Herbstfahrt: Nissan Navara NP300 im Test

Wir hätten diesen Report auch mit „Die neue Mercedes X-Klasse im ersten Test“ überschreiben können. Denn was musste diese nur für Spott und Häme über sich ergehen lassen. Also nicht die X-Klasse selbst, sondern vor allem ihre Entwickler bei Daimler. Und das insbesondere deshalb, weil sie keine Eigenentwicklung ist. Sondern grob auf dem Nissan Navara basiert. Manch Schreiberling war darüber so entrüstet, dass er dem Navar(r)a ein zweites „r“ spendierte. Doch damit tut man dem neuen Nissan Navara Unrecht.

Immerhin war er im vergangenen Jahr Deutschlands drittmeist verkaufter Pickup – und diesen Erfolg fuhr bereits der Vorgänger ein. Der NP300 soll, wie die Zusatzbezeichnung verrät, alles noch viel besser machen. Rein optisch merkt man bei unserem Herbstgoldenen Testwagen davon noch nicht viel, ein bisschen LED-Lametta hier, etwas veränderte Schweller und Schürzen dort, ansonsten hat sich im Vergleich zum Vorgängermodell nicht viel getan. Lifestyle-Pickup können andere versuchen. Mercedes-Benz zum Beispiel.

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Auch im Inneren gibt der NP300 keine Rätsel auf. Gut, die Verarbeitungsqualität und die Materialauswahl hat sich nach unserem Befinden schon verbessert, zumal wir die höchste Ausstattungslinie TEKNA fuhren – sprich: inklusive Lederausstattung, Glasdach, Klimaautomatik und großem Navi. Aber dennoch merkt man, dass man in einem Arbeitstier sitzt. Der Innenspiegel klebt noch ganz alleine und ohne kiloweise Kameras und Sensoren an der Scheibe, herkömmliche Instrumente zeigen Drehzahl und Geschwindigkeit und ein stinknormaler Schalthebel ragt aus der Mittelkonsole. Hier ist alles auf Langlebigkeit ausgelegt.

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Auf Knopfdruck erwacht der 2,3-Liter Vierzylinder-Diesel, der in unserem Navara in der stärkeren Ausbaustufe mit Biturbo-Aufladung, 190 PS und 450 Newtonmetern Drehmoment seinen Dienst verrichtete. Doch dazu später mehr. Wir müssen erstmal einen geeigneten Vorwärtsgang finden und geben zu, dass wir knackigere Gangschaltungen gewöhnt sind. Und solche mit kürzeren Schaltwegen. Das Getriebe erinnert dann doch etwas an einen LKW. Wer das nicht mag, kann beim großen Motor auch auf eine Siebengang-Wandlerautomatik zurückgreifen.

Etwas Eingewöhnung erfordert auch die schiere Länge des NP300 Navara: Ganze 5,33 Meter fährt man im Falle des Double Cab durch die Gegend, da ist man schon beruhigt über die insgesamt vier Kameras, die einen zwar im Zweifel nicht vor einem Crash mit Rollator-Omi bewahren, aber dennoch zumindest für etwas mehr Übersicht sorgen. Auch wenn die Bird-View-Ansicht noch etwas lieblos ausfällt – das kann ja dann Mercedes-Benz schöner machen.

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Doch ansonsten fährt es sich überraschend angenehm im Navara. Besonders auf der Autobahn gefällt der durchzugsstarke Motor, der auch mal Tacho 200 möglich macht, doch auch auf der Landstraße und im Stadtverkehr gibt sich der Japaner deutlich PKW-artiger, als es sein Aussehen vermuten lässt und als es seine Vorgänger waren. Das liegt zum Großteil sicher auch an den erstmals im Navara verbauten Schraubenfedern für die Starrachse, die allerdings dem Double Cab vorbehalten sind. Sie ermöglichen einen für alle Lebenslagen ausreichenden Fahrkomfort. Einzig die bei häufig aufeinanderfolgenden Bodenwellen nachwippende Hinterachse erinnert dabei noch daran, in was für einem Auto man hier sitzt. Schnelle Kurvengeschwindigkeiten sind allerdings nicht seine Stärke, hier macht sich die hohe Masse und die ungleiche Gewichtsverteilung bemerkbar. Bei winterlichen Straßenverhältnissen schiebt derweil auch gern mal das (unbeladene) Heck und desöfteren Traktionsprobleme deuten darauf hin, dass die 450 Newtonmeter Drehmoment für den Navara absolut ausreichend sind.

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Dem könnte man zwar vorbeugen, indem man die Vorderachse per Schalter zur zusätzlichen Antriebsachse macht. Doch sollte man auf das Handbuch hören und dies nur auf tatsächlich glatter respektive nicht asphaltierter Fahrbahn tun. Für den Alltagsbetrieb oder gar die Autobahn ist der Allradantrieb aufgrund extremer Nebengeräusche und einer unkomfortablen Verschränkung nicht geeignet.

Umso mehr eignet er sich dazu natürlich abseits asphaltierter Straßen. Optional verbaut Nissan zu 620 Euro Aufpreis sogar eine 100-Prozent-Differentialsperre an der Hinterachse, was in kniffligen Situationen durchaus hilfreich sein kann. Begrenzt wird der Weg durchs Gelände lediglich durch den extrem langen Radstand, die eigentlichen Abmessungen des Navara und durch die mit sechzig Zentimetern recht niedrige Wattiefe. Doch erfahrungsgemäß wollen die wenigsten Kunden tatsächlich eine Expedition samt Flussdurchfahrt mit einem Navara vollführen, sondern ihn vielmehr dafür nutzen, wofür er gebaut wurde: als Lastesel, als Nutzfahrzeug. Und dafür ist er perfekt – mehr noch: er bietet sogar ausreichenden Komfort, um auch die Langstrecke mit der Familie zu meistern. Sofern man eine Laderaumabdeckung montiert.

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Überrascht hat uns auch der Verbrauch des 190 PS starken Zweitonners: wir erreichten zwar nie den angegebenen Schnitt von 6,4 Litern, doch das ist man ja von allen anderen Herstellern gewohnt und ist – zugegeben – auch arg optimistisch. Aber die Acht vor dem Komma war problemlos möglich und wir mussten schon einen sehr schweren Fuß auf der linken Spur haben, um überhaupt über die Zehn zu kommen. Im Schnitt wird man den Navara somit zwischen 8 und 9 Litern Diesel pro 100 Kilometer bewegen. Und das ist – für die gebotene Performance und die Fünfmeterdreißig Auto – ein verdammt guter Wert.

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Letzten Endes wird aus einem Navara aber auch mit einem NP300-Schild keine Alternative zu einem „herkömmlichen“ SUV gemacht. Dafür ist das Fahrzeugkonzept mit offenem Laderaum zu speziell und das Auto insgesamt zu groß. Aber es wird helfen, die Zahlen der Zulassungsstatistik weiter anzukurbeln – dafür braucht es nichtmal eine X-Klasse.

Technische Daten*

Modell: Nissan Navara Double Cab Tekna 2.3 dCi
Motor: Vierzylinder-Reihe, 2.299 ccm
Leistung: 190 PS (140 kW) bei 3.750 U/min
Drehmoment: 450 Nm zwischen 1.500 und 2.500 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb mit zuschaltbarem Vorderradantrieb, Sechgang-Schaltgetriebe
Verbrauch (ECE): 6,4 l Diesel/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 8,7 s
Höchstgeschwindigkeit: 184 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 5,33 m/1,85 m/1,84 m
Gewicht: 2.038 Kg
Grundpreis: 39.975 Euro
Typklassen (HP/VK/TK): 23/22/21

*Herstellerangaben