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Nein, das war so nicht vorherzusehen: der Wahnsinn eines giftgrünen Neo-Muslcecars mit mattschwarzer Haube, 569-herzhaft-lauten-PS mitten in der Münchner Innenstadt. Natürlich, Understatement ist etwas anderes, doch der Aufmerksamkeitswert des von Geiger Performance angespitzten Dodge Challengers war weit mehr als wir erwartet hatten. Gut, wenn der Papst in exhibitionistischer Ekstase sein Mäntelchen auf dem Viktualienmarkt lüftet, dann wären die Blicke sein, doch sonst kann dem grünen Unikum so schnell nichts die Schau stehlen.
Und dabei fing alles so harmlos an: Herzlich wurden wir vom Firmeninhaber Karl Geiger persönlich empfangen und durch die heiligen Hallen geführt. Vorbei an Vorkriegs-Hot-Rods, gepimpten H2-Hummern mit Felgen die man zum Riesenrad-fahren nutzen könnten, ausgewählten Schätzen wie Shelby GT500, Ford GT und sogar frisch importierten Umweltschützern aus den USA in Form von GMC-Hybrid-SUV’s. Bodenständig sei er in all den Jahren geblieben, hätte die Finger von windigen Geschäften und teuren Luxusimmobilien gelassen und sich stattdessen immer ums Geschäft gekümmert, das entlockt man dem „Karl“, wie ihn seine Fans liebevoll nennen, nach einer Kennenlernphase und dann zeigt er auch schon das Objekt der Begierde: den von seinen Jungs kompressorgeladenen Challenger SRT8.
Eingeparkt und voll mit Verkaufsbeklebung steht er im Showroom und unsere Hoffnung den Boliden um die vier Ecken zu fahren schwinden zusehends. Doch da kennen wir den Karl schlecht. Den O-Ton können wir auf Grund eklatanter Bayrisch-Mängel zwar nicht wiedergeben, aber so schnell wie der Chef den Challenger ausgeparkt und mit der Rasierklinge die Beklebung von der Scheibe entfernt hat, haben wir so auch schon länger (überhaupt schon mal?) nicht gesehen. Die roten Schilder waren ebenso schnell am Auto wie der Hinweis in der Stadt doch bitte mit runtergelassenen Scheiben zu fahren. Das Gesetz mag in Deutschland eben keine getönten Scheiben vorne – wo es doch so unendlich gut ausschaut. Sei’s drum. Fenstern runter, Motor an und gleich noch den Schlüssel für den Kamera-Hummer zugeworfen bekommen. Ab geht die wilde Fahrt.
Zunächst ist alles ganz unspektakulär. Fahrstufe D eingerückt, Fuß von der Bremse und schon rollt der Geiger auf seinen mächtigen 22-Zöllern vom Hof. Das schafft Vertrauen, denn die magischen Ziffern 569 HP, die vor den Ram-Air-Einlässen auf der Haube prangen, wecken doch so etwas wie Ehrfurcht. Wir fahren den beschriebenen Weg raus aus München und rein in die bayrische Landidylle. Lässig röchelt der 6.1er HEMI sein Verbrennungslied in die Landschaft und das Corsa-Logan-Golf-fahrende-Verkehrsumfeld wirkt leicht verstört. Dabei haben wir noch gar kein Vollgas gegeben – das hat seinen Grund, denn schließlich sind weder die acht Kolben, noch die mächtigen Michelin Pilot Sport, deren 295mm breite Gummimischung sich den Gewalten der 678 Newtonmeter zu widersetzen versucht, auf Betriebstemperatur
Im Stadtverkehr blitzt zum ersten Mal das größte Talent des Challengers zart auf, seine Fähigkeit zum Cruisen. Beruhigend grummelt er an der Ampel um nach dem Grün mit kaum erhobener Stimme davonzurollen. Keine Hektik, keine Nervosität, sondern Ruhe und Kraft verströmt der wilde Grüne. Ein Weichei also? Kein Racer für den Strip? Oh nein, weit gefehlt. Sobald die Kühlwasseranzeige grünes Licht für den Vollgas-Showdown gibt, reißt der Geiger seine Schönwetter-Maske vom vergitterten Gesicht. Böse brüllt der V8 und der mächtige Kompressor wirft sein durchdringendes Heulen in die Geräuschkulisse. Die Michelins malen breite Marken auf den Asphalt und das ganze Heck windet sich schwänzelt auf der Flucht nach vorn. Jetzt wissen wir warum man die echten Musclecars auch „snakes“ nennt.
Die 569 PS machen mit dem Chassis was sie wollen. Egal welcher Gang, egal welche Geschwindigkeit, bei Bedarf wird geschwänzelt und die Straße verziert. Ohne Vollgas. Halbgas reicht da völlig. Und das bringt uns zum oben erwähnten Wesenszug des GT’s: er ist ein Cruiser. Rennen kann er, aber das ist langweilig, denn Gegner gibt es praktisch keine. Fenster runter, lässige Musik über die hochwertige und perfekt installierte Pioneer-Anlage und dazu die zwerchfell-massierende Bassline des HEMI’s im Ohr – so geht Autofahren. Dass der Verbrauch bei derartiger Haltung im Rahmen bleibt überrascht nicht, die Dimension des Rahmens hingegen schon: 12,6 Liter zeigte der Bordcomputer während unserer Dreharbeiten und nein, wir haben ihn nicht auf /mpg stehen gehabt.
Was spricht also gegen so eine Cruising-Machine? Eigentlich nichts, die Preise starten bei 45.000 Euro und unser mit Kompressor, bigbrake-Bremse, Fahrwerk und sonstigen Modifikationen bis an die Zähne bewaffneter SRT8 GT steht mit 89.000 Euro in der Preisliste – verglichen mit der Konkurrenz ist das nicht überzogen, doch das Umfeld ist wie so oft das Problem. An jeder Ampel „musst“ du Rennen fahren, alle schauen sich nach Dir um und alle wissen, dass du da bist. Inkognito geht nicht. Nicht in grün, nicht mit 22-Zoll-Felgen und nicht mit diesem Auspuffsound. Wer damit leben kann sollte schnell zum Karl und sich den Challenger mal genauer ansehen.
Fürs Geld gibt es viel Auto, das dank sorgsam abgestimmtem Gewindefahrwerk auch europäischen Fahrdynamik-Ansprüchen gerecht wird und bei Bedarf diese unbeschreibliche Krafteruption abliefert, von der man nie genug bekommen kann. Und ein bisschen Kind darf man natürlich immer sein, beispielsweise wenn sich ein Münchner Gigolo mit seinem CLK500 noch schnell die Pole-Position an der Ampel erzwingt und dem „peinlichen Ami“ und seiner Beifahrerin mal zeigen möchte wer der Herr der Kavalierstarts ist.
Dumm nur, wenn der Geiger GT dann Vollgas gibt. Und ja, wir haben alles gegeben. Was sich in den folgenden Augenblicken mitten in der Münchner Innenstadt, irgendwo in der Nähe des Vikutalienmarktes abspielte, erwartete weder Mister Loverlover im CLK, noch das auf „Cruiser“ eingestellte Pilotenhirn im Challenger: Einem infernalischen Leerlaufrülpser folgte ansatzlos das eingeschüchterte Jammern der breiten Hinterachs-Michelins, doch der Kompressor gab weiter den Befehl zum vollen Anblasen. Nun bekamen die Gummis den bayrischen Asphalt zu fassen, um sich ohne Rücksicht auf Profilverluste mit ihm zu verzahnen. Der Sprung, den der SRT8 GT in diesem Moment in Richtung CLK macht ist so gewaltig, dass man Angst haben muss, den süßen Schwaben in eine Blechzieharmonika zu verwandeln. Doch einmal auf dem Gas und den V8-Benz zutiefst gedemütigt, lässt der Challenger nicht nach: Der Erste wird ausgedreht, dann reißt der Wandlerautomat den Zweier in den Kraftschluss. Die Schaltpause nutzt der Kompressor zum herrlich prustenden Abblasen, um sich danach noch einmal teuflisch heulend ins Geschehen zu stürzen.
Das Lautstärke und Geschwindigkeit in diesem Moment so gar nicht mehr in die Münchner Innenstadt passen wollen, bekommst du als Fahrer kaum mit – alles geht zu schnell, alles ist zu brachial, das Hirn ist schlicht zu langsam die richtigen Befehle zum Gegensteuern zu geben. Vielleicht ist es aber auch die Lust nach mehr, die dich einfach draufbleiben lässt. Die nächste rote Ampel holt uns dann aber auf den Boden der Tatsachen zurück. Anhalten, durchatmen, alles wird gut. „Can you take a picture of me and the church“ – „Yes, but not with that ugly green car in the back!“. Und da sind wir wieder beim Thema. Diese Szene, gesprochen von einer Gruppe englischer Touristinnen gesetzten Alters zeigt die Problematik des Challenger GT’s. Er wird nicht verstanden. Er ist kein halbseidener Prolet, keine Selbstbewusstseinsstütze für zu-kurz-Gekommene, sondern einfach ein lässiger Cruiser. Ein Auto in dem man der Nerverei des Alltagsverkehrs entkommt und in dem man über die Provokationen anderer Verkehrsteilnehmer locker hinwegsieht – meistens zumindest.
Trotzdem würden wir ihn nicht in grün bestellen. Dunkelgrau mit schwarzen Stripes. Ja, das wäre es. Wir müssen da mal mit dem Karl drüber reden.
Technische Daten
Modell: Geiger Challenger SRT8 GT
Motor: Acht-Zylinder-Benziner, 6100 ccm
Leistung: 569 PS
Drehmoment: 678 Newtonmeter
Antrieb: Heck, 5-Gang automatisch
Verbrauch: 12.7L / 100 Km Benzin
0-100km/h: 5,1 Sekunden
Vmax: 272 km/h
Preis: ab 89.900 Euro