Hätte Opel vor zwanzig Jahren in einen gänzlich serienmäßigen B-Corsa einen 150 PS Turbomotor eingebaut, die Jungs wären geradezu für verrückt erklärt worden. Selbigen gab’s damals selbst als GSi (für die Leser, die hierfür zu jung sind: das ist der OPC der guten alten Zeit) mit maximal 109 PS. Heute gibt es einen 150 PS-Corsa und das ist längst nicht das Ende der Fahnenstange, weshalb der Kleinwagen mit dem großen Schriftzug am Heck auch ganz unscheinbar daherkommt. Kein wildes Getöse vom Sportauspuff, keine Kriegsbemalung, keine fetten Lufteinlässe und keine Sportsitze. Dafür ist der Corsa OPC (hier bei uns im Test) zuständig.
Doch wir wollten mal schauen, ob nicht auch die Variante „eins kleiner“ reicht. Es muss ja nicht immer das Endmodell sein, zumal der 1.4 Turbo selbst als höchstausgestatteter Innovation (es gibt ihn ansonsten nur in der etwas günstigeren Color Edition) knapp 7.000 Euro günstiger ist als der OPC. Etwas bequemer ist er obendrein, denn der Einstieg in den Dreitürer gestaltet sich mangels (der ansonsten bekanntlich famosen) Recaro-Halbschalen deutlich angenehmer. Bei winterlichen Außentemperaturen freuen wir uns zusätzlich über die im Komfort-Paket für 490 Euro vorhandene Sitzheizung, die mangels mehrstufiger Einstellung gleich ordentlich einheizt. In selbigem Paket ist auch die schnell ansprechende Lenkradheizung enthalten. Ansonsten sind Opels Online-Dienste „OnStar“ samt WLAN-Hotspot (Serie) sowie die (unter anderem) kamerabasierten Assistenzsysteme mit Abstandswarner, Kollisions- und Verkehrsschilderkennung sowie Spur- und Fernlichtassistenten (insgesamt für 700 Euro) an Bord und alleine durch diese überaus reichhaltige Ausstattung fühlt sich der Kompaktwagen gar nicht mehr so klein an.
Und auch der Einsvierer-Singleturbomotor mit 150 PS und 220 Newtonmetern Drehmoment verstärkt diesen Eindruck. Er ist serienmäßig an ein Sechsgang-Schaltgetriebe gekoppelt und dieses überzeugt mit sauberen und gut definierten Wegen, die ausnahmsweise sogar ausreichend kurz sind. Der Schalthebel mit schönem Nahtbild liegt gut in der Hand, ebenso wie das übersichtlich gestaltete Multifunktionslenkrad, das wie gewohnt mit einem großen Verstellbereich aufwartet. Die Instrumente sind stets gut ablesbar, lediglich die Bedienung des zentralen monochromen Displays per Drehrädchen am Blinkerhebel ist immer wieder etwas gewöhnungsbedürftig und eher unpraktisch.
Die Maschine unter der schneeweiß lackierten Haube hingegen ist ein durchaus fröhlicher Geselle, wir kennen sie noch aus dem Adam S (hier bei uns im Test). Doch interessanterweise macht der 150 PS starke Benziner auf den ersten Metern beinahe einen spontaneren Satz nach vorne als im noch kleineren Adam – woher das kommt, können wir uns jedoch nicht so recht erklären. Nach kurzer Anfahrschwäche legt der Einsvierer spontan los und serviert seine 220 Newtonmeter ab 3.000 Umdrehungen pro Minute – die Leistung trifft auf lediglich 1,2 Tonnen Leergewicht, sodass da durchaus was geht, wenn man’s drauf anlegt. Zwar wird man nie von Leistung im Überfluss sprechen, doch für spaßige Zwischensprints und zum Ärgern von so manch größerem Kaliber reicht es immer – bei Bedarf sprintet der Corsa in 8,9 Sekunden auf Landstraßentempo und läuft nach Angabe 207 – wir sahen auch mal die 220 auf dem Tacho, was der Angabe in etwa entsprechen sollte. Oberhalb von 180 Km/h wurde es auf der Autobahn jedoch recht zäh.
Fordert man die Leistung stets ab, quittiert der Turbo das seiner Art gemäß mit etwas mehr Spritkonsum – wir kamen auf einen Maximalwert von 9,3 Liter pro 100 Kilometer, bewegten den Dreitürer jedoch auch mit 6,4 Litern im Durchschnitt. Insgesamt brauchten wir während unserer vierzehntägigen Testphase mit hohem Autobahnanteil im Schnitt genau acht Liter Superbenzin (Opel empfiehlt Super Plus) – deutlich weniger als der große Bruder OPC. Von diesem unterscheidet sich der Basis-Corsa hinsichtlich praktischer Werte kaum. Vier Meter Fahrzeuglänge lassen sich gut parken, der Corsa ist rundum übersichtlich und hinten hilft zusätzlich die Rückfahrkamera samt Parksensoren. Sofern die Kamera sauber ist und das ist dann schon eine Herausforderung: bei den vorherrschenden Wetterbedingungen lieferte die nur knapp über dem Kennzeichen montierte Kamera nach spätestens 100 Kilometern ein Bild, das mehr nach Westfernsehen in der ehemaligen DDR erinnerte: man sah nichts mehr. Dafür blieb der Öffner der Heckklappe überraschend lange sauber und bescherte zumindest nur selten dreckige Finger beim Öffnen der Heckklappe.
Für wenig Verdruss sorgten auch die zahlreichen Fahrassistenten: die automatische Fernlichtschaltung der Bi-Xenon-Scheinwerfer arbeitete weitestgehend zuverlässig, ebenso konnte der ausreichend schnell reagierende Totwinkelassistent überzeugen. Lediglich der Frontkollisionswarner irritierte auf einer längeren Autobahnetappe mit zahlreichen Warnmeldungen trotz buchstäblich freier Fahrt – wir schalteten ihn letzten Endes ab. Doch abgesehen davon war der kleine Rüsselsheimer ein angenehmer Begleiter auf ebendiesen Etappen. Sehr niedrige Windgeräusche kabbeln sich mit dem ebenfalls leisen Motor um die größte Geräuschquelle, die Platzverhältnisse sind für zwei Passagiere absolut zufriedenstellend – ebenso das Gestühl, dessen Ledernachbildung an den Seitenwangen jedoch etwas hochwertiger hätte sein können. Und ging es auf die Landstraße, überzeugte der Corsa mit einem komfortablen und dennoch ausreichend straffen Fahrwerk, das auch schnellere Kurventempi bravourös meistert. Zu schnelles Tempo kündigt der Corsa mit sanftem Untersteuern an.
Fazit
Nein, die Jungs von Opel werden wir nicht für verrückt erklären, 150 PS in einem Corsa zu versenken. Der ehemals Kleine ist richtig groß geworden, bietet mit der 150 PS Motorisierung ein beinahe ideales Paket für den Fahrer, der häufiger raus aus der Stadt und rein ins Autobahngetümmel will, ohne aber gleich die teure Sportvariante OPC zu wählen. Wie gesagt: es muss nicht immer das Endmodell sein.
Modell: Opel Corsa 1.4 Turbo ecoFLEX
Motor: Vierzylinder Reihe, Turboaufladung, 1.364 ccm
Leistung: 150 PS (110 kW) bei 5.000 U/min
Drehmoment: 220 Nm zwischen 3.000 und 4.500 U/min
Antrieb: Vorderradantrieb, Sechsgang-Schaltgetriebe
Verbrauch (ECE): 5,8 l SP/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 8,9 s
Höchstgeschwindigkeit: 207 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,02 m/1,73 m/1,48 m
Gewicht: 1.214 Kg
Grundpreis: 17.705 Euro (Color Edition)
Typklassen (HP/VK/TK): 16/19/22
*Herstellerangaben