Aufgepasst ihr weichgespülten Audi RS 6 Quattro Fahrer. Macht Platz ihr Drift-Mode Piloten im Mercedes-AMG E 63 S 4Matic+. Hier kommt einer, der will nicht spielen. Der Cadillac CTS-V will dominieren! Sein Kompressor-V8 ist nichts für schwache Nerven und zeigt den deutschen Autobauern eindrucksvoll, dass Allrad total überbewertet wird. Zugegeben: Unsere Schwiegermutter würden wir wohl nicht mit dem CTS-V zum Bäcker fahren lassen.
Aber wen interessiert die buckelige Verwandtschaft? Der Cadillac CTS-V ist ein Auto von Männer für Männer. Für alle die Bienen kauen und Drehtüren zuschlagen. Wenn Chuck Norris ein Auto wäre, er wäre ein CTS-V! 649 PS und 855 Nm maximales Drehmoment zerren an der Hinterachse. Wollen gezähmt und gelenkt werden. Unachtsamkeit verzeiht dir der Cadillac nicht. Selbst wenn alle Fahrhilfen aktiviert sind fährt sich der wilde Ami bei Regen in etwa so, als würde man einem Elefanten Eiskunstlaufen beibringen wollen. Und wer glaubt die Michelin Super Sport halten den Cadillac bei Trockenheit im Zaum, den müssen wir eines Besseren belehren.
Die schiere Power des 6,2 Liter V8, entliehen aus der aktuellen Chevrolet Corvette Z06, fordert immer höchste Aufmerksamkeit und führt beim Fahrer schnell zu einem massiv gesteigerten Selbstwertgefühl. Schließlich ist man sich bewusst: im Normalfall gibt es niemanden der auch nur annähernd hinterherkommt. Wer sich darauf eingestellt hat, dass der CTS-V gerne einmal mit dem Heck schwänzelt, auch in alltäglichen Fahrsituationen den Grip verliert und überhaupt nach einer harten Hand verlangt, der ist hier genau richtig.
Der Kompressor wimmert, der V8 bollert und der Fahrer johlt. In Zeiten von NOX und Dieselgate vielleicht die falsche Antwort auf die brennendsten Fragen rund um das Thema Automobile Zukunft. Oder vielleicht auch die einzig richtige? Denn packen wir eine, nicht sonderlich ernstgemeinte, Milchmädchenrechnung aus, dann verbraucht ein Cadillac CTS-V pro PS nur ca. 0,02 Liter auf 100 Kilometer. Auf die Pferdestärken umgemünzt also ziemlich genau so viel wie ein aktueller Toyota Prius! Zurück im Reich der Fakten müssen wir aber gestehen: recht sparsam geht der CTS-V mit den 72 Litern fossilen Brennstoff nicht um, die er maximal bei sich trägt. Je nach Fahrweise sind 15-20 Liter ein realistisches Maß.
Nach oben sind die Verbrauchsgrenzen bekanntlich offen. Vor allem wer die 320 km/h Höchstgeschwindigkeit austesten will. Dabei fällt dem feinfühligen Fahrer vermehrt auf, dass er in einem Produkt aus Lansing, Michigan und nicht aus Affalterbach, Dingolfing oder Nackarsulm sitzt. Durch die ein oder andere Nische drückt es leise säuselnd den Fahrtwind, Kieselsteine knistern lauter im Radhaus als gewohnt und nach nur 16.000 Kilometern auf dem Tacho löst sich der Wildleder-Bezug in Wellenbewegungen vom Lenkrad ab.
Doch einmal im CTS-V platzgenommen verzeiht man dem Cadillac so manches. Man konzentriert sich lieber auf das Wesentliche. Denn ohne Wenn und Aber: fahren lässt sich die Limousine wie kaum eine andere. Nein, ein graziler BMW Alpina B5 Bi-Turbo wird aus dem CTS-V keiner werden. Doch grobschlächtig und ungalant wie in den 1990er Jahren ist ein Cadillac heute nicht mehr. Aus dem weichen Straßenkreuzer von einst wurde ein Kurvenräuber mit Nachdruck. Das Magnetfahrwerk sorgt stets für eine gute Straßenlage, die Brembo-Bremse verzögern standhaft und das Lenkverhalten ist direkt und nachvollziehbar.
Wir hätten uns nur zwei Dinge gewünscht: eine besser abgestufte Automatik und mehr Sound. Die intelligente 8-Gang Hydra-Matic wird mitunter schlauer verkauft als sie wirklich schaltet. Manuelle Eingriffe sind zwar nicht zwangsweise nötig, fühlen sich im Zweifel aber besser an als das ewige hin- und hergeschalte des Automaten. Für unseren Geschmack schaltet der Wandler außerdem zu langsam und sucht bei sportlicher Fahrweise trotzdem immer wieder den nächst höheren „Spargang“. Und der Motorsound? Selbst die normale Chevrolet Corvette C7 bollert lauter als unser CTS-V. Wir verstehen: es soll auch Kunden geben, die mit einem Cadillac ruhig dahingleiten wollen, statt wie von der Tarantel gestochen auf der linken Spur Terminator zu spielen. Doch zumindest im Track-Mode hätten wir mehr Druck aus den vier perforierten Endohrblenden erwartet. Was aussieht wie eine Gewehrmündung darf unserer Meinung auch so klingen!
Im Innenraum könnten wir nun wieder über die CUE-Multimediaeinheit herziehen, ersparen es uns aber. Mit etwas Spielerei klappt die Bedienung nach kurzer Zeit nämlich recht passabel. Die Bose Soundanlage ist über jeden Zweifel erhaben, das Head-Up-Display präsentiert alle nötigen Informationen in gewohnter Schärfe und, wie bereits beim Test zum Cadillac CT6 angemerkt, ist das virtuelle Cockpit in Sachen Darstellung und Aufbau ganz weit vorne dabei. Ebenfalls sehr gut gefallen hat uns die generelle Materialanmutung und das schön gestaltete Armaturenbrett. Die Sitze sind bequem, wenngleich die Bedienung der einzelnen Luftpolsterkammern, für die Lordose und die oberen, sowie unten Seitenwangen, etwas umständlich ausgefallen ist.
Ausgewachsene Cadillac-Fahrer haben es vorne sehr bequem, Hinterbänkler leiden mitunter an den stark ausgeformten Sportsitzen in der ersten Reihe. Nettes Gimmick am Rande: die Cupholder neben dem Wählhebel werden mit einer elektrischen Blende auf- und zugeschoben. Nicht testen konnten wir den optionalen Datenrekorder für die Rennstrecke, da der Cadillac unsere SD-Karte verweigerte.
Fazit
Morgens früh im Restschlaf zur Arbeit? Nicht mit dem Cadillac CTS-V! Der amerikanische Limousinen-Sportwagen macht euch spätestens bei der ersten taufrischen Autobahnauffahrt hellwach! Trotz, fast neuer, Michelin Super Sport Bereifung hat das Heck des Cadillacs oftmals ein gewisses Eigenleben. Generell gilt: wer von einem „normalen“ Auto in den CTS-V umsteigt sollte mit Obacht agieren. 649 PS sind eben keine 190, 250 oder 400 Pferde. Oftmals langt es im höchsten Gang das Gaspedal nur leicht zu drücken damit es um einen herum sehr einsam wird. Der Cadillac CTS-V ist ein faszinierendes Auto. Auf der einen Seite knallt er in gut 3,7 Sekunden auf Landstraßentempo, auf der anderen Seite entschleunigt er unseren Alltag.
Wir wissen dass wir könnten, wenn wir nur wollten. Immer und zu jeder Zeit. Dabei ist es völlig egal ob wir 200 oder 280 km/h fahren. Leistung steht immer und im Überfluss zur Verfügung. Bei so viel Überschwang fallen die paar negativen Punkte nur sehr begrenzt ins Gewicht. Wer das Autofahren liebt, der Kinder wegen auf eine Corvette Z06 verzichten muss, oder einfach verdammt viel Spaß an amerikanischen Autos hat, für den ist der Cadillac CTS-V mit seinem 6,2 Liter V8-Kompressor keine schlechte Wahl. Obendrein da der CTS-V hierzulande aktuell die stärkste Limousine aus amerikanischer Produktion ist, die man neu erwerben kann. Konkurrent Dodge ist mit seinem 717 PS starken Charger SRT8 Hellcat in Deutschland, zumindest offiziell, nicht vertreten.
Modell: Cadillac CTS-V (Carbon Black Edition)
Motor: Achtzylinder-V, Kompressor, 6.162 ccm
Leistung: 649 PS (477 kW) bei 6.400 U/min
Drehmoment: 855 Nm bei 3.600U/min
Antrieb: Heckantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 3,7 s
Höchstgeschwindigkeit: 320 km/h
Verbrauch (kombiniert): 13 Liter Super (Plus) Benzin
Grundpreis: 98.500 Euro
*Herstellerangaben