Oder: ich trage einen großen Namen. Denn Superamerica, das klingt schon nach was. Klar, nach Größe und Stärke, aber auch nach Glamour, Eleganz, nach dem Genuss, einen offenen Zwölfzylinder entlang der Westküste dem Sonnenuntergang entgegen zu bewegen. Mit dem 575 Superamerica formte Pininfarina diesen blechgewordenen Traum. Doch wie kam es dazu?
Dazu müssen wir etwas weiter ausholen, schließlich sprechen wir beim 575 Superamerica von einem gerademal zwölf Jahre alten Auto. Und wie so häufig geht die Namensgebung bei Ferrari auf eine deutlich ältere Tradition zurück, getreu dem Motto: was schonmal gut lief, wird auch jetzt wieder gut laufen – man sieht das ganz gut am aktuellsten Beispiel, dem 812 Superfast. Einige Superamerica hingegen gab es bereits in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, der Zusatz „(Super-)America“ bedeutete in diesem Falle stets einen besonderen Wagen mit außergewöhnlicher Karosserie: der 410 Superamerica war der erste Wagen mit dieser Bezeichnung, er trug den damals bekannten Colombo-V12 mit 4,5 Litern Hubraum unter der schönen Haube, die entweder von Pininfarina, Boano, Ghia oder Scaglietti designed wurde. Sein Nachfolger wurde Anfang der Sechziger der 400 Superamerica, der es – in ähnlich homöopathischen Dosen und zu fantastischen Preisen (man spricht von dem doppelten Preis eines 300 SL Flügeltürers) verkauft – auf rund 50 Exemplare brachte.
Knapp vierzig Jahre später zeigte Ferrari nun endlich wieder einen wahren Superamerica. Der Wagen basierte, wie der Name schon sagt, auf dem 575M, sprich: dem Facelift des Frontmotor-V12-Coupés 550 Maranello. Der 575M war der erste Ferrari, bei dem man den Zwölfzylinder mit dem damals noch recht frischen automatisierten Schaltgetriebe F1 (für 7200 Euro Aufpreis) kombinieren konnte – wahlweise war jedoch auch die herkömmliche Sechsgang-Handschaltung erhältlich. Der 5,7-Liter-V12 leistete 515 PS und beschleunigte in 4,3 Sekunden auf 100 Km/h. Anders als sein Vorgänger 550, den es auch nur mit einem Notverdeck und dem Beinamen Barchetta gab, wurde der 575M zunächst nur als Coupé vorgestellt.
Da Ferrari aber nach eigenen Angaben die Idee des „Klappdachcabrios“ à la Mercedes SL interessant fand, stellte man 2005 den 575 Superamerica vor, der vor allem durch seine Dachkonstruktion polarisierte. So vollführte der mittlere Teil des Daches auf Knopfdruck in knapp unter sieben Sekunden eine Drehung um 180 Grad, um sich in eine extra hierfür vorgesehene – und aufgrund der ovalen Form auch notwendige – Aussparung auf dem Heckabteil abzulegen. So wurde aus dem geschlossenen Coupé im Handumdrehen ein Targa, ohne dabei nennenswerte Veränderungen in der Seitenlinie vornehmen zu müssen. Als besonderer Clou wartete das Glasdach mit einer variablen Lichtdurchlässigkeit auf: in fünf Stufen konnten Fahrer oder Beifahrer den Innenraum bis auf vier Prozent Durchlass herunterdimmen.
Den mit der aufwendigen Technik einhergehenden Gewichtsnachteil von gut 60 Kilogramm im Vergleich zum geschlossenen 575M wusste man bei Ferrari auch gleich zu kompensieren und schenkte dem Superamerica den leicht erstarkten 540 PS-V12 aus dem großen Coupé 612 Scaglietti. Er beschleunigte in 4,2 Sekunden und damit noch etwas schneller als der Serien-575 auf 100 Km/h. Und trotzdem konnte sich so mancher den Spott nicht verkneifen: Fuhr man bei Regen offen, sammelte sich schnell Wasser im Innenteil des Daches – und ergoss sich beim Schließvorgang genüsslich über die Insassen. Aber wer Ferrari fährt, musste immer schon ein wenig leidensfähig sein. Dem Erfolg des 575 Superamerica tat das keinen Abbruch: nur kurz nach der Präsentation waren alle 559 Exemplare verkauft – zum Preis von gut 250.000 Euro.
Der abgebildete dunkelblaue 575 Superamerica war stets in Italien zu Hause, wurde nach Mailand ausgeliefert und am 26. November 2016 für 403.200 Euro auf der Duemila Ruote von RM Sotheby’s versteigert.
Bildquelle: RM Sotheby’s / Tim Scott
Wer schonmal ein wenig in die Zeit der Superamericas schnuppern möchte, wir haben da:
70 Jahre Ferrari, Teil 2: 250 GT Berlinetta Lusso,
70 Jahre Ferrari, Teil 4: 330 GT 2+2,
70 Jahre Ferrari, Teil 6: 275 GTB
und
70 Jahre Ferrari, Teil 12: 365 GTB/4 Daytona
für Euch.
Eher in die Zeit des 575 fallen:
70 Jahre Ferrari, Teil 10: 360 Challenge Stradale
70 Jahre Ferrari, Teil 11: Scuderia Spider 16M
70 Jahre Ferrari, Teil 13: 456M GTA
Außerdem noch die Extrem-Keile der Achtziger:
70 Jahre Ferrari, Teil 1: der F40
70 Jahre Ferrari, Teil 3: Testarossa „Monospecchio“
70 Jahre Ferrari, Teil 8: 328 GTS
70 Jahre Ferrari, Teil 9: 512 BBi
Weniger Keil, dafür mehr rund, bietet:
70 Jahre Ferrari, Teil 7: der F50