Wissen Sie, weshalb wir mit den allermeisten SUV einfach nicht warm werden? Weil wir Autos wie den Jeep Wrangler dafür umso mehr leiden mögen. Weil SUV alles ein bisschen können, aber nichts richtig. Weil sie versuchen, ihre gesellschaftliche Unfähigkeit hinter nicht lackierten Schürzen oder vermeintlich sportlich-harten Fahrwerken zu verstecken. Und je mehr von diesen Ungetümen, in denen der Platz beschränkt aber der Spritverbrauch umso größer ist, auf den Straßen umherfahren, desto mehr fühlen wir uns zu den Autos hingezogen, die eben nicht verhehlen, wo sie herkommen. Die immer noch das sind, was sie sind. Und das seit so vielen Jahren.
„Since 1941“ ploppt bei jedem Start des Jeep Wrangler Sahara Unlimited links im Drehzahlmesser auf, dabei wäre diese stetige Erinnerung doch eigentlich überflüssig wie ein umgelabelter Audi Q8. Dass das, in was man da gerade eingestiegen ist, eigentlich nicht aus 2019 ist, das sollte man schon früher erkannt haben. An der kastigen Form, an der charakteristischen Front, an den offen liegenden Scharnieren (!) der Windschutzscheibe. Der Urahn des Jeep Wrangler hat schon Geschichte geschrieben, da sprangen am Mercedes-G-Schöckl noch Bergziegen umher. So viel zum Thema „Heritage“.
Dass Jeep seine Geschichte nun ernster nimmt als je zuvor, erkennt der kundige Betrachter nicht nur an dem unverändert rustikalen Äußeren, das außer breiteren Kotflügeln und modernen LED-Scheinwerfern zum neuen Modell nicht viel mitgebracht hat. Nein, besonders ist es der liebevoll gestaltete Innenraum, der einen so merklichen Sprung nach vorne gemacht hat, dass wir uns in einen alten Wrangler gar nicht mehr hineinsetzen möchten. Das dürften uns selbst gestandene Alt-Wrangler-Fahrer uns zugestehen.
Wenn andere aufgeben, fängt der Wrangler erst an
Ist das schmale Dashboard noch ganz das Alte, zeigen der große feinauflösende Touchscreen, schicke Instrumente und feine Details auch auf den zweiten Blick, dass der Mutterkonzern FCA den Wrangler tatsächlich ins Jahr 2019 gerettet hat. Dort wo andere – siehe Land Rover mit dem Defender – schon lange aufgegeben haben.
Die Rettung in die Neuzeit kann allerdings gar keine so großen Kompromisse erfordert haben. Man merkt das spätestens nach dem ersten Motorstart auf Knopfdruck. In unserem Falle nagelte stark vernehmlich ein 2,2-Liter großer Vierzylinder-Diesel unter der schweren Haube, der in seinen Grundzügen vermutlich auch in einigen Fiat Ducato für Vortrieb sorgt. 200 PS und 450 Newtonmeter tragen zumindest auf dem Papier zu nicht unansehnlichen Fahrwerten bei.
Beschleunigung? Höchstgeschwindigkeit? Who cares?
Die erste Beschleunigungssession auf der Autobahnauffahrt belehrte uns eines Besseren: Geschwindigkeit, egal in welcher Form, ist nicht sein Ding. Dafür ist er zu schwer, dafür verpufft zu viel der Kraft im aufwendigen Allradantrieb. Ja, dieser ist zuschaltbar und lediglich mit Hinterradantrieb bewegt fühlt sich der Wrangler deutlich spritziger an. Doch auch die moderne Achtgangautomatik, die ihre Sache selbst mehr als ordentlich macht und obendrein alternativlos ist, kann nicht über das hohe Gewicht und die noch größere Stirnfläche hinwegtäuschen.
Das Thema Autobahn lässt sich hiermit ebenfalls schnell abhandeln: Vergessen Sie es! Zwar sitzt man gar nicht übel und sogar der Federungskomfort ist durchaus vorhanden, doch laute Windgeräusche und der schlechte Durchzug sorgen schnell für Verdruss – bei Tempo 110. Wir verstanden daher schnell und bewegten den Geländewagen in der Folgezeit nur noch Überland und ab und zu in der Stadt, erfanden dafür sogar flugs ein neues Verb: Wranglern.
Denn das, das kann er mit Bravour: Den täglichen Einsatz im Hundertkilometerradius ums eigene Zuhause. Souverän sitzt man in dem Kultgefährt, die kantige Form gewährt eine perfekte Übersicht und den Stau auf der Landstraße, der im Taunus leider an der Tagesordnung ist, umgeht man querfeldein. Angst, stecken zu bleiben, hat man in einem Wrangler jedenfalls nicht, über seine Offroadfähigkeiten müssen wir keine Worte verlieren. Hinzu kommen Annehmlichkeiten wie eine extrem schnell ansprechende Heizung, ein gut nutzbarer Kofferraum und nicht zuletzt eine ideale Größe, die trotz Verbreiterungen Parklücken noch nicht zu einer Herausforderung werden lässt. Sogar auf der Landstraße kommt – trotz Starrachsen – tatsächlich so etwas wie Fahrspaß auf und wirft man den Wrangler ein wenig in die Kurve, ist man selbst überrascht, wie gut man am anderen Ende wieder aus ihr herauskommt.
Negatives? Der Wrangler nennt es „Charakter“
Gibt’s denn noch was negatives zu berichten? Mal abgesehen von der mangelnden Langstreckentauglichkeit? Ja, das gibt es, wenngleich es womöglich in Korinthenkackerei ausartet: Bis uns die Navisatelliten zuverlässig geortet hatten, hatten wir mit der Straßenkarte bereits das Ziel gefunden. Die Scheibenwischer verteilten nur Dreck aber befreiten die Scheibe nur selten von Wasser und die Lenkung könnte unexakter eigentlich kaum sein, wobei letzteres zu einem der verschmerzbareren Negativaspekte gehört: denn wer eine exakte Lenkung haben möchte, soll gefälligst einen Sportwagen kaufen. Oder einen SUV. Ach nein, da war ja was…
Zu guter Letzt: Der Preis. Gute 50.000 Euro verlangt Jeep für einen Wrangler Unlimited (das Einstiegsmodell „Sport“, der Sahara steht mit 56.000 Euro in der Preisliste), was in Anbetracht des wahrhaft unlimitierten Einsatzgebietes, der Liebe zum Detail und der Individualität gar nicht viel Geld ist. Im Vergleich zur immer kleiner werdenden Offroad-Konkurrenz ohnehin. Natürlich sollte man Kompromissbereitschaft mitbringen. Aber ein großer Kompromiss hat selten geschadet. Ganz viele kleine hingegen schon.
Modell: Jeep Wrangler Sahara Unlimited 2.2 Multijet
Motor: Vierzylinder-Reihe, 2.143 ccm
Leistung: 200 PS (147 kW) bei 3.500 U/min
Drehmoment: 450 Nm bei 2.000 U/min
Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Verbrauch (WLTP): 7,9 l D 100/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 10,7 s
Höchstgeschwindigkeit: 172 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,88 m/1,89 m/1,90 m
Gewicht: 2.197 Kg
Grundpreis: 56.000 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 24/15/21
*Herstellerangaben