„Make America great again“ – mit diesem Slogan gewann der neue US-Präsident Donald Trump das Rennen um das Weiße Haus. Und so könnte unser Test zum Cadillac Escalade wohl zu keinem besseren Zeitpunkt starten, als kurz nach der Amtseinführung des neuen amerikanischen Staatsoberhaupts. Trump ist es auch, der derzeit den deutschen Autobauern so einige schlaflose Nächte bereiten dürfte. Kündigte er doch an, auf deutsche Autos – die für die USA, aber nicht in den USA produziert werden – empfindliche Strafzölle zu erheben. Wenn die Amerikaner schon deutsche Autos kaufen, dann sollen wir in Europa und Deutschland gefälligst auch amerikanische Autos fahren. Gesagt, getan Herr Trump: vor uns steht der Cadillac Escalade in der Platinum Ausführung – ein in der Tat „groß“-artiges Fahrzeug aus dem General Motors Konzern.
Und das meinen wir nicht ironisch. Der Cadillac Escalade überragt so ziemlich alle PKW aus hiesiger Produktion. Selbst ein Mercedes GLS, ebenfalls nicht gerade klein gewachsen, muss sich dem Amerikaner geschlagen geben. Der Ami SUV bringt es in der Normalausführung auf eine stolze Länge von 5,2 Metern. Wählt man die Langversion (ESV) gesellen sich weitere 50 Zentimeter Blech hinzu. Chapeau! Wer im Alltag auf deutschen Straßen mit insgesamt 5,7 Metern herumfährt. Aber auch die Breite von über zwei Metern macht nicht nur die Parkplatzsuche, sondern auch die Fahrt in engen Autobahnbaustellen zu einem Erlebnis. „Make America great again“ haben also auch die US-Autobauer, bereits vor Trump, durchaus wörtlich genommen.
Was in den USA als standesgemäß angesehen wird, führt in Deutschland schon einmal zu ablehnendem Kopfschütteln. Das enorme Auftreten sorgt auch dafür, dass in engen Straßen der ein oder andere Verkehrsteilnehmer freiwillig den Weg über den Bürgersteig wählt. Dabei verliert der Cadillac-Fahrer hinter dem Steuer schnell die Scheu vor den mehr als 2,6 Tonnen Metall, die er da herumfährt. Fast schon wie ein Mittelklassewagen lässt sich der Escalade durch die Stadt bugsieren. Dabei helfen die sehr leichte Lenkung und ein Wendekreis, der sich geringer anfühlt als die 12 Meter, die im Datenblatt vermerkt sind. Auch Parklücken lassen sich durch die großen Außenspiegel, Außenkameras und PDC Sensoren gut einschätzen. Aber auch ohne diese Helfer hat man stets alles im Blick. Schließlich sitzt man in einer Höhe, die beispielsweise einen Porsche Cayenne oder Audi Q7 mehr als kompakt wirken lassen. Deren Fahrer betrachten uns derweil mit argwöhnischen Blicken. So recht wissen die Meisten nicht, wie sie den Cadillac Escalade einschätzen sollen.
Dass er durchaus „ausreichend“ motorisiert ist, merken sie erst, wenn die Ampel auf Grün schaltet. Der obligatorische Sprint von 0-100 Kilometer pro Stunde vergeht in 6,7 Sekunden – kommt einem jedoch gefühlt schneller und vehementer vor. Kein Wunder: schlummert im Maschinenraum des Escalade doch ein 6,2-Liter V8 Saugmotor der alten Schule. Er leistet 426 PS bei 610 Nm Drehmoment. Wer die Sprintgewalt des Cadillac gleichwohl zu oft austestet, der wird schneller an die Tanksäule gebeten, als ihm lieb ist. Bewegt man den großvolumigen Motor oberhalb der Marke von 2.500 Umdrehungen (was im Normalfall kaum vorkommt) sind 20 Liter Durchschnittsverbrauch keine Seltenheit, sondern die Regel. Dafür benötigt der V8 allerdings nur mindestens Benzin in der Qualität ROZ 91 (Amerika) bzw. Super 95 (Europa). Teures Super Plus kann man sich sparen.
Wer sich über ein solches Fahrzeug ernsthafte Kaufgedanken macht, der kennt den Spritverbrauch im Vorhinein. Und überhaupt: Der Cadillac ist ein Wagen zum Reisen, nicht zum Rasen – ein echter Grand Tourer! Da kann BMW noch so viele „GT-Logos“ auf den 5er kleben – wahrlich erfährt man diese Form des Reisens erst im Escalade. Und bewegt man den Cadillac artgerecht, das heißt nicht schneller als 120 Kilometer pro Stunde, so pendelt sich der Verbrauch bei humanen 11,0 – 12,0 Litern ein. In Anbetracht der Abmessungen (im Motor selbst und drum herum) und der Möglichkeit bis zu sieben Personen mitzunehmen, ein annehmbarer Wert – auch für europäische Verhältnisse. Dazu trägt im Übrigen maßgeblich die Zylinderabschaltung bei, die den V8 bei niedrigen Drehzahlen zum V4 macht. Bemerkbar wird das Umschalten auf den 4-Zylinder durch eine Anzeige im Kombiinstrument und ein kurzes Rucken. Ansonsten fährt sich der Escalade betont ruckfrei! Denn die Automatik – ein 6-Stufen-Wandler – arbeitet derart sanft, dass man Schaltvorgänge meist gar nicht wahrnimmt.
Und so gleiten wir entspannt durch Süddeutschland in Richtung des oberbayerischen Tegernsees. Neben einigen anderen exklusiven Regionen in Deutschland wohl einer der Hotspots, wo man am ehesten auf ein solches Fahrzeug, wie den von uns gelenkten Cadillac, zu treffen vermag. Einzig das Magnetfahrwerk passt nicht so recht in die sonst eher unaufgeregte Szenerie. Bereits auf „Tour“ gestellt lässt es kurze Stöße nahezu ungefiltert bis zu den Fahrgästen gelangen. Im „Sportmodus“ neigt der Escalade gar zum Stuckern. Eine andere Fahrwerksabstimmung könnte Abhilfe schaffen – vielleicht ja in der nächsten Generation. Bis dahin begnügen wir uns eben mit den Massagesitzen vorne, um lästige Bodenwellen aus dem Rücken zu kneten.
Drei verschiedene Massage-Funktionen in jeweils drei Intensitätsgraden stehen zur Auswahl. So entspannt vergisst man schnell, dass sich die hinteren Passagiere fast wie in die zweite Klasse abgeschoben fühlen müssen. Mangelnde Beinfreiheit und unzureichende Sitzeinstellungsmöglichkeiten tragen dazu bei, dass vier großgewachsene Passagiere nur Platz finden, wenn die zweite Sitzreihe weggeklappt und auf dem wenig bequemen Gestühl in der dritten Reihe platzgenommen wird. Sitzheizung oder gar eine Massagefunktion sucht man hier vergebens – dafür wachsen die Cupholder pro Sitzreihe in ihrer Größe – ob das was zu bedeuten hat?
Wir sind zumindest verwundert, dass die Raumausbeute für die Mitfahrer bei einem über fünf Meter langen Fahrzeug so bescheiden ausfällt. Enorm ist hingegen, was der Escalade-Fahrer an Stauraum zur Verfügung hat, wenn alle hinteren Sitzreihen umgelegt sind. Eine Euro-Palette, wie es die alten Mercedes T-Modelle gefasst haben? Darüber lacht der Cadillac. Aber wir sind schließlich unterwegs in den Winterurlaub an den Tegernsee und nicht Zementholen im Baumarkt. Und so steuern wir, dem Prestige und der Preisklasse angemessen, das teuerste Hotel am Platze an. Direkt am See gelegen, mit Blick auf den sogenannten Malerwinkel, steht eine passende Fünf Sterne Herberge. Es mag nicht recht in die ländliche Idylle passen, aber das tut der Escalade ja auch nicht. Freilich parken wir direkt vor dem Eingang – man will ja gesehen werden. Nur der wenig freundliche Kofferbursche war nicht sehr angetan von unserem Monstrum. Zwar hätte man gefühlt neben, vor und hinter uns mit einem 40-Tonner grazile Fahrmanöver vollführen können – der Escalade musste trotzdem schleunigst weichen. Na dann – tanken wir unseren Cadillac lieber zweimal für 130 Euro voll, als eine Nacht im Oberklassehotel zu residieren.
Der Escalade gehört der Gattung der Geländewagen an und verfügt somit auch über einen Allradantrieb, der wahlweise zugeschaltet werden kann. Am ehemaligen Tagungshotel der CSU in Wildbad Kreuth, das in dieser Jahreszeit von mehr als einem Meter Pulverschnee umhüllt ist, ein dankbarer Helfer. Der 4×4 lässt den Escalade mühelos schneebedeckte Asphaltstraßen hinaufklettern – von Ausflügen ins unbefestigte Gelände ist aber definitiv abzuraten. Zwar verfügt der Cadillac generell über ausreichend Bodenfreiheit – diese wird aber durch die tief nach unten gezogene Frontpartie massiv eingeschränkt. Daneben gibt es weder eine Untersetzung noch eine Bergabfahrhilfe – der Allrad dient ausschließlich der aktiven Fahrsicherheit – oder alternativ dazu, die Yacht aus dem Teich zu ziehen.
Im Alltag reicht der Heckantrieb aus, um die Kraft des V8 auf die Straße zu bringen. Erstaunlich gutmütig lässt sich der Escalade durch die Kurven lenken – das hohe Fahrzeuggewicht und die stattlichen Abmessungen geraten so schnell in Vergessenheit. Erst wer die Fuhre wieder zum Stehen bringen will, merkt dem großen SUV seine Trägheit deutlicher an. Und so fragen wir uns ständig, was die mediale Konkurrenz am Fahrverhalten des Escalade auszusetzen hat? Ein Sportwagen ist der Cadi selbstredend nicht. Aber er macht seine Sache gut – immer vor dem Hintergrund betrachtet, welche Masse an Auto wir hier bewegen.
Da der Cadillac Escalade aber zum betont entspannten Fahren animiert, kommen kurvenräubernde Situationen höchst selten vor. Eher wahrscheinlich ist es da, dass sich einer der Hinterbänkler über das Multimedia-System „CUE“ beschwert. Vorne lässt es sich ordentlich per Touchscreen bedienen, wohingegen die hinteren DVD-Player – und insbesondere das Klappdisplay im Dachhimmel – mehr schlecht als recht zu dirigieren sind. Zwar ist die Idee an sich gut, für die beiden Einzelsitze in der Mitte und für die dritte Sitzreihe jeweils einen Bildschirm parat zu haben; dass man aber nicht einmal ein Digitalradio und einen TV-Tuner in der spärlichen Aufpreisliste findet, ist für uns nicht verständlich. Hier ist die GM-Tochter Opel indes einen Schritt weiter – DAB gehört dort mittlerweile zum guten Ton. Dagegen ganz weit vorne dabei: die BOSE Surround Anlage im Escalade, die vor allem durch einen großartigen Raumklang brillieren kann.
Assistenzsysteme hat der Cadillac auch. Nur nutzen sie dem Fahrer im Alltag wenig. Der Tempomat, gekoppelt an einen Abstandsregler, reagiert zu hecktisch auf vorausfahrende Fahrzeuge – muss das System abbremsen um anschließend wieder auf eine gesetzte Geschwindigkeit zu beschleunigen, schaltet das Getriebe mehrere Gänge runter, was dem Spritverbrauch nicht sonderlich zugute kommt. Der Spurhalteassistent greift etwas gefühlsarm in die Lenkung ein und schiebt den Escalade auf die andere Fahrbahnseite, wo das System ebenfalls wieder eingreifen will. Eine Art Ping-Pong-Effekt entsteht. Technisch sehr gut gelöst ist das Head-Up-Display, das sich perfekt einstellen lässt und Informationen glasklar präsentiert – zudem ist es sehr dezent in das Armaturenbrett integriert. Deutsche Hersteller tun sich mit dieser Technologie bisweilen noch etwas hart.
Was die generelle Haptik und Verarbeitung im Cadillac angeht, so hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Großflächige Plastikflächen sucht man, bis auf das Kofferraumabteil (dritte Sitzreihe) vergebens. Alle täglichen Griffbereiche sind in Alcantara oder Leder gehüllt – wobei letzteres ebenfalls einen deutlichen Qualitätssprung zu verzeichnen hat. Die äußeren Türgriffe und einige Schalter im Innenraum sind zwar weiterhin aus einfachem Plastik gefertigt, dafür vermitteln sie das Gefühl ewig zu halten. Ebenfalls für die Ewigkeit: die massiven Trittbretter der Platinum Edition, die beim Türöffnen automatisch ein- und ausfahren. Weniger erfreulich ist die Oberflächenbeschaffenheit der CUE-Bedieneinheit. Das hochglänzende Plastik ist auf Dauer zu kratz- und staubempfindlich.
Fazit
Um den Cadillac Escalade zu begreifen, muss man seine Denkweise ändern. Der große Geländewagen ist kein Premiumfahrzeug aus Deutschland: es ist ein Premiumfahrzeug aus den USA! Mit all seinen Vor- und Nachteilen. Wer ein günstiges Familienauto sucht, ist mit Sicherheit an der falschen Adresse. Wer hingegen meist alleine oder zu zweit unterwegs ist, mal die Kinder dabei hat und ausgefallene Hobbys wie Segeln oder Reitsport betreibt – für den ist der Escalade genau das Richtige! 3,1 Tonnen Anhängelast, hinten eine Ladefläche groß wie in einem Sprinter und vorne ein Wohlfühlpalast mit viel Leder, bequemen Sitzen und elektrischen Spielereien – eine ideale Kombination, um aus dem Cadillac einen soliden Luxuslaster zu machen. Wen stört da die kurios anmutende Verkabelung der Heckscheibenheizung? Sie funktioniert. Basta! Der amerikanische Ingenieur hält sich eben nicht gerne mit Detaillösungen auf – er sieht das große Ganze! Zwar bedeutet dies konkret, dass man in der zweiten Sitzreihe vergessen hat, an eine vernünftige Sitzverstellung zu denken – wer aber den Escalade als Chauffeurlimousine nutzen will, der hat den Beifahrersitz sowieso ganz nach vorne gefahren.
Im Gegensatz zu all den Range Rover und GLS, die sich, neben dem Escalade, im kleinen aber feinen Kreis der Premium-Fullsize-SUVs bewegen, hat der Cadillac seinen ursprünglichen Charakter bewahrt. Ja, er ist groß. Und ja, er ist verhältnismäßig durstig. Aber im Gegensatz zu den Produkten von Land Rover und Mercedes, findet man im Amerikaner keinen Diesel, der bei einem 120.000 Euro Auto Sparsamkeit suggerieren will. Wer das Geld hat sich ein solches Auto zu leisten, der hat auch das Geld um den großartigen 6,2-Liter V8 zu tanken. Dies klingt vielleicht abgehoben: Aber in dieser Preis- und Prestigeklasse gelten eben ganz eigene Spielregeln. Und so beenden wir diesen Test – nicht etwa mit einem Zitat von Donald Trump – sondern mit einem Klischeespruch, der im Kern doch die Wahrheit ausspricht und den Cadillac Escalade hierzulande zu einem einzigartigen Fahrzeug macht: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen!
Modell: Cadillac Escalade 6.2 V8 Platinum
Motor: Achtzylinder-V, 6.162 ccm
Leistung: 426 PS (313 kW) bei 5.600 U/min
Drehmoment: 610 Nm bei 4.100 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb (Allradantrieb zuschaltbar), Sechsgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (ECE): 13.1 l Super/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 6,7 s
Höchstgeschwindigkeit: 180 Km/h (abgeregelt)
Abmessungen (L/B/H): 5,18 m/2,05 m/1,89 m
Gewicht: 2.537 Kg
Grundpreis: 112.500 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 24/27/23
*Herstellerangaben