O-Ton Seat: „Statt des ursprünglich vorgesehenen 280 PS Cupra bekommen Sie kommenden Mittwoch die 265 PS starke Version.“ Und wer hatte Schuld? Der große Unbekannte, der für die Kaltverformung des derzeit stärksten Seat Léon verantwortlich war.
Dass wir nun also mit der schwächeren Variante Vorlieb nehmen mussten, erregte sogleich die Gemüter in den sozialen Netzwerken. Doch ruhig Blut, Jungs, lasst erst mal Fakten sprechen: Beide Leistungsstufen des 2.0 TSI-Vierzylinders verfügen über 350 Newtonmeter Drehmoment, beide fahren (abgeregelte) 250 Km/h schnell und gehen zwischen 5,8 (Cupra 280 mit DSG) und 6,0 (Cupra 265 mit Handschaltung) Sekunden auf 100. Und für die Statistiker der Greenpeace-Idee: Beide verbrauchen nach Werksangabe 6,4 Liter Super Plus auf 100 Km und emittieren 154 Gramm CO-2 jeden Kilometer. Gleichstand zur Halbzeitpause.
Doch während die schwächere Version ihre Nennleistung zwischen 5.350 und 6.600 Umdrehungen hat, schafft das der 280 PS Cupra nur zwischen 5.700 und 6.200 Umdrehungen pro Minute. Das Drehmoment liegt dafür 300 Umdrehungen (1.750 – 5.600) länger an. Ob jemand diese Unterschiede wirklich im Alltag erfahren kann? Ist auch wurscht, preislich verlangt Seat für 15 PS mehr saftige 1.260 Euro (Vergleich der DSG-Versionen).
Nachdem wir lange genug und typisch deutsch – wir lassen notabene Innenmaße und Kofferraumvolumen außen vor – über die Theorie geschwätzt haben, folgt nun endlich die Praxis. Die Sitzposition passt, die Alcantarasessel könnten aber ruhig noch einen Tick mehr Seitenhalt und Schulterunterstützung bieten. Der Blick fällt auf fein skalierte Instrumente, die an den alten Audi S3 erinnern. Das dicke Multifunktionslenkrad liegt gut in der Hand und verfügt selbstredend über Schaltwippen für die DSG-Box. Na dann legen wir mal los. Und da gibt es gleich das erste Problem:
Ist die Traktionshürde erstmal überwunden, geht der Cupra 265 wie die sprichwörtliche Sau geradeaus. Auf der Autobahn ist der Gewichtsvorteil zum immerhin 35 PS stärkeren Golf R mit Allradantrieb spürbar groß. Ohne Mühe schiebt der Zweiliter im sechsten unter 2.000 Umdrehungen raus und hätte bei Tacho 275 sogar noch etwas Luft nach oben, doch dann macht ihm die Elektronik einen Strich durch die Rechnung. Das Fahrwerk hält die 1.390 Kilogramm schwere Karosse stoisch auf Kurs und nur starker Seitenwind kann Unruhe in den Vorderwagen bringen, dessen Motorhaube ab Geschwindigkeiten über 240 Km/h das Flattern anfing. Selbst im harten Cupra-Modus des (serienmäßig) adaptiven Dämpfersystems bleibt dabei noch genügend Restkomfort, sodass man die übrigen Modi (Sport und Komfort) nur selten anwählen wird.
Umso mehr gilt das für die Landstraße. Satt und sicher liegt der Léon auf der Straße und lässt sich auch durch schlechte Straßen und schnelle Richtungswechsel nicht aus der Ruhe bringen. Hier ist die Lenkung in Stellung „Cupra“ angenehm schwergängig und vermittelt zunächst – so meint man – eine gute Rückmeldung. Doch spätestens auf ambitioniert gefahrenen Strecken, beim Herausbeschleunigen aus Kurven, zeigt sich der Nachteil des elektromechanischen Systems: Sobald Schlupf an der Vorderachse auftritt, fühlt sich die Lenkung entkoppelt an. Als Fahrer merkt man zwar, dass die Helferlein regeln und versuchen, den Léon auch in die Richtung zu manövrieren, die der Fahrer gerne haben möchte. Doch nichts davon schafft es bis ins Lenkrad. Wer daraufhin meint, den Ingenieuren sei es gelungen, Antriebseinflüsse aus der Lenkung herauszufiltern, der hat nur bedingt Recht: Das System gaukelt vor, die Vorderachse käme mit der überschüssigen Leistung zurecht. Doch das kommt sie gerade nicht.Bei scharfem Leistungseinsatz aus der Kurve heraus hilft nämlich auch das Sperrdifferential nicht mehr. Hilflos schiebt der Cupra über die Vorderachse, regelt, dreht etwas ein und schiebt erneut. Leichte Heckschwenks sind so zwar möglich, machen aber keinen Spaß. Im Grenzbereich ist dieser Seat ein gnadenloses Beispiel dafür, dass bereits 265 PS die Vorderachse einfach überfordern. Zu ihren Gunsten ist zwar festzuhalten, dass auf dem Testwagen Winterreifen montiert waren, die den Grenzbereich bei den derzeitigen Temperaturen stark heruntersetzen. Dennoch bleiben wir dabei: Der (fantastische) Allradantrieb aus dem Golf R wäre die bessere – wenn auch ungleich teurere und schwerere – Wahl, die sich wiederum nur mit (noch) mehr Leistung kompensieren lassen würde.
Die wenigsten Käufer eines Cupra werden ihren Wagen derart häufig im Grenzbereich bewegen, als dass sie diese Problematik erfahren würden. Für viele stellt der Seat vielmehr eine Alternative zum Golf VII GTI mit Performance Pack (ab 30.400 Euro) dar, der mit seinen 230 PS die Vorderachse – ja, das ist tatsächlich spürbar – weniger belastet. Und im Vergleich zum Konzernbruder offenbaren sich noch weitere Schwächen: Beim Bedienen von Navigationssystem – im Testwagen war die kleinere Variante ab 440 Euro verbaut – und Fahrer-Informationssystem fühlt man sich wie im VW Altteilelager: Die Systeme reagieren träge auf Eingabebefehle, das Navi benötigt teilweise Minuten (!) zur Routenberechnung – mit herzlichem Gruß an die Navigationsdaten auf einer SD-Karte – und verfügen über verpixelte Grafiken, die vielleicht in einem fünf Jahre alten TomTom noch durchgegangen wären. Die silberfarbene Umrahmung der Alcantarasitze ist so synthetisch wie ein Spielzeug aus dem Überraschungs-Ei und auch die Türbrüstungen wirken mangels Unterschäumung nicht hochwertig.
Abgesehen davon, dass der Léon Cupra verdammt schnell geradeaus ist, hatte der Testwagen aber auch einige Extras an Bord, die uns gut gefallen haben. Das 970 Euro teure Panorama-Glasdach lässt sich weit öffnen und wäre für uns ein absolutes must-have, ebenso wie das Seat Sound System für 330 Euro – dieses übertönt nämlich den schrecklich lauten Motor in Sport- oder Cupra-Einstellung. Auch der Abstandsradar und der Spurhalteassistent konnten überzeugen, lediglich die Notbremsfunktion arbeitete etwas überempfindlich und bescherte uns eine unnötige Vollbremsung bei 240 Km/h. Die serienmäßigen Voll-LED-Scheinwerfer bieten eine perfekte Lichtausbeute und sehen dazu noch verdammt schick aus. Letztlich hielt sich sogar der Verbrauch in Grenzen: Wer zügig (Richtgeschwindigkeit plus 30 Km/h) unterwegs ist, aber Dauervollgas meidet, schafft Verbräuche zwischen acht und neun Litern Super Plus. Ohne Spaß am Volant geht es auch darunter. Dauerbrennen mit 275 nach Tacho bezahlt man dafür schnell mit über 15 Litern. Am Ende gilt für die Entscheidung wie so häufig beim VW-Konzern: Der Geschmack entscheidet – und ein wenig auch der Geldbeutel. Der 280 PS Cupra ST kommt im Juni zu uns.
Modell: Seat Léon SC Cupra 265 2.0 TSI
Motor: Reihen-Vierzylinder, Turbolader, 1.984 ccm
Leistung: 265 PS (195 kW) zwischen 5.350 und 6.600 U/min
Drehmoment: 350 Nm zwischen 1.700 und 5.300 U/min
Antrieb: Vorderradantrieb, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe DSG
Verbrauch (ECE): 6,4 l/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 5,8 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 250 Km/h (elektronisch abgeregelt)
Abmessungen (L/B/H): 4,23 m /1,97 m /1,42 m
Gewicht: 1.395 Kg
Grundpreis: 32.630 Euro
*Herstellerangaben
Fotos: Felix Maurer für evocars