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Driven: VW Golf GTI – Unterwegs im Wolfsburger Hot Hatch

Der GTI ist die Keimzelle. Er erfand 1976 die Kategorie der „Hot Hatches“. Ein Entwicklungsprojekt einer kleinen Gruppe um Alfons Löwenberg ließ sich von der Ölkrise Anfang der 70er nicht irritieren und bastelte im Verborgenen am schnellen Golf. Als die Sonntagsfahrverbote wieder aufgehoben und keine Fahrradfahrer mehr die Autobahn bevölkerten, gab der Vorstand dann auch direkt grünes Licht für den „Gran TurismeInjection“. Die Legende war geboren. Leicht, schnell, agil – vor allem aber: mit Charakter. Ein Auto gegen die Konvention. Ein Auto zum Spaß.

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Über die Jahre verlor der GTI viel von seinem ursprünglichen Charme. Er musste sich dem kompromisslosen Volkswagen-Stil unterwerfen. Kein Platz mehr für Nachlässigkeiten, Ecken und Kanten. So bekam der GTI nicht mehr nur keinen eigenen Motor, sondern war nicht mal mehr der stärkste Golf. Auch der rote Lidstrich und das Karomuster gingen irgendwann verloren. Ab und an fand es sich zwar an einer Jubi-Serie wieder, außer dem GTI-Schriftzug blieb aber nicht mehr viel vom Geist des Alten.

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Doch mit dem neuen GTI – der 7. Auflage – keimt wieder etwas Hoffnung auf, denn er hat eine Sperre – zumindest in der nur 1125 EUR teureren und damit sehr empfehlenswerten  „Performance-Variante“. Keine elektronische, die nur die durchdrehenden Räder mit der Bremse wieder einfängt, sondern eine echte Lamellensperre. Aber VW wäre nicht VW, wenn man es nicht wieder ein wenig anders machen würde als die Konkurrenz. Und so ist die „Vorderachsquersperre“ elektronisch geregelt. Das bedeutet: ihre Sperrwirkung kann von Null bis 100% stufenlos eingestellt werden.

Warum der Aufwand? Weil man in Wolfsburg keine herkömmliche Sperre hätte einbauen können. Zu groß der Komfortverlust, zu laut die Geräusche, zu stark das Untersteuern am Kurveneingang. Die elektronische Sperre musste sein, um den bestmöglichen Kompromiss zu finden. So fährt man im Normalbetrieb quasi weiterhin mit offenem Differential, erst in Situationen in denen eine Sperrwirkung nötig ist, wird das Lamellenpaket aktiviert.

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Und zwar über eine ausgeklügelte Regelstrategie. Sämtliche fahrdynamischen Parameter werden vom ESP abgegriffen: Geschwindigkeit, Lenkwinkel, Gierrate und vieles mehr. Auf Basis dieser Daten errechnet das Sperren-Steuergerät noch bevor es zu auftretendem Schlupf kommt, wie viel Sperrwert benötigt wird und baut über eine kleine Hydraulikpumpe Druck auf, der auf das Lamellenpaket wirkt. Da auch die dynamische Radlastverteilung bei schneller Kurvenfahrt mit in die Rechnung einbezogen wird, kann dem kurvenäußeren Rad noch mehr Drehmoment zugemutet werden. So wird ein „torque-Vectoring-Effekt“ erzielt, der GTI dreht quasi in die Kurve ein.

In normalen Straßenverkehr macht sich das kaum bemerkbar, zu selten ist man in Bereichen unterwegs, in denen die Räder Traktion verlieren und die Sperre Arbeit bekäme. Klar, in engen Ecken und vollem Gaseinsatz am Kurvenausgang schon – aber ansonsten passiert das alles in Geschwindigkeitsbereichen, in denen besser keine Radarfalle am Straßenrand steht. Auf der Rennstrecke kann man die Vorteile am Besten herausfahren. Da macht der GTI richtig Spaß. Klar, ein Megane R.S. und ein Focus ST machen ihm das Leben weiterhin sehr schwer, aber sie fahren eben auch in einer anderen Leistungsklasse.

VW Golf GTI Test Wallpaper 2013 (11)

Obwohl der GTI wieder ein wenig Leistung gewonnen hat. Die Performance-Version leistet nun immerhin 230 PS. Viel wichtiger ist aber das Drehmoment, was von 280 Nm auf 350 Nm gesteigert werden konnte. Möglich wurde das durch die neue Ventilsteuerung mit variablem Hub. Überhaupt, der GTI-Motor ist eine komplette Neuentwicklung auf Basis des MQB-Baukastens. So kommen etwa auch der von den kleinen Motoren bekannte, integrierte Abgaskrümmer und andere effizienzsteigernde Maßnahmen zum Einsatz.

Und der Verbrauch? Nun, auf unsere Testrunde von Nizza nach Le Castellet wies der am Ende 8,7 Liter aus. Kein schlechter Wert, nur unterboten von der Rückfahrt – was aber daran lag, dass der Beifahrer die Rennstreckenrunden nicht gut verkraftet hatte und sehr schwer daran tat, das Mittagessen und die Gesichtsfarbe bei sich zu behalten. Logisch, dass unter diesen Umständen weder die 250 km/h Höchstgeschwindigkeit, noch die 6,5 Sekunden von Null auf 100km/h ausgelotet werden konnten.

Doch die zahme Fahrweise zeigt: GTI kann also auch sparsam. Und komfortabel – besonders wenn man die adaptiven DCC-Dämpfer für 990 Euro bestellt. Und auch die „Unterhaltung“ stimmt. Denn das Navi zeigt nun Google-Earth-Kartenmaterial und bei Bedarf sogar Google-Streetview. Überhaupt, der GTI ist Golf und damit nur schwer zu kritisieren, solange man objektive Maßstäbe anlegt.

Natürlich können andere schneller, schärfer und emotionaler. Aber sie können eben nur das und nichts anderes. Der GTI muss alles können – das zeigt auch der seufzende Kommentar des Powertrain-Entwicklers auf unsere Frage nach dem Kupplungspedal. Das lässt sich nämlich ähnlich leichtgängig und gefühllos bedienen, wie bei allen anderen Golf-Modellen. „Zehn Newton mehr Pedalkraft wurden freigegeben, mehr nicht“, so die etwas geknickte Aussage des VW-Mannes. Klar, dass diese zehn Newtonmeter den Kohl nicht fett machen und die gefühlte Sportlichkeit nicht echt weiterbringen. Schade.

In den Weiten des Wolfsburger Großkonzerns bleibt eben kein Platz für Spielereien. Und so freut es umso mehr, dass es die neue Quersperre in den GTI geschafft hat. Denn sie bringt den „H0t Hatch“ wieder dorthin, wo 1976 alles angefangen hat. Ein GTI zum Fahren, nicht bloß fürs Marketing. Gut so! Und die Konkurrenz darf sich nicht ausruhen, denn der kommende Golf R wird nicht nur mehr Leistung, sondern wohl nicht nur eine elektronische gesteuerte Sperre haben…

Technische Daten (VW Golf GTI Performance):

Motor:
Art: 4-Zylinder- Ottomotor TSI BlueMotion Technology
Einbaulage: vorne quer
Bohrung/Hub: 82,5 mm/92,8 mm
Hubraum: 1.984 cm³
Ventiltrieb: 4 Ventile/Zylinder, 2 Nockenwellen, Zahnriemen, Rollenschlepphebel
Verdichtung:  9,6:1
Leistung:  169 kW (230) PS bei 4.700 – 6.200/min
Drehmoment: 350 Nm bei 1.500 – 4.600/min
Fahrleistungen:
0 – 100 km/h:  6,4 sek.
Topspeed: 250 km/h (248 km/h mit DSG)
Kraftstoffverbrauch:
Kraftstoffart: Superbenzin 95 ROZ
Innerorts: 7,5 l/100km (8,1 l/100km)
Außerorts: 5,1 l/100km (5,4 l/100km)
Kombiniert: 6,0 l/100km (6,4 l/100km)
Schadstoffklasse  Euro 6
Kraftübertragung:
Kupplung: Einscheiben-Trockenkupplung, Zweimassen-Schwungrad(zwei elektrohydraulisch betätigte Lamellenkupplungen im Ölbad)
Getriebe: Sechsgang-Schaltgetriebe (Sechsgang-DSG)
Übersetzung (6.G.): 0,97:1 (0,639:1)
Achsübersetzung: 3,45:1 / 2,76:1 (4,769:1 / 3,444:1)
Fahrwerk:
Vorn:  McPherson-Federbeinachse mit unteren Dreiecksquerlenkern. Hinten: Vierlenker-Hinterachse mit getrennter Feder-Dämpfer-Anordnung, Stabilisator vorn und hinten. ESP, ASR, elektromechanische Lenkung mit geschwindigkeitsabhängiger Servounterstützung.
Räder:  7 1/2 J x 17
Reifen:  225/45 R 17 W
Bremsen: Scheibenbremsen, vorne innenbelüftet, ABS, EBV, Dual Brake Assistant
Ø Bremsscheiben: 340 mm / 310 mm
Maße & Gewichte:
Länge/Breite/Höhe: 4.268 mm / 1.790 mm / 1.442 mm
Radstand: 2.631 mm
Spurweite: 1.538 mm / 1.516 mm
Wendekreis: 10,9 m
Gepäckraum: 380 Liter
Leergewicht: 1.402 kg
Zul. Gesamtgewicht: 1.870 kg
Kraftstoffbehälter:  50 Liter
Preis:
220 PS, 6-Gang manuell 28.350 Euro
220 PS, 6-Gang DSG 30.250 Euro
230 PS, 6-Gang manuell 29.475 Euro
230 PS, 6-Gang DSG 31.375 Euro