24h von Le Mans 2012: Deltawing – Rennrakete für die Rundstrecke

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Als der ACO beim 24h-Rennen 2011 in Le Mans bekannt gab, dass die für innovative Fahrzeuge gedachte Garage 56 im Jahr 2012 an den Deltawing gehen würde, reichte die Reaktion der Fans von Unverständnis bis hin zu offener Ablehnung. Doch was steckt hinter diesem Fahrzeug, das eher an eine Rakete, denn an einen Langstrecken-Rennwagen erinnert?

Schon das Design des Fahrzeugs polarisiert. Die Schmale Front, das breite Heck und die in den ursprünglichen Renderings noch vorhandenen Leitwerksfinnen erinnerten mehr an ein Flugzeug, denn einen Rennwagen. Gerade die schmale Front mit den beiden fast zusammenstehenden Rädern lud diverse Fans immer wieder zu vergleichen mit Traktoren und Piaggio Apes ein. Schaut man sich aber einmal an, wer hinter dem Konzept steht, verlieren diese Anspielungen schnell an Bedeutung. Kein geringerer als Don Panoz, der mit seinen Frontmotor-LMP Ende der 90er und Anfang bewiesen hatte, dass auch skurrile Konzepte erfolgreich sein können, steckt hinter dem Nissan Deltawing. Auch die Wahl von Einsatzteam Highcroft, das die Erfolge von Acura in der AMLS prägte, zeigt,  dass dahinter durchaus ernstzunehmende Leute und Gedanken stecken.

Geburt als Indycar
Die Anfänge des Deltawing reichen zurück bis ins Jahr 2009. Damals schrieb die Indycar-Serie einen Wettbewerb für ein neues Chassis-Design aus. Der Deltawing gewann den Contest. Der Grundgedanke war, dass man durch eine verbesserte Aerodynamik und einen kleinen Motor dieselben Geschwindigkeiten bei weniger Verbrauch und Kosten erhalten wollte. Schon damals lachten die Fans über den Entwurf, insbesondere wegen der erwarteten fehlenden Kurveneignung. Auf den Ovalen ist das Lenken zwar von untergeordneter Bedeutung, nicht aber auf den Straßenkursen, die mittlerweile gut die Hälfte des Indycar-Kalenders ausmachen.

Nachdem sich die Indycar-Kommission schließlich gegen den Deltawing als Einsatzfahrzeug ausgesprochen hatte, wurde es zunächst ruhig um das Projekt. Die Garage 56 in Le Mans war zwar bekannt, aber insgeheim wurde von allen Seiten damit gerechnet, dass diese im Jahr 2012 entweder an den Porsche 911 GT3 Hybrid, oder den Porsche 918 RSR gehen würde. Doch weit gefehlt. Das Erstaunen in der Rennsportwelt war umso größer, als der ACO im Juni 2011 die Katze aus dem Sack ließ und den Deltawing als Starter präsentierte.

Geringer Verbrauch als Grundgedanke
Hinter dem Deltawing steckt die Überzeugung, dass ein Wagen, der etwa halb soviel Leistung und Gewicht wiegt wie ein aktueller LMP-Renner hat, ähnliche Rundenzeiten fahren kann – dabei aber nur halb so viel Sprit und Reifen verbraucht. Da außerhalb des normalen Reglements gearbeitet werden konnte (von einigen FIA Sicherheitsvorschriften abgesehen), ergaben sich bisher wenig genutzte Möglichkeiten um das Fahrzeug fahrbar und schnell zu machen.

Kombination bekannter Komponenten
Der Deltawing basiert auf dem Monocoque des wenig erfolgreichen Aston Martin AMR-01 aus dem letzten Jahr sowie einem 1,6 Liter großen Turbomotor von Nissan. Der Motorenlieferant wurde dabei erst im März, kurz vor den ersten Tests bekanntgegeben. Die Verwendung eines bewährten Monocoques erleichterte die Zulassung, da weniger Crashtests erforderlich waren. Außerdem konnte die Zeit zum Aufbau des Fahrzeugs dadurch deutlich reduziert werden.

Der Motor wurde vom WTCC-Team RML vorbereitet und entwickelt. Er leistet rund 300 PS. Dies entspricht etwas mehr als der Hälfte der Leistung der anderen Prototypen, die in der LMP1 auf ca. 550 PS kommen dürften.

Schmale Front, breites Heck
Deutlichstes, optisches Erkennungsmerkmal ist sicherlich die Form de Deltawing. Anders als im Internet oft gewitzelt wurde, hat das Fahrzeug aber sehr wohl zwei Vorderräder, auch wenn diese lediglich 100 Millimeter schmal sind. Die Reifen stammen übrigens von Michelin, also einem ebenfalls sehr angesehenen Hersteller, der auch Audi ausrüstet. Die Hinterreifen weisen eine normale Breite auf – wie auch der Deltawing selbst.

Torque Vectoring unterstützt das Lenken
Im Vorfeld war oft bezweifelt worden, ob das Fahrzeug überhaupt lenken könne. Die Tests in Sebring und auch der Auftritt beim Le Mans-Vortest am vorletzten Wochenende zeigten aber durchaus annehmbare Kurvengeschwindigkeiten. Ermöglicht wird das durchs sogenannte Torque Vectoring. Bei einem gewöhnlichen Differential verteilt sich die Kraft entsprechend der Drehzahlen. Das bedeutet, das schneller drehende kurvenäußere Rad erhält weniger Kraft, als das kurveninnere. Wird nun eine Starre Achse oder ein Sperrdifferential verwendet, können beide Räder dieselbe Kraft übertragen, allerdings drehen dann auch beide Räder gleich schnell. Die Lösung besteht in einer Reibkupplung, die es erlaubt, das Differential und da kurvenäußere Rad mit höherer Geschwindigkeit drehen zu lassen und so die Hauptkraft aufzunehmen. Ähnliche Systeme sind im Audi S4 und im BMW X6 in Serie.

Rundenzeitenziel knapp verfehlt
Im März war als Ziel ausgegeben worden, dass die Rundenzeiten des Deltawing in etwa zwischen denen der LMP1 und der LMP2 liegen sollten. Dies hätte also eine Rundenzeit von ca. 3:40 Minuten bedeutet. Dieses Ziel wurde aber mit 3:47 verfehlt. Die Zeiten lagen eher im hinteren Bereich des LMP2 Feldes. Allerdings waren dies die ersten „echten“ Runden des Prototypen auf der Strecke von Le Mans und eine weitere Steigerung bis zum Rennen ist durchaus nicht auszuschließen.

Fahrer aus dem Nissan Kader
Die Fahrer des Deltawing stammen zu einem guten Teil aus dem Kader von Nissan. So fuhr Michael Krumm im vergangenen Jahr noch für Nissan in der GT1-WM. Dies ist auch dadurch bedingt, dass das Highcroft-Team im vergangenen Jahr die Tore eigentlich schließen musste und die bisherigen Fahrer nun wo anders untergekommen waren.

Quelle: Sportcar-Info