RM Sotheby's / Remi Dargegen

70 Jahre Ferrari, Teil 2: 250 GT Berlinetta Lusso

Nach unserem Einstieg mit einem der famosesten Supersportwagen der Geschichte, dem F40, gehen wir mit unserem Ferrari-Spezial etwas weiter zurück, überspringen die wilden Siebziger und gehen direkt in die Zeit von Alain Delon und Jean-Paul Belmondo. Die Zahl 250 hat selbst heute noch eine magische Anziehungskraft, doch damals stand sie nicht nur für eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit, sondern für einen der schönsten Ferrari seiner Zeit – bis heute.

Bild: RM Sotheby’s / Remi Dargegen

Die 250er-Serie hatte Enzo im Jahre 1953 ins Leben gerufen – sowohl Rennsportwagen als auch Straßenautos entstanden unter dieser Bezeichnung. Der bekannteste Vertreter der Straßenautos dürfte jedoch der nicht fassbare 250 GT Berlinetta Short Wheel Base sein. Ready to race, ein Sportwagen vor dem Herrn, selbst heute noch „schnell“, wenn auch nach anderen Maßstäben. Der 250 GT Lusso, den wir hier nun bevorzugt behandeln möchten, war hingegen von anderem Schrot und Korn: er sollte die Lücke zwischen besagtem Berlinetta SWB und dem viersitzigen (1960 präsentierten), ungleich größeren 250 GTE schließen. Enzo strebte einen luxuriösen Grand Tourer an, der ausreichend Platz für Zwei bot und dennoch sportlicher sein sollte als das Modell mit vier Sitzplätzen.

Bild: RM Sotheby’s / Remi Dargegen

Und – oh Überraschung – so kam es natürlich auch. Im Jahr 1962 erblickte der 250 GT Berlinetta Lusso das Licht der Welt. Disegno Pininfarina hatte mal wieder ganze Arbeit geleistet und auch wenn sich der Lusso hauptsächlich durch mehr Chrom und einige Luxusaccessoires vom sportlicheren GT SWB unterschied, kann man allein beim Betrachten der Bilder verstehen, warum sich das Publikum auf der Mondial de l’Automobile 1962 in Paris Hals über Kopf in den feinen Wagen verliebte: der feine Chrom-Lidstrich, perfekte Proportionen, das schlanke Fastback-Heck und nicht zuletzt natürlich das liebevoll gesattelte Interieur dürften auch den letzten Ferrari-Verweigerer davon überzeugen, dass da jemand sein Handwerk verstand.

Bild: RM Sotheby’s / Remi Dargegen

Und er sah nicht nur schön aus: das Chassis bestand zwar aus Stahl, doch trotz aller luxuriösen Anstrengungen behielt man in Maranello stets das Gewicht im Auge: deshalb wurden Türen und Motorhaube aus Aluminium gefertigt. Unter der Haube erblickt man sodann das gewohnte Bild – sofern man sich an einen solchen Anblick überhaupt gewöhnen kann: der Dreiliter-Colombo-V12, gekrönt von drei Weber Vergasern, entwickelte 255 PS, von 0 auf 100 Km/h ging es in immerhin acht Sekunden und die Höchstgeschwindigkeit betrug 240 Km/h. Zahlen, die heutzutage niemanden mehr vom Hocker hauen, aber 1962? Oh ja, damals schon.

Bild: RM Sotheby’s / Remi Dargegen

Glücklicherweise entlieh man sich für den Lusso auch den 2,40 Meter kurzen Radstand des GT SWB, was nicht nur den äußerlichen Proportionen, sondern auch dem Handling entscheidend zugute kam. Ferner spendierte man ihm serienmäßig vier Scheibenbremsen sowie die neue Hinterachse des Rennwagens 250 GTO: der Lusso verfügte damit über die neuartig in die Federn integrierten Stoßdämpfer und über Stabilisatoren. So kombinierte er bis dato derart gekonnt Geschwindigkeit, Handlichkeit und Komfort, wie es kein anderer vor ihm tat. Nicht umsonst zählt der Lusso deshalb zu einem der begehrtesten Stücke der großen 250er-Familie – insgesamt wurden während seiner zweijährigen Bauzeit 350 Exemplare gebaut, bis die Nachfolgeserie „275“ erschien.

Bild: RM Sotheby’s / Remi Dargegen

Der abgebildete 250 GT mit der Chassis-Nummer 5681GT trägt zwar nicht mehr seine originale, aber dennoch eine zeitgenössische Lackierung und stand am 14. Mai 2016 in Monaco bei RM Sotheby’s zur Versteigerung.

Bildquelle: RM Sotheby’s / Remi Dargegen

Wer noch ein wenig weiter in dieser Zeit schwelgen möchte:
70 Jahre Ferrari, Teil 4: der 330 GT 2+2
70 Jahre Ferrari, Teil 6: 275 GTB
70 Jahre Ferrari, Teil 12: 365 GTB/4 Daytona

Und die, die das genaue Gegenteil der „schönen“ 60er-Jahre Ferrari lieben, finden nachfolgend alles zu den Achtziger-Keilen:
70 Jahre Ferrari, Teil 1: der F40
70 Jahre Ferrari, Teil 3: der Testarossa „Monospecchio“
70 Jahre Ferrari, Teil 8: 328 GTS
70 Jahre Ferrari, Teil 9: 512 BBi

Die Neunziger waren designtechnisch schon wieder gemäßigter:
70 Jahre Ferrari, Teil 7: der F50
70 Jahre Ferrari, Teil 13: 456M GTA

Um die 2000er rum baute Ferrari dann übrigens noch so etwas:
70 Jahre Ferrari, Teil 5: 575 Superamerica
70 Jahre Ferrari, Teil 10: 360 Challenge Stradale
70 Jahre Ferrari, Teil 11: Scuderia Spider 16M

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