Nun also der 280er mit Performance Paket. Wir konnten es kaum mehr erwarten, den jüngsten und gleichzeitig größten Spross der Seat Léon Familie in den Fingern zu haben. Hatten doch die miserablen Winterreifen dem im Frühjahr gefahrenen Léon SC Cupra 265 ordentlich das Testfazit verhagelt.
Folgerichtig wurde uns die neue Kombiversion ST mit der größtmöglichen Maschine und dem heißbegehrten Performance Paket versprochen. Für Mitte Juni. Da geht die Wahrscheinlichkeit für einen Testwagen auf Winterreifen glücklicherweise gegen Null.
Zurück zum Thema Windeln: Dachhoch beladen gehen knapp 590 Liter in den Léon ST, klappt man die Rücksitze um, sind es sogar 1.470 Liter. Damit liegt der Léon nicht weit unter dem Niveau des Golf VII Variant, was man ihm aufgrund seiner gefälligeren Optik gar nicht zugetraut hätte. Und das Kombiheck hat noch weitere Vorteile gegenüber seinem kurzen Bruder SC. Doch die kann man ausnahmsweise nur erfahren.
Dann machen sich nämlich das etwas höhere Gewicht auf der Hinterachse und der um dreißig Zentimeter gewachsene Radstand bemerkbar. Wurde das Hinterteil des Léon SC beim scharfen Anbremsen doch etwas unruhig, bleibt der Kombi unbeeindruckt auf Kurs. Sehr flott gefahrene Kurven mit landstraßentypischen Verwerfungen absolviert der ST deutlich ruhiger und satter, wobei die serienmäßige Fahrwerkseinstellung stets auf „Cupra“ verbleiben kann. Höchstens auf langen und schlechten Autobahnabschnitten ist man versucht, den „Komfort“-Modus anzuwählen. Gleiches gilt für das Motor-Setup: Wurde der SC in Stellung „Cupra“ vor allem laut und brummig, bewahrt der ST die Contenance. Wir vermuten ein Softwareupdate; der Kombi erscheint in allen Facetten eine Spur gedämpfter.
„Schneller als der Rest der Verkehrsteilnehmer“
Wobei „gedämpfter“ nicht mit „Sänfte“ gleichzusetzen ist. Die Lenkung arbeitet zackig und direkt, auftretende Traktionsschwächen werden allerdings vollkommen absorbiert. Nur die aufflackernde Traktionskontrolle zeigt den Gripverlust der am Testwagen verbauten Bridgestone Potenza, die ihre Haftgrenze in zügig gefahrenen Kurven sogar noch etwas früher ankündigten. In diesem Falle ist man jedoch meist schon schneller als der Rest der Verkehrsteilnehmer, doch bleibt es beim Gefühl, nicht alles aus Fahrwerk und Bremse herausholen zu können: Michelin Pilot Sport Cup 2 ist die Antwort.
Wer schon beim Start schneller als seine Kollegen im Straßenverkehr sein will, sollte sich die lächerliche Launch-Control des DSG lieber sparen, um peinliche Situationen zu vermeiden: Selbst an furztrockenen Tagen fand die Vorderachse keinen Grip, was zuerst in Rauch und dann mit einem Schlag im zweiten Gang endete. Da ist jeder Twingo von der Ampel schneller weg. Auf nassen Straßen offenbaren sich die größten Traktionsschwächen, worauf man sich eben wieder einen Allradantrieb wünscht. Warum nicht, Seat? Ach ja, Ihr könnt ja nichts dafür. Es soll ja auch noch Käufer für den Golf R geben.
„Entscheidende Option: das Performance Paket“
Dem hat der Léon ST Cupra 280 preislich gesehen mehr als nur eine Nasenlänge voraus: 35.950 Euro kostet das Stückchen Emocion inklusive DSG (ohne: 34.250 Euro) und wir würden auch normalerweise behaupten, dass die günstigere 265er-Alternative (ab 32.950 Euro) ausreicht: Die Unterschiede in der Motorisierung macht nur aus, wer beide Fahrzeuge direkt vergleicht. Im Vergleich zum Dreitürer macht der 280er-Motor die paar Mehr-Kilos des ST durch etwas mehr Biss in den oberen Drehzahlbereichen wieder wett, sodass auch bei den Fahrwerten annähernd Gleichstand herrscht. Ähnliches gilt für den Verbrauch: Für einen 250 Km/h schnellen Pampersbomber gehen rund neun Liter pro 100 Kilometer in Ordnung. Doch pro 280er-Maschine spricht insbesondere eine entscheidende Option: das Performance Paket.
Dessen fantastische Bremse hat uns ebenso überzeugt wie Variabilität und Praktikabilität des Léon ST Cupra 280. Im Alltagsbetrieb ein unauffälliger Kombi mit Platz für Kind und Kegel, der sowohl die Urlaubsfahrt als auch die schnelle Rundenzeit kann, ohne dass die Passagiere Einbußen befürchten müssen. Das sehr große und weit zu öffnende Panorama-Glasdach (970 Euro) trägt viel zum Wohlbefinden bei. Doch wo dort das Licht hineinfällt ist der Schatten nicht weit: Die Sportschalensitze sind ihren horrenden (1.350 Euro) Preis nicht wert, bieten viel zu wenig Seitenhalt und ihre silberfarbenen Kunststoff-Einfassungen fassen sich billig an: Lieber die Seriensitze und Leder nehmen. Das bevormundende DSG würden wir nicht wählen und auch der hyperaktive Frontassistent, der sich außerdem nicht ohne dauerhafte Warnleuchte im Kombiinstrument abschalten lässt, stünde nicht auf der Optionsliste. Jedem ambitionierten Fahrer können wir dafür nur dringend das Performance Paket inklusive der Sportreifen ans Herz legen. Damit kann man dann auch auf den fehlenden Allradantrieb verzichten – wobei: Vielleicht, aber auch nur ganz vielleicht, kommt ja doch nochmal ein Cupra R. Mit 4Motion und über 300 PS. Und einem Quäntchen mehr Hardcore. Wir würden ihn kaufen.
Modell: Seat Léon ST Cupra 280 DSG
Motor: Reihen-Vierzylinder, Turbolader, 1.984 ccm
Leistung: 280 PS (206 kW) zwischen 5.700 und 6.200 U/min
Drehmoment: 350 Nm zwischen 1.750 und 5.600 U/min
Antrieb: Vorderradantrieb, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe
Verbrauch (ECE): 6,6 l/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 5,9 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 250 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,53 m/1,82 m/1,45 m
Gewicht: 1.450 Kg
Grundpreis: 35.950 Euro
*Herstellerangaben
Fotos: Felix Maurer für evocars