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Nachdem der VW Polo Cup 2009 in Rente ging und unser Mann für den Motorsport – Maximilian Schneider – seither um sein verblichenes Arbeitsgerät trauert, darf er nun den neuen Polo GTI durch die Eifel scheuchen. Doch ist der 180-PS-Kracher ein legitimer Ersatz?Die Nadel tanzt grazil von links nach rechts, von rechts nach links. Sie dreht, springt, trippelt hektisch. In Kreiselbewegungen hypnotisiert sie, macht auf sich aufmerksam. Nein, hier geht es weder um das neue highend-enthusiast Modell für die häkelnde Hausfrau, noch um ein halluzigenes Lieblingsmärchen für Drogensüchtige. Wobei der Vergleich mit den Drogen nicht weit hergeholt ist, denn – Vorsicht! – dieses Gerät kann süchtig machen. Die Rede ist vom neuen Polo GTI, und gemeint ist die Nadel des Drehzahlmessers. Diese arbeitet sich, getrieben vom serienmäßig-verbauten 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, hektisch bis zur Höchstleistung vor.
Wir befinden uns in der Eifel, nicht weit vom leider geschlossenen Nürburgring. Großer Trost: Die vorliegende Streckenführung des Roadbooks erinnert an eine Wertungsprüfung für Bergrennen, die Getriebeabstufung rundet die Hillclimb-Atmosphäre ab. Im Sekundentakt frisst der Polo mithilfe des DSG die Gänge, als wäre er geradewegs aus der Blutlinie eines aktuellen Formel-1-Wagens entsprungen. Ganz nach dem Charakter des nüchtern-spartanisch eingerichteten Cockpits gilt die Devise: hier wird nicht geschnackt, hier werden Nägel mit Köpfen gemacht. Also muss der verarbeitungs-Ersteindruck hinten angestellt werden. Dieser Polo will schließlich gejagt werden! Ausgangspunkt: das Tal. Zieldurchlauf: 3,2 Kilometer weiter oben. 3,2 Kilometer, die sehr viel Aufschluss geben werden. Die Masterfrage: wie viel „GTI“ steckt im Polo?
Das Publikum bleibt heute mal zuhause, dafür säumen ein paar Pressefotografen den Weg. Die Startampel: ebenfalls rein imaginär. Auch das in der Autojournalistik obligatorisch-metaphorische „erste Gang einlegen“ fällt weg – der DSG-Hebel verharrt abschussbereit auf der manuellen Stellung. Dann der Start. Mit einer für diese Getriebeart typischen Gedenksekunde überwindet das Doppelkupplungsgetriebe die erste Anfahrschwäche um danach mit doppelter Entschlossenheit voranzupreschen. Dies übrigens im wahrsten Sinne: Der winzige 1,4-Liter-Vierzylinder wird mehr als tatkräftig sowohl von Turbo als auch Kompressor unterstützt. Auf gerader Strecke sorgt das für in 6,9 Sekunden auf 100 km/h beschleunigende 1,2 Tonnen.
Und bergauf? Ebenso souverän. Nur sehr schade, dass von dem Luftkomprimaten-Team im Bug wenig zu hören ist. Kein Zischen, kein Pfeifen dringt an unser Ohr. Weniger schade: auch so ist die Geräuschkulisse annehmbar sportlich – allerdings niemals aufdringlich. Den Rest der Klangimpressionen müssen die Fotografen am Rand unter sich ausmachen, denn die erste Kurve tut sich auf. Beim Ankern zur Geschwindigkeitsanpassung fällt auf: der Pedaldruck könnte etwas härter sein. Dafür punktet der Kleine mit einem guten, soliden Druckpunkt und vertrauenswürdigen Verzögerungswerten. Bleibt noch ein unbewerteter Randgruppen-Kritikpunkt: Das Pedal könnte etwas breiter sein, noch weiter nach links ragen. So wäre das Linksfuß-Bremsen vereinfacht. „Typisch, diese Rennfahrer – alles Verrückte!“ wird später ein Kollege zu diesem Thema vor sich hin murmeln.
Ist die passende Kurveneingangsgeschwindigkeit erst mal gefunden und der richtige Gang anhand der am Lenkrad befindlichen Schaltpaddeln sortiert, kann es zur Paradedisziplin des Polo GTI gehen: das Kurvenräubern. Wobei ihm schnellere Kurven fronttrieblertypisch besser zum aggressiv-sportlich dreinblickenden Gesicht stehen als enge Kehren – dort schiebt er trotz elektronischem Quer-Sperrdifferential XDS über die Vorderräder, zerrt aber immerhin kaum am Antriebsstrang und überlässt das Lenkrad weiterhin dem Fahrer. Allgemein fällt das Dynamik-Gesamtbild neutral bis untersteuernd aus. Der GTI ist einfach, gutmütig, verbindlich – nie überfordernd. Ähnlich sieht es bei dem Fahrwerk aus: genügend Rückmeldung, ohne den Rücken zu malträtieren, an der Grenze der Langstreckentauglichkeit und ebenso noch einen ticken zu weich für die Rennstrecke. Ein für Volkswagen üblicher, perfekter Kompromiss, um alle Bedürfnisse so gut es eben geht zufrieden zu stellen, aber nichts zu bevorteilen.
Die nächste Gerade folgt. Wieder geht es die Gangleiter bis hoch in den Fünften. Keine Zugkraftunterbrechung, kein Kopfnicken. Auch der Beifahrer bleibt ruhig. Der Polo schafft endloses Vertrauen, bringt einen schnell und sicher an seine fahrdynamische Grenze. Leider fehlt ihm aber in den letzten 200 Umdrehungen etwas die Kraft, bevor der nächste Gang perfekt anschließt. Behält man allerdings die 1,4 Liter Hubraum im Hinterkopf (der Vorgänger besaß 0,4 Liter mehr!) so ist es fast schon als ein Wunder zu bezeichnen, wie sauber und unaufgeregt der Motor hochdreht.
Wir sind bei Kilometer 2,9 – die letzten zwei Kurven folgen. Beim Einlenken mischt sich das ESP in die Runde, bevormundet leicht. Nicht unbedingt verkehrt, befinden wir uns doch auf einer öffentlichen Straße und so manche Situation könnte in ungeübten Händen für Bedrängnis sorgen – ärgerlich aber, dass es nicht komplett deaktivierbar ist. Beitragend: Auch im manuellen Modus schaltet das DSG am Drehzahllimit von selbst hoch. Nicht weiter schlimm – bei den Schaltzeiten, aber es verstärkt das Gefühl, manchmal eben doch nicht der alleinige Fahrer zu sein. Für diejenigen, denen das „Selbstschalten“ besonders wichtig als erlebbares Gefühl ist, gibt es leider keinen Trost: H-Schaltung nicht erhältlich. Möglicherweise auch deshalb, weil die kombinierten Verbrauchswerte von 5,9 Liter auf 100km sonst nicht zu schaffen sind.
Die „Wertungsprüfung“ ist geschafft, der Polo auch. Die Bremsen knistern, der Auspuff knackt. Es riecht stechend nach dunkel verbranntem Gummi und ausgängig malträtierter Kupplung. Zeit, Auto und Fahrer eine kurze Pause zu gönnen und sich den kleinen etwas genauer anzuschauen. Der Innenraum bietet perfekte Verarbeitung mit hochwertigen Materialien. Designtechnisch ist er allerdings eher nüchtern gehalten. Highlight bleiben Lenkrad, Schaltung und Handbremse, die in Roten Ziernähten eingefasst sind. Viel mehr findet man im Auto auch nicht. Ein Polo ist eben ein Polo, ist ein Polo, ist ein Polo…
Unserer Meinung nach unpassend: die in unserem Testwagen verbauten, optionalen Ledersitze. Sie wirken leicht deplatziert, typischer GTI-Karo-Stoff hätte dem ganzen möglicherweise den letzten Pepp gegeben. Aber auch so bieten die Sitze guten Seitenhalt und perfekten Komfort. Über die noch leicht zu hohe Sitzposition können sie trotzdem nicht hinwegtäuschen. Ausreichend: das allgemeine Platzangebot, auch im Fond. Zu viert Reisen? Machbar, auch wenn dann die Performance des kleinen Räubers massiv leidet.
Außen lässt man am besten den individuellen Geschmack entscheiden. Fest steht: der Polo macht viel her, wirkt dynamisch, sportlich, aggressiv gestyled. Eine schöne Linienführung und eine kräftige Schulter lassen ihn trotzdem nicht zu groß erscheinen. Auch die in den Scheinwerfern eingearbeiteten Tagfahrlichter sind vielleicht nicht jedermanns Sache, im Rückspiegel erkennt man in jedem Fall sofort die Modellzugehörigkeit und integriert wirken sie auch.
Bleibt also die Beantwortung der im Raum stehenden Frage, ob „GTI“ ein Ersatz für „Cup“ ist. Simpel und einfach: nein. Das liegt allerdings auch in der Natur der Sache, da es um den Vergleich eines Straßenwagens mit einem Rennwagen geht, und diese zwei kann man nun mal nicht vergleichen. Der GTI macht aber auch nicht vor, etwas zu sein, was er nicht ist. Dafür macht er das, was er ist, perfekt: GTI steht für „Grand Touring Injection“ – da schließt sich dann wieder der Kreis. Denn mehr Injektion kann man beim Touren mit so einem kleinen kaum bekommen. Vorsicht, Suchtgefahr!
Technische Daten:
Modell: VW Polo GTI
Motor: Vierzylinder-Reihemotor, Turbolader und Kompressor, 1390 ccm
Leistung: 180 PS
Drehmoment: 250 Newtometer
Antrieb: Vorderrad, Siebengang-DSG (Doppelkupplungsgetriebe)
Gewicht: 1194 kg
Verbrauch: 5,9 L/100 Km
0-100 km/h: 6,9 sec.
Vmax: 229 km/h
Preis: ab 22.500 Euro