über die umfangreiche Serienausstattung des Camaro brauchen wir erst gar nicht anfangen zu Diskutieren. Was könnte also den Camaro Interessenten dann noch vom Kauf abhalten? Vielleicht ein Ford Mustang 5.0!
Modell: Chevrolet Camaro 6.2
Motor: Achtzylinder-Motor, 6.162 ccm
Leistung: 453 PS (333 kW)
Drehmoment: 617 Nm
Antrieb: Heckantrieb, 8-Gang-Automatik
Verbrauch (ECE): 11,1 l Super/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,4 s
Höchstgeschwindigkeit: 290 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,78 m/1,90 m/1,34 m
Gewicht: ca. 1.659 Kg
Grundpreis: ca. 47.400 Euro
*Herstellerangaben