Nach dem kurzen Ausflug in die schillernden Achtzigerjahre mit dem Einspiegel-Testarossa geht es zurück in die Hochzeit der luxuriösen Zwölfzylinder-Coupés. Mit dem 250 GTE hatte Il Commendatore erkannt, dass man mit großen, komfortablen und teils viersitzigen Reisewagen eine Menge Geld verdienen konnte – und das war nunmal so ziemlich das Einzige, was Enzo abseits von Rennsiegen interessierte. Im Jahre 1964 wurde folgerichtig mit dem 330 GT 2+2 der offizielle Nachfolger des 250 GTE präsentiert – zwischendurch, 1963, gab es nur noch die Übergangslösung 330 America, die den neuen Vierliter-Zwölfzylinder (interne Bezeichnung: Tipo 209) mit der Karosserie des 250 GTE kombinierte.
Auf diesen Bildern sehen wir bereits die zweite Serie des 330 GT 2+2 – heute würde man neudeutsch auch Facelift dazu sagen. Die Serie 1 trug die sie heute noch sehr charakterisierenden Doppelscheinwerfer „Chinese Eyes“, doch offenbar war ihr Erfolg zumindest in Europa nur mäßig, weshalb man in Maranello nach nur zwei Jahren Bauzeit und 625 Exemplaren im Jahr 1966 auf je einen Scheinwerfer pro Seite umschwenkte. Die Modellbezeichnung „330“ blieb jedoch bei beiden Serien gleich und wird aus dem Volumen eines einzelnen Zylinders von nahezu 330 cm³ abgeleitet.
Der V12 basiert in seiner Grundkonstruktion immer noch auf dem ursprünglich von Gioacchino Colombo im Jahr 1948 entworfenen 1,5-Liter-Zwölfzylinder, wurde jedoch zuletzt Anfang der Sechzigerjahre von Ferrari grundlegend umkonstruiert und hatte im 330 GT nunmehr knapp vier Liter Hubraum. Die Leistung war mit gut 300 PS für damalige Verhältnisse beachtlich und in der zweiten Serie wurde sogar ein Fünfgang-Schaltgetriebe verwendet (Serie 1: Viergang, abgesehen von gut 120 Interimsmodellen).
Und auch abseits von Hubraum und Leistung achtete man bei Ferrari schon immer darauf, wettbewerbsfähig zu bleiben und den Kunden doch einige Annehmlichkeiten zukommen zu lassen. Ob sich Enzo gegen die Einführung einer Zweikreis-Bremsanlage im 330 GT gewehrt hat, ist allerdings nicht überliefert, fest steht: der Wagen bekam sie mitsamt Scheibenbremsen an allen vier Rädern. Außerdem kamen hydraulische Teleskopdämpfer von Koni zum Einsatz, die abgebildeten Zehnlochfelgen mit Zentralverschluss waren serienmäßig, während es die heute beliebten Chromspeichen „Borrani“ gegen Aufpreis gab.
Den Erfolg des 250 GTE konnte der 330 GT 2+2 mit gut 1.100 gebauten Exemplaren nur knapp einstellen, was möglicherweise auch daran lag, dass die zweite Serie nach nur zwei Jahren Bauzeit und rund 460 Autos durch den 365 GT 2+2 – Spitzname Queen Mary – abgelöst wurde. Mit diesem etwas stärkeren und noch luxuriöseren Modell versuchte sich Enzo Ferrari stärker als je zuvor in der Liga der Luxuscoupés.
Der abgebildete 330 GT 2+2 mit der Chassis-Nummer 08485, lackiert in geschmackvoller Farbkombination blu chiaro / beige, wurde am 19. Januar für 253.000 US-Dollar von RM Sotheby’s in Arizona versteigert.
Bildquelle: RM Sotheby’s / David Bush
Wer sich mehr über einen der vielen 250er Ferrari informieren möchte, findet hier etwas zum 250 GT Berlinetta Lusso:
70 Jahre Ferrari, Teil 2
Und zu dessen Nachfolger haben wir ebenfalls schon Informationen:
70 Jahre Ferrari, Teil 6: 275 GTB
Wer stattdessen eher den Achtziger-Keilen unterworfen ist:
70 Jahre Ferrari, Teil 1: der F40
70 Jahre Ferrari, Teil 3: der Testarossa „Monospecchio“
70 Jahre Ferrari, Teil 8: 328 GTS
70 Jahre Ferrari, Teil 9: 512 BBi
Und wer auch V12 will, aber was Neueres:
70 Jahre Ferrari, Teil 5: 575 Superamerica
70 Jahre Ferrari, Teil 7: der F50
70 Jahre Ferrari, Teil 13: 456M GTA
Zum Daytona haben wir natürlich auch etwas:
70 Jahre Ferrari, Teil 12: 365 GTB/4 Daytona
Auch in den 2000ern gab es dann so einiges, das sportlich war:
70 Jahre Ferrari, Teil 10: 360 Challenge Stradale
70 Jahre Ferrari, Teil 11: Scuderia Spider 16M