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Nun, da sich der erste Premieren-Rauch um den 918 RSR verzogen hat, macht sich evocars-Redakteur Fabian Mechtel daran, dem neuen Vorzeige-Rennwagen von Porsche etwas Leben einzuhauchen.
Offiziell wird er noch als Studie ausgegeben, als experimentelles Rennlabor. Doch der 918 aus Detroit wirkt so seriennah, das man ihm locker zutraut, gleich morgen ausgedreht das Schwedenkreuz zu nehmen, oder die Mulsanne-Kurve in Le Mans hart anzubremsen. Denn es ist genau das, was Porsche mit dem RSR vorhat: Siegen. Heute wird dieses Anliegen medial natürlich differenzierter dargestellt und so schmückt sich der 918 RSR mit einem Hybrid-System und es wird auffällig oft auf Porsches „Intelligent Performance“ verwiesen. Effizienz und. Nachhaltigkeit machen eben auch vor dem Motorsport nicht Halt.
Früher sah das Ganze etwas anders aus. Der Claim Porsche Intelligent Performance war noch nicht erfunden, dabei hätte es schon die Konstruktion des 917 eigentlich verdient, so genannt zu werden. Auf Initiative des genialen Ferdinand Piëch nutzte man 1968 das von der FIA geschaffene Reglementschlupfloch und baute 25 Stück eines Sportwagens mit großem Hubraum. 4,5 Liter waren es, die den 180-Grad-Zwölfzylindermotor auf 520 PS brachten. Da man es eilig hatte um bis zur Abnahme im April 1969 mit der geforderten Stückzahl fertig zu werden, wurde der Legende nach auch Improvisationen wie hölzerne Bremsklötze zurückgegriffen. Kofferraum, Reserverad, Wagenheber und Kupferhammer hatte aber jeder 917 an Bord, schließlich musste er auch für eine Straßenzulassung tauglich sein.
Dass der 917 am Anfang gewisse Anlaufschwierigkeiten hatte, lag wohl nicht nur an den ausgefallenen technischen Lösungen wie den durch die Stabilisatoren betätigten Heckspoiler-Elementen, sondern an einer schlecht balancierten Aerodynamik im Allgemeinen. Denn wenn die Werksfahrer von einer „Unkontrollierbarkeit im Geschwindigkeitsbereich über 350km/h“ sprechen und auf den älteren 908 ausweichen, sollte alles über die Fahrbarkeit des jungen 917 gesagt sein. Das Rennjahr 1969 konnte also abgeschrieben werden und so musste man in 1970 den Gesamtsieg schaffen. Das in den legendären Gulf-Farben lackierte Werksteam von John Wyer hatte in der bisherigen Saison viele Siege eingefahren und war mit drei Fahrzeugen am Start, Martini-Racing setzte auf einen schnelle „917 Langheck“. Doch Piëch wollte auf Nummer sicher gehen und überzeugte seine Mutter Louise unter dem Namen Porsche Holding Salzburg ein weiteres Team an den Start zu bringen, das den Porsche 917 einsetzte.
Wie es der Zufall wollte, spielte der Rennverlauf Piëch bestens in die Karten, denn alle Favoriten fielen noch am Samstag des Rennens aus und der rote 917 von Herrmann und Attwood konnte für Porsche den ersten Gesamtsieg in Le Mans erringen. Angespornt von diesem Erfolg, griff man im folgenden Jahr noch tiefer in die Trickkiste: eine abermals veränderte Heckpartie verbesserte den Anpressdruck, ein Magnesium-Gitterrohrrahmen senkte das Gewicht und gelochte Bremsscheiben sollten für ein schnelleres Ansprechen bei nassen Scheiben, sowie eine bessere Kühlung der Bremsen sorgen. Da sowohl der Rahmen, als auch die Lochung gerade frisch aus dem Entwicklungszentrum gekommen waren und sicherheitstechnisch nicht gerade unbedenklich waren, „sagte man es den Fahrern einfach erst nach dem Rennen“, wie sich Piëch heute mit einem Schmunzeln erinnert.
Heute sitzen die Fahrer hingegen in technisch perfekten Fahrzeugen. Nichts wird dem Zufall überlassen und schon gar nicht werden Leib und Leben der Fahrer aufs Spiel gesetzt. Dafür wird die alte Zeit von den Marketingabteilungen umso geschickter zitiert. Und kaum ein Hersteller kann dies besser als Porsche. Wenn auch der 918 RSR auf den ersten Blick verwundert: die Startnummer 22 beispielsweise zitiert das 40-jährige Jubiläum des zweiten Le Mans-Gesamtsieges, denn der Martini-917K ging mit jener Nummer ins Rennen. Das Farbschema des 918 hingegen scheint deshalb etwas fehl am Platze. Liquid Metal Chromblau, gemeinsam mit der „bei Porsche typischen Hybrid-Farbe orange“ sieht mehr nach Wyer-Gulf-Styling, als nach den coolen Martini-Linien aus.
Sei es drum, das Farbschema ist das einzige Zitat, das es mit der Vergangenheit nicht ganz so genau nimmt. Dafür gibt es ja noch das horizontale Lüfterrad, das spartanische Lenkrad oder den mit zähem braunem Leder bezogenen Fahrersitz. Doch die eigentlich größte Hommage an den alten 917 ist die Ausrichtung des 918 RSR. Er wurde gebaut um zu gewinnen. Damals nutzte man eine zu laxe Regelung der FIA um die Sportwagenwelt aufzumischen, heute setzt man auf den zeitgeistigen Stimmungswandel und den Zugzwang unter dem die technischen Kommissare der Rennserien stehen. Denn der 918 trägt seine Elektromaschinen an der Vorderachse nicht um der grünen Wiesen Willen, sondern allein zur Performancesteigerung.
Damit man bei den ersten Renneinsätzen – die offiziell natürlich (noch) nicht bestätigt werden – nicht eine ähnliche Bauchlandung wie mit dem Vorgänger erlebt, hat man bei Porsche Motorsport gut vorgesorgt und die Teilespender des 918 bereits im Vorfeld erfolgreich erprobt. Das traditionelle technische Layout teilt sich der neue RSR mit dem bisherigen Le Mans-Renner RS Spyder. Von ihm kommen nicht nur die aerodynamischen Hilfsmittel, sondern auch der Hinterachs-Antrieb – GR6 und MR6, so die schlichte Bezeichnung von Getriebe und Motor im offenen Rennprototyp. Doch die faszinierende Technik die sich dahinter verbirgt wurde für den 918 RSR noch einmal verfeinert.
Das Getriebe ist weiterhin eine geradeverzahnte Sechsgangbox, deren Gänge sequenziell mit Schaltklauen eingelegt werden. Bedient wird das Getriebe elektropneumatisch mit kleinen Tasten am Lenkrad. Und auch der V8-Motor blieb nicht unangetastet. Er darf zwar weiterhin auf 3,4 Liter Hubraum vertrauen, die Leistung stieg von aber vom 480 PS auf 563 PS. Was wir – in Bezug auf die beim 918 RSR noch fehlende Klassen-Einordnung – auf den Wegfall des Luftmengenbegrenzers zurückführen, denn die Nenndrehzahl des Direkteinspritzers beträgt unverändert atemberaubende 10.300 U/min.
Natürlich reicht dieses Paket noch nicht für eine technische Vormachtstellung, wie sie der 917 innehatte. Und so nimmt auf dem Beifahrerplatz des 918 RSR das Hybrid-Paket des 911 GT3 R Hybrid Platz. Bringt das System im beinahe-siegreichen 24h-911 noch 120 kW an elektrischer Leistung, so sind es im 918 RSR gar 150 kW. Im vollen Beschleunigungszustand treiben also 767 PS den neuen Hybrid-Rennwagen über alle vier Räder nach vorne. Zur besseren Agilität und Kurvenperformance sind die beiden Elektromaschinen an der Vorderachse zum torque-vectoring fähig, können also bedarfsgerecht auf Reibwertunterschiede eingehen und das Moment entsprechend verteilen.
Die Kombination aus starkem und zuverlässigem Verbrennungsmotor und Performace-Elektrosystem hat sich im vergangenen Jahr mit dem 911 GT3 R Hybrid bereits ausgezeichnet geschlagen und der RS Spyder ist mit seiner Rennkarriere ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Der 918 RSR sollte demnach also das Zeug zum Ausnahmerennwagen haben und wir werden ihn mit großer Sicherheit nicht nur auf dem Nürburgring, sondern auf in Le Mans in der Startaufstellung wiederfinden. Doch dabei ist es nicht nur das motorsportliche Talent, das uns an diesem Rennwagen begeistert, vor allem ist es sein Aussehen.
War der 918 Spyder des vergangenen Jahres noch ein wenig unstimmig, so ist die Linienführung der geschlossenen Variante ein absoluter Traum. Man sollte sich an dieser Stelle auch gar nicht erst die Mühe machen, das Aussehen in Worte fassen zu wollen. Denn sonst endet man meist mit kopierten Zitaten aus der Pressemeldung, man muss der 918 RSR einfach genießen.